Vorhalle. . Die Vorhaller machen sich für ihr Einkaufszentrum stark. Vor allem ältere Bürger fühlen sich von einer zeitgemäßen Nahversorgung abgekoppelt.
Maria Pegelow (78), Ulla Seddig (78) und Ursel Tuchen (70) wirken nicht gerade wie routinierte Widerstandskämpferinnen. Doch die weiterhin unbefriedigende Versorgungssituation in Vorhalle hat die drei betagten, aber kämpferischen Damen in den vergangenen Wochen dann doch aktiv werden lassen: „Wir sind die Stiefkinder in Vorhalle“, fühlen sie sich inzwischen mit ihrem Wunsch nach einem modernen Einzelhandelszentrum an der Ophauser Straße im Stich gelassen.
Angebot nach Boeler Vorbild
Im Bereich Revel-/Ophauser Straße soll der bestehende, aber in die Jahre gekommene Aldi-Markt leergezogen und durch einen größeren Neubau (1220 qm) ersetzt werden.
In die Discounter-Immobilie sollen stattdessen eine Drogerie (720 qm) sowie ein weiterer Fachmarkt (120 qm) einziehen.
Außerdem ist auf dem Areal – ähnlich wie auf dem Boeler Marktplatz – noch ein Edeka-Vollsortimenter (1620 qm) mit einem Café und Back-Shop vorgesehen.
Mit dem Slogan „Wir lassen uns nicht länger verschaukeln!“ haben sie sich auf den Weg gemacht, Klinken geputzt und bei den Menschen für ihr Anliegen geworben. Mit 1500 Unterschriften im Gepäck wollen sie an diesem Donnerstag in der Ratssitzung in der Politik um Unterstützung dafür werben, dass das Oberverwaltungsgericht das Bebauungsplanverfahren nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag anhält.
Ärger über Gerichtsentscheidung
„Die Entscheidung des Richters hat mich richtig sauer gemacht“, schimpft Maria Pegelow auf jenen Juristen, der von der tatsächlichen Situation vor Ort keine Ahnung habe. Die Stadt Wetter hatte Ende 2018 beim Oberverwaltungsgericht dagegen Klage erhoben, dass Hagen das Vorhaller Einkaufszentrum im vereinfachten Bebauungsplanverfahren durchziehen wollte. Aufgrund einer Eilentscheidung wurde das gesamte Verfahren zunächst gestoppt. Damit kann aufgrund der anhängigen Normenkontrollklage bis zur Entscheidung im Hauptverfahren keine Baugenehmigung erteilt werden.
Ob die Stadt parallel den Versuch unternimmt, sich mit einem vollwertigen Genehmigungsverfahren aus der Sackgasse herauszumanövrieren, wird aktuell mit dem Investor abgestimmt. Dieses dürfte sich jedoch über etwa zwei weitere Jahre hinziehen – bis dahin wird auch ein abschließendes Urteil der Münsteraner Richter erwartet.
Wetter setzt auf abgespeckte Variante
Die Nachbarstadt am anderen Ufer des Harkortsees steht auf dem Standpunkt, dass die Größe des Vorhabens dem Regionalen Einzelhandelskonzept widerspreche und die Wirtschaftlichkeit des Wetteraner Ruhrtal-Centers bzw. des Herdecker Mühlencenters gefährde.
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„Ich kann das nicht nachvollziehen – von den Vorhallern fährt ohnehin niemand zum Einkaufen über die Ruhrbrücke“, wundert sich hingegen Nord-Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt und erinnert daran, dass beim Bau der Einkaufszentren in Wetter und Herdecke die Stadt Hagen auf Klageverfahren verzichtet habe.
„Ich komme mit meinem Busticket ohnehin bloß bis zur Stadtgrenze“, ist für Ursel Tuchen die Fahrt über die Ruhr tatsächlich keine Option. „In Vorhalle leben so viele alte Menschen in Single-Haushalten, die sind oft mit dem Rollator unterwegs und kaufen lieber täglich frisch vor Ort ein“, erzählt Ulla Seddig.
Dabei ist das Angebot entlang der Vorhaller Straße zwischen „Reichsadler“ und Stadtteilhaus durchaus vielfältig: Therapeuten, Fuß- und Fingernagelpflege, italienische Feinkost, Trattoria, Kiosk mit Poststelle, Bestatter, Bäcker, Banken, Schneider, Friseur, Modehaus, Optiker, Versicherungsbüros, Floristik, Kosmetik und Apotheke – alles da. Hinzu kommen zwei Discounter, aber eben kein Vollsortimenter. „Für jeden Knopf oder Reißverschluss müssen wir in die Stadt“, vermisst Maria Pegelow ein Schuhgeschäft, den Metzger oder auch den Kramladen Ottensmann.
Rückendeckung der Menschen
Also sind die drei Damen, die erst ihre Verärgerung über die missliche Lage zusammenbrachte, im Januar bei eisiger Kälte losgezogen, haben an den Haustüren entlang der Vorhalle Straße für ihre Sache geworben und in Geschäften Unterschriftenlisten ausgelegt. „Zwischen Tücking und Brockhausen waren wir fast überall unterwegs“, erinnert sich Maria Pegelow an bittere Kälte, stets freundliche Menschen und auch schon mal einen heißen Kaffee für einen Plausch.
„Fast alle haben sich sehr gefreut, dass wir das Thema in die Hand nehmen“, erzählen die drei resoluten Vorhallerinnen von ihren Haustürgesprächen. „Nur eine Frau hat zu mir gesagt. ,Ich bin über 80 – ich erlebe das nicht mehr.’“, erinnert sich Maria Pegelow. Sie soll auf keinen Fall Recht behalten, ist sich das engagierte Damen-Trio einig.