Hohenlimburg/Oege. . Der Oeger Steinbruch ist nah an die Menschen herangerückt. Viele leiden unter den Sprengungen, doch es gibt auch Befürworter. Ein Report vor Ort.

Was für ein Ort zu leben. Wie malerisch. Am Tag der Recherche vor Ort scheint die Sonne auf den – wie naheliegend – Sonnenberg in Oege. Von der Terrasse von Marianne Arndt kann man Richtung Veserde schauen. Der Blick liefert eine Mischung aus Sauerland und Schwarzwald. Es ist ein kleines Paradies. Doch es hat auch Risse.

Denn so idyllisch sie hier oben leben, so nah leben sie auch am großen Knall. Ein Report über das Leben an den Rändern des Hohenlimburger Steinbruchs. Über Ärger über Sprengungen, Lkw-Verkehr, Staub und Raubbau an der Natur. Aber auch über die tiefe Verwurzelung der Menschen.

Entwurf für Regionalplan mit zusätzlicher Fläche

Die Debatte ist wieder in vollem Gange. Wie berichtet, fürchtet die „Bürgerinitiative für den Erhalt des Ahm“ eine erneute Erweiterung der Abbaufläche der Hohenlimburger Kalkwerke und beruft sich auf eine Darstellung im Entwurf für den neuen Regionalplan. Sie hat eine Unterschriftenaktion bei Anwohnern in der Feldstraße und am Sonnenberg gestartet, die am Mittwoch endete.

Marianna Arndt zeigt auf Risse in ihrem Fliesenboden.
Marianna Arndt zeigt auf Risse in ihrem Fliesenboden.

Die Hohenlimburger Kalkwerke halten dagegen: Die Änderungen im Regionalplan dienten nur zur Konkretisierung der bisherigen Planungen.

Steinbruch rück nach Osten vor

Marianne Arndt (70) hat ihr gesamtes Leben am Sonnenberg verbracht. Ihre Eltern gehörten zu den Glücklichen, denen Hoesch einst in seiner Arbeitersiedlung ein Grundstück überließ. Da lag der Steinbruch, aus der Luft betrachtet, noch viel weiter im Westen. „Da ging das alles noch. Doch vor 20 Jahren kam der Steinbruch langsam näher“, sagt Arndt. So nah, dass heute, wenn dreimal in der Woche vormittags gesprengt wird, die Schränke wackeln, Glasplatten zerspringen und die Fliesen im Wohnzimmer Risse kriegen.

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Das gehört hier ganz offiziell zum Lebensrisiko. In Abteilung zwei ihres Grundbuchs waren von Anfang an Immissionsduldungsrechte eingetragen. Wer hier baut und lebt, muss die Sprengungen ertragen. „Die Häuser der Nachbarn zeigen alle Spuren der Sprengeinwirkungen“, sagt Arndt. Warum sie nie weggezogen ist? „Das hier ist meine Heimat und die Geschichte meiner Eltern. Ich gehe hier niemals weg.“

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Unterschiedliche Meinungen

Die Entscheidung trifft das Ehepaar Bestgen aus der Feldstraße anders. „Wir wollten in der Feldstraße ein Haus kaufen. Aber der Wertverfall und die Beeinträchtigungen durch die Sprengungen sind zu groß. Wir ziehen in einen anderen Ort. Wir können auch nicht verstehen, wie die Friday-for-future-Bewegung die öffentliche Debatte bestimmt, aber hier weiter Steinbrucherweiterungen genehmigt werden. Es gibt schon Länder, die aus Plastikschrott Straßen bauen und wir zerstören weiter die Natur zum Abbau von Kalk.“

Baggerarbeiten im Steinbruch.
Baggerarbeiten im Steinbruch. © Kleinrensing

Frank Borkowski ist ebenfalls Anwohner der Feldstraße. „Wir haben auch ein Wertgutachten machen lassen. Es ist damit zu rechnen, dass der Wert der Häuser sinkt. Je nachdem, auf welcher Ader gesprengt wird, ist es echt heftig. Dazu täglich Hunderte Lastzüge, die aus dem Steinbruch rausfahren. Es ist belastend.“ Aber es gebe auch Ignoranten oder Kalkwerke-Befürworter, die auch die Unterschriftenliste der Bürgerinitiative nicht unterschreiben würden.

Das sagt eine Befürworterin

Christa Fluch lebt in ihrem Haus am Ende der Feldstraße am nahesten an der Steinbruchkante. Seit 1966. „Ich bin auch ein Naturfreund. Aber ich muss sagen, dass mich die Sprengungen und der Abbau nicht stören.“ Unterschrieben hat sie nicht. Im Keller ihres Wohnhauses hängt ein Messgerät der Hohenlimburger Kalkwerke. „Irgendwo muss ja gemessen werden. Und wenn es mal zu heftig wird, kann man sich immer an die Kalkwerke wenden.“

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Kalkwerke-Chefs halten dagegen

Christian Lange und sein Bruder Matthias sind die Geschäftsführer der Hohenlimburger Kalkwerke, über die man sich in den betroffenen Wohngebieten viel erzählt. Dass sie Leute mit Geld ruhig stellen würden. Dass sie am Sonnenberg einen Bolzplatz errichtet hätten, um im Wohngebiet als Wohltäter da zu stehen. Und dass Christian Lange sich bei seinem privaten Hausbau nahe des Steinbruchs eine Wanne ins Fundament legen lassen hat, die die Sprengerschütterungen abhält.

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„Das ist alles Unsinn“, sagt Christian Lange. „Beim Bolzplatz wurden wir gefragt, ob wir ihn nicht spenden möchten. Und eine Wanne habe ich mir auch nicht einbauen lassen. Es ist übrigens ausgeschlossen, dass die Häuser Schäden davon tragen. Und der Steinbruch wird nie näher an die Wohngebiete herankommen als er es heute ist.“

>> HINTERGRUND: Nachfrage bei Kalkwerken groß

  • Die Nachfrage bei den Kalkwerken ist so groß, dass keine weiteren Aufträge angenommen werden können. Kalkwerke-Chef Christian Lange macht deutlich, wie wichtig Kalksandstein sei: „Lennetalbrücke, Straßen und Gebäude der heimischen Kalt- und Warmwalzindustrie, diverse Hagener Pflegeheime und Brücken – überall darin stecken unsere Produkte.“
  • Gleichzeitig seien in den stillgelegten Steinbruch-Arealen Schutzgebiete für bedrohte Arten entstanden. „Und selbst mit einer Erweiterung haben wir immer noch 13 Kilometer Wanderwege um den Steinbruch herum. Und viele Menschen kommen zu geologischen Exkursionen“, so Lange. Der Hagener Umweltamtsleiter Ralf-Rainer Braun: „Die Sprengungen liegen alle im Toleranz-Bereich. Natürlich greift der Abbau in die Natur ein. Aber es werden auch Teile mit hohem ökologischen Wert der Natur zurückgegeben. Es gibt ansonsten keine Auffälligkeiten“