Hagen. . Selbst die Beugehaft-Drohung blieb ohne Wirkung. Zwei Freeway Riders, auf die geschossen wurde, zeigen sich äußert wortkarg im Bandido-Prozess.

Im Hagener Rocker-Prozess gegen ein Bandidos-Mitglied, dem versuchter Mord vorgeworfen wird, haben am Donnerstag zwei Mitglieder der verfeindeten Freeway Riders ausgesagt. Doch ganz offensichtlich haben die beiden kein großes Interesse an einer gerichtlichen Aufarbeitung der Schüsse auf einen fahrenden BMW auf der Saarlandstraße. Nach ihren schleppenden und von Erinnerungslücken geprägten Aussagen machte der Vorsitzende Richter Marcus Teich klar, dass beiden Zeugen ein Ordnungsgeld und auch Beugehaft zur Erzwingung einer vollständigen Aussage drohen könnten: „Wir werden uns im Rahmen dieses Verfahrens sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen haben.“

Stationen des Hagener Rockerkriegs

 1. Oktober 2016: Die Bandidos verkünden die Gründung eines „Prospect-Chapters“ für Hagen, also einer „Anwärter-Gruppierung“ (hier ein Symbolbild).
 1. Oktober 2016: Die Bandidos verkünden die Gründung eines „Prospect-Chapters“ für Hagen, also einer „Anwärter-Gruppierung“ (hier ein Symbolbild). © imago/BildFunkMV | imago stock&people
3. Oktober 2016: Marsch der Freeway Riders von Kückelhausen bis in die Innenstadt: Machtdemonstration gegenüber dem entstehenden Bandidos-Chapter
3. Oktober 2016: Marsch der Freeway Riders von Kückelhausen bis in die Innenstadt: Machtdemonstration gegenüber dem entstehenden Bandidos-Chapter © WP | Kai Uwe Hagemann
9. November 2016: Razzia in einem Bandidos-Treffpunkt in Hagen, nachdem der NRW-Innenminister die Rockergruppe Osmanen Germania verboten hat (hier ein Symbolbild). Es soll Verbindungen gegeben haben.
9. November 2016: Razzia in einem Bandidos-Treffpunkt in Hagen, nachdem der NRW-Innenminister die Rockergruppe Osmanen Germania verboten hat (hier ein Symbolbild). Es soll Verbindungen gegeben haben. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
16. Juni 2018: In einer Shisha-Bar in der Hindenburgstraße sollen Bandidos ein Mitglied einer anderen Rockergruppierung attackiert haben.
16. Juni 2018: In einer Shisha-Bar in der Hindenburgstraße sollen Bandidos ein Mitglied einer anderen Rockergruppierung attackiert haben. © WP | Thomas Nitsche
29. Juni 2018: Nach dem Vorfall in der Hindenburgstraße kommt es zu einer Razzia gegen Bandidos-Mitglieder mit einem Großaufgebot der Polizei. Unter anderem durchsuchen Sondereinsatzkommandos das Vereinsheim in Delstern und Privatwohnungen. Der damalige Präsident des Chapters wird festgenommen, kommt aber bald wieder frei.
29. Juni 2018: Nach dem Vorfall in der Hindenburgstraße kommt es zu einer Razzia gegen Bandidos-Mitglieder mit einem Großaufgebot der Polizei. Unter anderem durchsuchen Sondereinsatzkommandos das Vereinsheim in Delstern und Privatwohnungen. Der damalige Präsident des Chapters wird festgenommen, kommt aber bald wieder frei. © WP Michael Koch | Michael Koch
17. Juli 2018: Am Tücking wird gegen 18.38 Uhr auf ein Mitglied der Freeway Riders geschossen, es bleibt unverletzt. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt.
17. Juli 2018: Am Tücking wird gegen 18.38 Uhr auf ein Mitglied der Freeway Riders geschossen, es bleibt unverletzt. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt. © WP Michael Koch | Michael Koch
17. Juli 2018: Um 19.25 Uhr, nur wenige Minuten nach der Tat am Tücking, wird ein 31-Jähriger, der wohl Anwärter für eine Bandidos-Mitgliedschaft ist, auf dem Gelände der Aral-Tankstelle in Eilpe niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Zwei Männer werden kurz darauf festgenommen, müssen aber wieder freigelassen werden. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt.
17. Juli 2018: Um 19.25 Uhr, nur wenige Minuten nach der Tat am Tücking, wird ein 31-Jähriger, der wohl Anwärter für eine Bandidos-Mitgliedschaft ist, auf dem Gelände der Aral-Tankstelle in Eilpe niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Zwei Männer werden kurz darauf festgenommen, müssen aber wieder freigelassen werden. Die Tat gilt bis heute als nicht aufgeklärt. © Alex Talash | Alex Talash
28. September: Am Bergischen Ring lauern mehrere Männer einem Mitglied der Freeway Riders auf und schießen mehrfach auf seinen Pkw.
