Hagen. Die fünf großen kommunalen Friedhöfe in Hagen sollen mit einer „Route der Friedhofskultur“ weiterentwickelt und zukunftsfähig gemacht werden.

Es ist ein Denkversuch, der Wirklichkeit werden soll. eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus der Steinbildhauerei Vincent, dem Wirtschaftsbetrieb Hagen, dem Hagener Bestatterverband, der Agentur Baumeister und dem Arc hitekturbüro Heinze hat beim Bundeswettbewerb „Neue Wege auf dem Friedhof“ für Aufsehen gesorgt.

Die fünf großen kommunalen Friedhöfe in Hagen sollen mit einer „Route der Friedhofskultur“ weiterentwickelt und zukunftsfähig gemacht werden. Das übergeordnete Ziel: Die Friedhöfe sollen wieder stärker als grüne Lungen in der Großstadt wahrgenommen werden. Fünf Projekte sollen auf Hagens Friedhöfen dazu beitragen,

Waschhaus für Muslime

Bereits 2006 ist auf dem Friedhof in Vorhalle ein muslimisches Grabfeld entstanden. Auf diesem muslimischen Friedhofsteil in Vorhalle wurden seit Eröffnung 2006 bis einschließlich 2016 insgesamt 113 Menschen beerdigt, davon 77 Erwachsene und 36 Kinder. Das Grabfeld soll jetzt durch den Bau eines Hauses für die rituelle Totenwaschung gestärkt werden. Der Entwurf des Waschhauses stammt von Architektin Jutta Heinze.

Der Entwurf setzt die Gebäudeelemente, in denen wichtige Rituale einer muslimischem Bestattung (Waschung und Gebet) stattfinden, auf ein kleines Plateau. Im niedrigeren Gebäudeteil sind in einem Vorraum Waschgelegenheiten für die Totenwäscher, aber auch für die Trauergemeinde vorgesehen.

Ewigkeitsbrunnen

Auf der nebenstehenden Grafik ist der geplante Ewigkeitsbrunnen noch auf dem Friedhof in Haspe verortet. Wahrscheinlicher aber ist, dass diese Grabart auf dem Friedhof in Delstern entstehen wird. Es gilt,. nach Ablauf von Mindestruhzeiten einen realen Ort für das Erinnern an die Verstorbenen zu erhalten.

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Im Brunnen können Urnen für mindestens ein Jahr bis unbegrenzt eingestellt werden. Hat der Angehörige keinen Trauerbedarf mehr, kann die Urne im Ewigkeitsbrunnen ihre „ewige“ Ruhe finden. Mit dem Ewigkeitsbrunnen soll sich die Gelegenheit bieten, sich mit einer neuen Abschiedskultur einer sich breitmachenden Entsorgungsmentalität entgegen zu stellen.

Abschiedsraum

Das unter Denkmalschutz stehende Kleinod Eduard-Müller-Krematorium ist neben seiner Funktion als Einäscherungsstätte auch ein architektonisch bedeutender Ort.

Es wurde im Auftrag von Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus vom international bekannten Architekten Peter Behrens zwischen 1905 und 1907 geplant, gebaut und genutzt. Um die Wirkmächtigkeit des Ortes zu erhalten, ist bereits 2016 der erste Abschiedsraum modernisiert worden. Weitere werden an gleicher Stelle folgen.

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Architektin Jutta Heinze hat einen Raum geschaffen, in dessen Schutz ein erster Schritt der Trauerbewältigung gemacht werden kann. Seine Optik ist heller, er ist größer als die bisherigen dunklen Aufbahrungsräume und empfängt den Besucher mit unterschiedlichen Blickpunkten und Lichtverhältnissen.

Lehrpfad

Hagen als waldreichste kreisfreie Stadt in NRW verfügt mit dem Loxbaumfriedhof über ein Areal, das sich in die besondere Natur des Fleyer Waldes einbettet. Hier soll ein Loxbaum-Lehrpfad entstehen für den jeweiligen „Baum des Jahres“. Begleitende naturkundliche Informationstafeln und Führungen sollen diesen Friedhof zu einem Lebens- und Bildungsraum werden lassen.

Regenbogenfeld

Das sogenannte Regenbogenfeld für Früh- und Totgeburten gibt es schon und es soll Bestandteil der Route der Friedhofskultur werden. WBH, der Steinmetz Vincent, Bestatter des Stadtverbandes Hagen und die evangelische und katholische Kirche setzen hier gemeinsam ein Zeichen und schenken Eltern von Früh- und Totgeburten einen würdigen Ort für die Bestattung und die Trauer. Das Feld liegt auf dem Friedhof in Altenhagen und in der Nähe zu Krankenhäusern mit Geburtsstationen.

Steinmetz Vincent über Bestattungskultur 

Werden diese Friedhofs-Projekte auch auf den Weg gebracht, weil der Wirtschaftsbetrieb Hagen den Bestand der großen Flächen, auf denen es durch die Veränderung der Friedhofskultur auch Freiflächen gibt, rechtfertigen muss? Der das Projekt begleitende Steinmetz Timothy Vincent gibt darauf keine Antwort aus raumplanerischer Sicht, sondern mit anthropologischem Hintergrund: „Unsere Friedhöfe in Hagen sind auch die Geschichte des kleinen Mannes. Bestattungen finden stadtteilgebunden statt.

Die erste Stele seines „Projekt Andenken“ hat Timothy C. Vincent Ende 2013 auf dem städtischen Friedhof in Hagen-Vorhalle aufgestellt. 31 Namen stehen mittlerweile darauf.
Die erste Stele seines „Projekt Andenken“ hat Timothy C. Vincent Ende 2013 auf dem städtischen Friedhof in Hagen-Vorhalle aufgestellt. 31 Namen stehen mittlerweile darauf.

Und die Gräber der Verstorbenen senden das Signal, dass derjenige, der hier gelebt hat, nicht tot ist, sondern immer noch zur Geschichte des Stadtteils gehört. Wenn ich keinen Ort habe, an den ich gehen kann, dann habe ich auch keinen Ort, von dem ich weggehen kann. Mit unserer Vision einer Route der Friedhofskultur wollen wir die Friedhöfe anthropologisch sichern. Sie sind Teil unserer Geschichte.“

Struktureller Wandel

Deshalb liege es auch völlig fern, über die Legitimation von Friedhofsflächen nachzudenken. Sie hätten eine eigene Kultur und seien ein Abbild der Bestattungskultur der jeweiligen Generationen. „Man erkennt auf jeden Friedhof eine Entwicklung und immer auch einen ästhetischen Anspruch“, so Vincent.

Auf den städtischen Friedhöfen hat in den vergangenen Jahren ein enormer struktureller Wandel stattgefunden. Die meisten Verstorbenen werden eingeäschert und in Urnen bestattet. Große Reihengräber fallen dadurch weg und haben mancherorts Lücken in das Bild der Friedhöfe gerissen.