Hagen. Wiesbaden hatte lange ähnlich schlechte Noten fürs Radfahren wie Hagen. Doch jetzt startet die Stadt radikal durch. Ein Vorbild?

Wiesbaden ist größer (278.000 Einwohner), die hessische Stadt ist auch reicher -- und dennoch lohnt sich der Blick von Hagen aus in die hessische Hauptstadt. Nicht, weil Wiesbaden das hessische Münster wäre, also ein Paradies für Radfahrer. Sondern weil Wiesbaden ähnlich schlecht da steht wie Hagen. Im jüngsten Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) gab es nur die Note 4,4 und den letzten Platz in der Kategorie der 25 Städte zwischen 200.00 und 500.000 Einwohnern.

Aber da gibt es die Entwicklung, wegen der Wiesbaden zuletzt immer wieder als Beispiel genannt wurde, wie eine Kommune die Mobilitätswände schaffen kann – und wie man ein Dieselfahrverbot vor Gericht abwenden kann. Denn die Bewertung des ADFC ist besser geworden – und die Ziele sind ehrgeizig.

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David Bartelt ist Referent im Umwelt- und Verkehrsdezernat der Stadt. Er macht die Wende auch daran fest, dass politische Schwerpunkte gesetzt worden sind: „Wir haben den motorisierten Individualverkehr in Teilen eingeschränkt für neue Mobilitätsspuren, die von Bussen und Fahrrädern genutzt werden können.“ Und auch das Budget wurde, wenn man nur auf die Fahrradförderung schaut, drastisch erhöht. „Es waren 300.000 Euro, jetzt im Jahr 2019 sind es gut 2,9 Millionen Euro pro Jahr“, sagt David Bartelt. „Das ist fast eine Verzehnfachung.“ Das habe auch mit einem politischen Wechsel zu tun. Gab es vorher eine große Koalition aus CDU und SPD, so ist diese 2017 um die Grünen erweitert worden. Mit dem grünen Andreas Kowol als Verkehrsdezernenten.

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217 Elektro-Busse bis 2022

Einiges von dem, was nun angepackt wird, taucht auch im Hagener Luftreinhalteplan auf. Etwa die geplante verstärkte Elektrifizierung des städtischen Fuhrparks. Doch in Wiesbaden geht man weiter. E-Fahrzeuge erhalten eine Privilegierung beim Parken, für Car-Sharing-Fahrzeuge mit E-Antrieb gibt es gebührenfreie innerstädtische Parkplätze. Und die städtische Bus-Flotte soll bis 2022 komplett elektrifiziert werden: Mit 217 E-Fahrzeugen.

Mit einem 365-Euro-Ticket (also ein Euro pro Tag) für das Stadtgebiet sollen Menschen in die Busse gelockt werden. Für Fahrräder sieht das Sofortpaket vor, dass 1000 neue Rad-Stellplätze geschaffen werden sollen, ein lückenloses Radwege-Grundnetz soll bis 2020 Wirklichkeit sein. Zu den Nachbarstädten Mainz und Frankfurt soll es Radschnellwege-Verbindungen geben. Außerdem ist ein städtisches Fahrradverleih-System geschaffen worden -- und es soll weiter ausgebaut werden. Die Stadt lobt zudem eine Prämie aus, mit der in jedem Jahr der Kauf von 500 Elektro –Lastenrädern unterstützt werden soll.

Ratsmitglieder im Bus und auf dem E-Bike

Haben Hagens Lokalpolitiker überhaupt einen Sinn für die Mobilitätswende? Zwei von ihnen haben sie jedenfalls persönlich für sich vollzogen.

Dietmar Thieser.
Dietmar Thieser. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Dietmar Thieser (SPD), Ratsmitglied und Bezirksbürgermeister in Haspe, hat im vergangenen Jahr sein eigenes Auto abgeschafft und fährt seitdem vorwiegend mit Bus und Bahn sowie mit dem E-Bike. „Das klappt wunderbar. Ich komme aus Haspe sehr gut mit dem Bus überall hin. Ich bin früher gerne Auto gefahren, jetzt vermisse ich es nicht mehr.“

Stefan Ciupka (CDU) hat sich vor 13 Monaten ein E-Bike zugelegt und fährt so oft es geht damit: „3800 Kilometer waren es seitdem. Ich habe gemerkt, dass ich von Vorhalle bis zu meiner Arbeit in der Sparkassen-Zentrale schneller und stressfreier mit dem E-Bike als mit dem Auto bin.“ Noch hat das CDU-Ratsmitglied ein Auto. „Aber wenn das nicht mehr fährt, dann würde ich schon überlegen, ob es noch einmal eins sein muss – oder doch besser bei Bedarf ein Leihwagen.“

In Wiesbaden schreckt man auch nicht davor zurück, weitere Parkplätze zu bewirtschaften und dort, wo dies bereits der Fall ist, die Parkgebühren zu erhöhen. Mit intelligenten Systemen soll zudem der Verkehr besser gelenkt werden.

Das alles kostet – siehe allein die Umrüstung der Busflotte – mehrere Millionen Euro. „Das können auch wir nicht alleine schaffen, aber dafür gibt es auch Förderung vom Bund“, sagt David Bartelt. Wie man sehe, lohne sich das Ganze aber. Allein der Weg zur Mobilitätswende habe ja schon dazu geführt, die Diesel-Klage abzuwenden.