28. September: Am Bergischen Ring lauern mehrere Männer einem Mitglied der Freeway Riders auf und schießen mehrfach auf seinen Pkw. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
5. Oktober: Um 21.30 Uhr wird auf der Frankfurter Straße ein Bandidos-Mitglied vor einem Café, das als Treffpunkt der Rockergruppe gilt, niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt.
5. Oktober: Um 21.30 Uhr wird auf der Frankfurter Straße ein Bandidos-Mitglied vor einem Café, das als Treffpunkt der Rockergruppe gilt, niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt. © Alex Talash | Alex Talash
13. Oktober: Um 18.30 werden aus einem Mercedes Cabrio auf der Saarlandstraße vier Schüsse auf einem BMW abgeben, den ein Mitglied der Freeway Riders fährt. Verletzt wird niemand. Noch in der Nacht nimmt ein Spezialeinsatzkommando in der Frankfurter Straße ein führendes Mitglied (31) des Hagener Bandidos-Chapters fest. Gegen ihn ist inzwischen Anklage wegen versuchten Mordes erhoben worden. Der Prozess startet am 25. März.
13. Oktober: Um 18.30 werden aus einem Mercedes Cabrio auf der Saarlandstraße vier Schüsse auf einem BMW abgeben, den ein Mitglied der Freeway Riders fährt. Verletzt wird niemand. Noch in der Nacht nimmt ein Spezialeinsatzkommando in der Frankfurter Straße ein führendes Mitglied (31) des Hagener Bandidos-Chapters fest. Gegen ihn ist inzwischen Anklage wegen versuchten Mordes erhoben worden. Der Prozess startet am 25. März. © Alex Talash | Alex Talash
6. Dezember 2018: Großrazzia gegen die Freeway Riders in Hagen und in mehreren anderen  Städten. Unter anderem wird das Clubgelände in Kückelhausen mit einem Räumpanzer gestürmt. Es gibt mehrere Festnahmen. Es wird ein ganzes Waffenlager beschlagnahmt. Ein 58-Jähriger, der fühendes Mitglied der konkurrierenden Freeway Riders ist, ist auch weiterhin in Haft. Er gilt inzwischen als Schütze bei der Attacke auf den Bandido am 5. Oktober auf der Frankfurter Straße und ist wegen versuchten Totschlags angeklagt.
6. Dezember 2018: Großrazzia gegen die Freeway Riders in Hagen und in mehreren anderen  Städten. Unter anderem wird das Clubgelände in Kückelhausen mit einem Räumpanzer gestürmt. Es gibt mehrere Festnahmen. Es wird ein ganzes Waffenlager beschlagnahmt. Ein 58-Jähriger, der fühendes Mitglied der konkurrierenden Freeway Riders ist, ist auch weiterhin in Haft. Er gilt inzwischen als Schütze bei der Attacke auf den Bandido am 5. Oktober auf der Frankfurter Straße und ist wegen versuchten Totschlags angeklagt. © Alex Talash | Alex Talash
26. Februar 2019: Ein SEK der Polizei nimmt in Hagen einen 44-Jährigen fest, der aktuell Präsident des Bandidos-Chapters Hagen sein soll. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Er soll verantwortlich sein für die Schüsse auf einen Freeway Rider am 28. September am Bergischen Ring. Ebenfalls beschuldigt wird in diesem Fall der 31-jährige Bandido, der auch für die Schüsse auf der Saarlandstraße verantwortlich sein soll und dem ab 25. März wegen versuchten Mordes vor Gericht steht.
26. Februar 2019: Ein SEK der Polizei nimmt in Hagen einen 44-Jährigen fest, der aktuell Präsident des Bandidos-Chapters Hagen sein soll. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Er soll verantwortlich sein für die Schüsse auf einen Freeway Rider am 28. September am Bergischen Ring. Ebenfalls beschuldigt wird in diesem Fall der 31-jährige Bandido, der auch für die Schüsse auf der Saarlandstraße verantwortlich sein soll und dem ab 25. März wegen versuchten Mordes vor Gericht steht. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
17. März: Das Bandidos-Chapter Hagen gibt seine Selbstauflösung bekannt. Ermittler sind skeptisch. Sie werten den Schritt als taktische Finte, um einem möglichen Verbot durch den Innenminister zuvorzukommen.
17. März: Das Bandidos-Chapter Hagen gibt seine Selbstauflösung bekannt. Ermittler sind skeptisch. Sie werten den Schritt als taktische Finte, um einem möglichen Verbot durch den Innenminister zuvorzukommen. © WP Michael Koch | Michael Koch
25. März: Am Landgericht Hagen startet der erste Prozess aus dem Hagener Rockerkrieg.
25. März: Am Landgericht Hagen startet der erste Prozess aus dem Hagener Rockerkrieg. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
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Rocker wollten zum Oktoberfest nach Essen

