Hagen. . Während Gevelsberg und Wuppertal Fortschritte machen, kommt Hagen in Sachen Fahrrad-Freundlichkeit nicht von der Stelle. Das hat viele Ursachen.
Wenn man auf dem letzten Platz gelandet ist, ist es unmöglich überholt zu werden. Abgehängt ist wohl der bessere Begriff, wenn der Abstand zwischen einer Stadt am Ende einer Tabelle und den emporkletternden Nachbarkommunen beschrieben werden soll.
Das traurige daran: Hagen liegt auf dem letzten Platz einer großen Studie des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).
Hagens Miserabler Notenschnitt liegt bei 4,7
Unter dem Motto „Hat deine Stadt ein Herz fürs Rad“ hat der ADFC die Einwohner um eine Bewertung gegeben. In der Klasse 100 000 bis 200 000 Einwohner belegt Hagen bundesweit Rang 38 von 38. 4,7 lautet der Notenschnitt, der für eine Versetzung niemals reichen würde. Dabei hat sich im Vergleich zu 2014 nicht viel verändert. Wuppertal und Gevelsberg hingegen haben in ihren Klassen erheblich Boden gut gemacht.
277 Teilnehmer haben Hagen bewertet. Immerhin: Sie heben hervor, dass es kaum Fahrraddiebstähle gibt. Auch an Wegweisern scheint es nicht zu mangeln. Konflikte mit Fußgängern gebe es kaum. Besonders negativ fällt auf: Es gibt kaum Leihfahrräder. Die Führung für Radfahrer an Baustellen ist schlecht. Und von einem Winterdienst auf Radwegen kann nicht die Rede sein.
Note 5 für das Sicherheitsgefühl
In vielen Bereichen bekleckert sich die Stadt nicht mit Ruhm: Die Erreichbarkeit des Stadtzentrums wird mit 4,4 bewertet, ebenso schlecht ist die Note für „zügiges Radfahren“. Konflikte mit Kraftfahrzeugen (4,5) werden kritisch gesehen, gleiches gilt für die Oberflächen der Wege (4,7).
In der Kategorie Sicherheitsgefühl bekommt Hagen eine Glatte 5, gleiches gilt für die Bereich „Fahren im Mischverkehr“ oder „Fahrradförderung in jüngster Zeit“.
ADFC übt an der Stadt Hagen scharfe Kritik
Peter Matthias ist Mitglied im ADFC Hagen und kennt die Situation auf den Straßen und Wegen der Stadt nur zu genau: „Die Strategie, die wir hier verfolgen, vermeidet Radverkehr mehr, als dass sie ihn fördert“, sagt der Mann, der nach eigener Aussage bei Wind und Wetter aufs Rad steigt.
Dabei hat er vor allem die sogenannten Angebotsstreifen im Auge, die die Stadt beispielsweise in Haspe entlang der Kölner Straße am Rand auf die Fahrbahn gemalt hat. „In vielen Bereichen haben die Streifen nicht einmal die vorgeschrieben Breite. Das haben wir nachgemessen.“
Fahrrad-Club hält Angebotsstreifen für unsinnig
Das führe dazu, dass Radfahrer einen regelwidrigen Weg nutzen würden und sich auch Autofahrer entsprechend verhielten. „Das kommt immer wieder zu gefährlichen Situationen“, sagt Peter Matthias und berichtet sogar von Stürzen mit Verletzungen.
Hinzu käme, dass die Angebotsstreifen oft zu dicht an Parkstreifen vorbeiführten. „Wenn da ein Autofahrer die Tür aufreißt, kann man nicht mehr ausweichen.“ Allerdings sieht der ADFC Hagen auch Angebotsstreifen, die wie vorgeschrieben einen Meter bereits sind, äußerst kritisch.
Platz für Autofahrer soll eingeschränkt werden
„Radfahrer brauchen ausreichend Platz nur für sich. Dabei ist es notwendig, den Platz für Autofahrer einzuschränken“, sagt Matthias Peter, „und der muss deutlich gekennzeichnet sein. Da reicht es nicht, mal ein Fahrrad auf den Asphalt zu zeichnen.“
Dem ADFC schwebt dabei eine rote Markierung des gesamten Radweges vor, so wie es in anderen Ländern (und Städten) längst üblich sei. „Eine Billig-Lösung wird uns auch in den kommenden Jahren keinen Schritt voran bringen.“
Elektrofahrräder erhöhen den Druck auf die Stadt
Elektrofahrräder erhöhen aus Sicht des ADFC den Druck auf die Kommune. „Wo man früher nie Radfahrer in der Stadt getroffen hat, sieht man heute selbst älteres Menschen auf ihren E-Bikes“, sagt Peter Matthias beispielsweise mit Blick auf das Wasserlose Tal. „Hier entwickelt sich eine ganz neue Vielfalt. Je länger wir zögern, desto mehr werden wir abgehängt.“
Die Notwendigkeit zu handeln, erkennt auch die Stadt. Petra Leng ist die Radfahr-Beauftragte der Stadt Hagen. Im Gegensatz zum ADFC hält sie den Angebotsstreifen für eine Möglichkeit, den Radverkehr zu fördern. „Überall, wo wir eine neue Decke aufbringen, prüfen wir, ob wir einen solchen Streifen auftragen können“, sagt Leng über die gestrichelte Linie, die von Autofahrern überfahren werden darf, wenn der Streifen nicht von Radfahrern genutzt wird.
