Hagen. . Der Stromausfall in Hagen und die Auswirkungen: Statt Ampeln regeln Polizisten den Verkehr. Kostal und Andernach & Bleck stundenlang betroffen.
Die Sicherheit der Bürger im Stadtgebiet gewährleisten. Und die Produktionssicherheit in den Unternehmen schnell wieder herstellen. Das waren gestern Morgen zwei zentrale Ziele bei dem großen Stromausfall. Ein Blick auf Polizei und Wirtschaft – mit einigen auch kuriosen Komponenten.
Die Polizei
Mit etwa 100 Einsatzkräften, darunter auch Verstärkung aus Nachbarpräsidien, kontrollierte gestern die Polizei die Lage auf den Straßen sowie in den Wohnquartieren rund um den brandbedingten Stromausfall. „Hagen war durchgängig sicher“, wusste Polizeisprecher Tino Schäfer bei seiner Mittagsbilanz lediglich von drei Verkehrsunfällen an den Großkreuzungen am Landgericht sowie am Emilienplatz mit einem Leichtverletzten zu berichten. Einbrüche – Fehlanzeige.
Um 5.59 Uhr wurde die Leitstelle auf der Hoheleye, die – wie auch das gesamte Präsidium – selbst von dem Stromausfall gar nicht betroffen war, über den Brand im Umspannwerk Donnerkuhle informiert. Gleichzeitig ging ein Einbruchsalarm aus der Sparkassen-Filiale in Dahl ein, wo sich das Sicherheitssystem mangels Stromversorgung zuverlässig meldete. Es sollte nicht der einzige Fehlalarm an diesem Vormittag bleiben: „Wir haben zahlreiche weitere Orte aufgrund von Alarmauslösungen angefahren oder die jeweiligen Sicherheitsbeauftragen informiert“, berichtete Schäfer von einer stattlichen Liste, die seine Kollegen abarbeiten mussten.
Darüber hinaus waren die Ordnungshüter verstärkt mit Streifenwagen in den betroffenen Stadtteilen unterwegs, um eine waches Auge auf die Lage zu haben und den Bürgern als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.
Ausgefallene Ampelanlagen
Weiterer Schwerpunkt der Polizeiarbeit: Sicherung des Straßenverkehrs. Vor allem an den neuralgischen Verkehrsknotenpunkten, an denen die Ampelanlagen ausgefallen waren, regelten die Uniformierten den Verkehr. So waren Beamte am Landgericht, am Emilienplatz sowie an der Marktbücke (Einmündung Märkischer Ring/Volmestraße) im Einsatz.
Beim Notruf der Polizei wurden gestern Vormittag mehr als 200 Anrufe registriert. Häufig meldeten sich dabei ältere Bürger, die Angst hatten, dass es sich um einen Terroranschlag gehandelt haben könnte. Allerdings waren es allzu oft auch Bagatellprobleme, mit denen die Leitungen unnötig blockiert wurden. So behauptete bereits in den frühen Morgenstunden ein Anrufer, dass angesichts des Stromausfalls Wasser aus seiner Gefriertruhe fließe und fragte bei den Beamten an, was denn nun zu tun sei. Ebenso meldete sich der Mitarbeiter eines Pflegedienstes, der vergeblich vor der Tür eines Kunden stand, weil die Klingel versagte. Der Tipp, Steinchen gegen die Scheibe zu werfen, führte letztlich zum erhofften Ziel.
Kuriose Auskünfte gefordert
Ebenfalls eher kurios der Hilferuf einer jungen Mutter, die sich soeben bei dem Versuch, den Brei ihres Babys auf einem Löffel über der Kerze zu erhitzen, den Arm verbrannt hatte. Andere Bürger baten die Polizei über den Notruf wiederum um Tipps, wie sie denn ihr Auto hinter dem elektrisch verriegelten Garagentor befreien könnten. Andere wollten wissen, wie mit den automatischen Jalousien zu verfahren sei, die auch nach Sonnenaufgang die Wohnung noch immer verdunkelten. Besonders frech auch jener Arbeitnehmer, der bei der Polizei sich nach einer Entschuldigung für sein Zuspätkommen für seinen Chef erkundigte, weil der Radiowecker ihn nicht pünktlich aus den Träumen gerissen habe.