Trotz des sperrigen Aussageverhaltens gab es einige Einblicke in das Innenleben der Freeway Riders. Beide Rocker saßen am 13. Oktober in dem BMW; der 35-Jährige am Steuer, der 50-Jährige auf der Rückbank – beide sind Freeways – und auf dem Beifahrersitz befand sich eine junge Frau, die die Lebensgefährtin des Fahrers und die Nichte des 50-Jährigen ist. Ziel des Trios: das Oktoberfest mit Schlagerparty des Essener Freeway-Riders-Chapters. Aber nicht nur die drei, sondern noch mehr heimische Freeway Riders wollten an jenem Abend in die Ruhrgebietsstadt zum Feiern fahren. Treffpunkt war der Pendlerparkplatz an der A-45-Abfahrt Hagen-Süd.

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Ab Hauptbahnhof, so geht es aus bisherigen Zeugenaussagen bei der Polizei hervor, soll ein Mercedes Cabrio – am Steuer der 31-jährige angeklagte Bandido – hinter dem BMW hergefahren sein. Eine regelrechte Verfolgungsjagd durch die Stadt soll es gegeben haben, bis auf der Saarlandstraße mindestens vier Schüsse auf den BMW abgegeben worden sein sollen. Einer traf das Auto neben dem Tankdeckel und damit neben dem Benzin-Resservoire.

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Freundin drängt auf Gang zur Polizei

Das Ganze wäre wohl nie bei der Polizei gelandet, wenn nicht die Lebensgefährtin des Fahrers darauf gedrängt hätte. Und wenn es nicht – so jedenfalls der Stand der bisherigen Ermittlungen durch Zeugenaussagen und Telefonüberwachungen – auf dem Pendlerparkplatz Hagen-Süd das Okay von anderen Freeway Riders gegeben hätte, in diesem Fall die Polizei einschalten zu dürfen: Weil nämlich mit der Lebensgefährtin eine Unbeteiligte ins Visier des Rockerkriegs zwischen Bandidos und Freeway Riders geraten war.

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Große Erinnerungslücken bei den Freeways

Trotzdem machten der 35-Jährige und der 50-Jährige – beide erschienen mit Anwalt im Zeugenstand – vor Gericht nicht den Eindruck, dass sie bei der Aufklärung des Falls engagiert mithelfen wollen. Schüsse? Davon wollen beide zunächst gar nichts mitbekommen haben, stattdessen habe man an einen Steinschlag geglaubt. Ob sie ein Auto verfolgt habe? Der 35-jährige Fahrer will davon nichts bemerkt, der 50-Jährige auf der Rückbank geschlafen haben.

Und nachdem klar war, dass es Schüsse gegeben hatte? Haben die drei Pkw-Insassen danach nicht intensiv darüber geredet? Und was wurde mit wem auf dem Pendler-Parkplatz besprochen, wo die anderen Freeways warteten? Trotz der außergewöhnlichen Situation konnten sich beide Männer nach eigener Aussage nicht richtig erinnern.

Welche Folgen das für die beiden hat, wird sich noch zeigen. Gegen den 31-Jährigen leitete Staatsanwalt Axel Nölle noch im Gerichtssaal ein Verfahren wegen des Verdachts der Falschaussage ein. Seine Lebensgefährtin wird wohl erst im Mai gehört werden können. Sie hat ein Attest vorgelegt, dass sie derzeit nicht aussagefähig sei.