Externes Büro soll ein Radwege-Konzept entwickeln
Gleichwohl denkt auch die Stadt weiter. Mit der „Planersoziätät Dortmund“ ist ein externes Büro damit beauftragt, ein Radfahr-Konzept für Hagen zu entwickeln. „Wir haben dieser Tage zum ersten Mal zusammengesessen“, sagt Petra Leng. „Iserlohn und Lünen haben mit dem Büro gute Erfahrungen gemacht. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind.“
Dabei geht es nicht um planerische Wolkenkuckucksheime, sondern um Vorschläge, die auch umsetzbar sind. In neun bis zehn Monaten sollen die Ergebnisse vorliegen.
Mit der Nordbahntrasse hat Wuppertal zum Erfolg
Andere Kommunen sind allerdings wesentlich weiter. Was sich auch in ihrem Abschneiden im Fahrrad-Klimatest widerspiegelt. Beispiel Wuppertal, das sich mit einer Gesamtnote von 3,9 in der Kategorie mehr als 200 000 Einwohner bundesweit von auf Platz 16 von 39 vorgearbeitet hat (Landesweit Rang drei). Besonders positiv: die Fahrradförderung in jüngster Zeit.
„Das hat mehrere Aspekte“, erklärt Stadtsprecherin Ulrike Schmidt-Kesler. „Zuletzt haben wir viele Einbahnstraßen für Radfahrer in beide Richtungen freigegeben. Dann haben wir mit Bürgerbeteiligung ein Radwegekonzept aufgestellt. Und schließlich ist da ja noch die Nordbahntrasse.“
Bürgerbewegung leistet Vorarbeit
Dahinter verbirgt sich ein Stolz-Projekt, dass durch Bürgerengagement so richtig ins Rollen kam. „Dahinter steckt die Wuppertal-Bewegung, die großartige Vorarbeit geleistet hat“, hebt Schmidt-Kessler die Initiative hervor, die die ehemalige Bahntrasse quer durch Wuppertal als Radweg identifiziert hat.
Radfahren auf Wuppertals Nordbahntrasse
Herausgekommen ist ein 23 Kilometer langer, breiter Radweg, der nahezu kreuzungsfrei am Hang parallel zu Tal der Wupper verläuft – über Brücken und durch Tunnel, asphaltiert und ohne große Steigungen.
Ein eigener Bereich für Fußgänger
Ein Fußgängerbereich ist deutlich abgetrennt. Direkt an der Trasse befinden sich Streetball- und Parcours-Anlagen. „Schüler und Pendler, die bislang mit Autos gefahren sind, nutzen die neue Strecke“, sagt Ulrike Schmidt-Kesler. „Da sind viele Verkehre ganz neu entstanden.“ Auch parallel zur Strecke entwickele sich eine Menge.
32 Millionen Euro sind insgesamt in das Projekt investiert worden – inklusive LED-Beleuchtung an der Trasse. Darunter waren Fördermittel in Höhe von rund 24 Millionen Euro. Fertiggestellt wurde der Radweg im Dezember 2014.
Gevelsberg ist der Aufsteiger des Jahres
Aufsteiger des Jahres in der Kategorie bis 50 000 Einwohner ist Gevelsberg. Immerhin: Der Notenschnitt ist von 4,2 im Jahr 2014 auf aktuell 3,8 gestiegen. Dabei spielt ein Projekt eine Rolle, das noch gar nicht realisiert ist: die Elbschetal-Trasse.
„Aber alleine die Berichterstattung signalisiert den Menschen, dass sich in Sachen Fahrradfreundlichkeit etwas tut“, sagt Björn Remer, Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung. Der Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse verbindet ab 2019 Gevelsberg mit dem Ruhrtalradweg. Ein erster Abschnitt in Wetter ist fertiggestellt. Perspektivisch könnte der Weg bis an die Nordbahntrasse in Wuppertal fortgesetzt werden.
Umgesetzt ist bereits ein beidseitiger Radweg entlang der ehemaligen B7 zwischen Vogelsang und Gevelsberg Mitte. Die Decke der Ennepe-Runde, die von Breckerfeld über Ennepetal, Gevelsberg, Haspe und zurück führt, ist saniert worden. „Und wo immer möglich haben wir Schutzstreifen markiert“, so Remer.
>>HINTERGRUND: 120000 RADLER MACHEN MIT
- Der ADFC sieht seinen Fahrradklima-Test als Zufriedenheits-Index der Radfahrer in Deutschland.
- Mehr als 120 000 Bürger haben 2016 mitgemacht und die Situation für Radfahrer in 539 Städten bewertet.
- Per Fragebogen haben sie beurteilt, ob das Radfahren Spaß oder Stress bedeutet oder ob sie sich sicher fühlen.
- Die Ergebnisse geben Verkehrsplanern laut ADFC lebensnahe Rückmeldungen.