Absurditäten, die selbst in den Mittagsstunden, als die Stromversorgung längst wieder reibungslos funktionierte, kein Ende nahmen. Nur beispielhaft sei an dieser Stelle von einem Hagener berichtet, der sich unter dem Polizeinotruf meldete, weil er zwar überall wieder mit Energie versorgt sei, aber das Fernsehgerät seinen Dienst versage. „Hängt das vielleicht an einem anderen Stromkreis?“ sollten die Beamten für ihn herausfinden. Banale Alltagssorgen, die jedoch zu einer zeitweisen Blockade des Notrufsystems führten.
Die Wirtschaft
Eine ganze Reihe Firmen im Lennetal hatte Glück – obwohl sie ganz nah am Stromausfallgebiet angesiedelt sind. Bei großen Stahlunternehmen wie CD Wälzholz, Bandstahl Schulte und Theis gab es keinerlei Einschränkungen. Das gleiche Bild bei der Härtetechnik Hagen GmbH oder aber auch der Laurentius-Werkstatt der Caritas.
Andere Unternehmen waren hingegen mit voller Härte betroffen. Etwa Andernach und Bleck in Halden. „Bei uns war ziemlicher Blackout“, sagt Geschäftsführer Carsten Bleck. „Wir haben zwar ein Notstromgerät, aber damit konnte gerade einmal eine Maschine laufen.“ Erst um 10.30 Uhr war die Stromversorgung in der Stahlzieherei wieder gesichert. „Wir haben die Belegschaft nicht nach Hause geschickt, sondern gehofft, dass es schnell wieder losgeht“, so Bleck. „Letztlich fehlen uns aber viereinhalb Stunden Produktionszeit.“ Dass er diesen Verlust ersetzt bekommt, glaubt er nicht: „Das fällt wahrscheinlich unter unternehmerisches Risiko.“
Aber der Vorfall gestern bringt ihn zum Nachdenken: „Wir haben ja vor zwei Jahren schon einmal eine ähnliche Erfahrung machen müssen. Da hatte ein Bagger an der Lennetalbrücken-Baustelle ein Kabel durchtrennt und wir hatten länger keinen Strom.“ Man werden sicherlich das firmeneigene Notstromkonzept noch weiter überarbeiten müssen. „Denn wenn es durch die Energiewende zu einer weiteren dezentralen Energieversorgung kommt, dann fürchte ich, dass es vermehrt zu Stromausfällen kommen wird.“
Stillstand bei Kostal
Und auch ein anderes großes Hagener Unternehmen hatte gestern mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Dabei ist es eigentlich vom Fach: Denn Kostal im Industriegebiet Lennetal (Sudfeld) entwickelt und produziert technologisch anspruchsvolle elektronische, elektromechanische und mechatronische Produkte – ist also genau vom Fach. Doch wenn’s keinen Strom gibt, steht auch bei Kostal alles still. Und so hat die Geschäftsführung angesichts der ungewissen Lage entschieden, die etwa 60-köpfige Frühschicht nach Hause zu schicken. Erst ab 14 Uhr lief die Produktion wieder an. Regress-Forderungen waren gestern bei Kostal noch kein Thema: „Im Sinne guter Nachbarschaft und in der Hoffnung, dass Kunden in einem Notfall bei uns auch einmal Nachsicht zeigen, werden wir wohl darauf verzichten“, meinte Unternehmenssprecher Markus Vetter.
Doch nicht nur in der Produktion sorgte der Stromausfall für Ärger, sonder auch bei Dienstleistern. „Als Autohaus trifft uns einen Stromausfall ins Mark“, berichtet Simon Kramer, der die Citroën-Werkstatt K&M im Wasserlosen Tal besitzt: „Keine EDV gestützte Auftragsannahme, kein Fehlerspeicher auslesen. Keine Hebebühne und auch kein Schlagschrauber funktioniert ohne Strom. Auch die Schranke und die Rollade der Eingangstür blieben unten. Das Team wich auf eine andere Werkstatt aus. „Alle Kunden konnten trotzdem bedient werden.“