Hagen. . 50.000 Menschen waren am Dienstag in Hagen ohne Strom. Vieles lief nicht mehr. Wie Mütter mit Babys, Autohäuser und das Landgericht improvisieren.

  • Stromausfall nach Feuer in Hagener Umspannwerk
  • So sehr ist der Alltag in Deutschland vom Strom abhängig
  • Wie Mütter mit Babys und Autohäuser improvisieren

Was ist, wenn der Strom ausfällt? Das klingt banal. Wie sehr die Gesellschaft davon abhängt, wurde nach einem Brand in einem Hagener Umspannwerk deutlich. Am Dienstagmorgen fiel für fünf Stunden der Strom aus. Nicht die Welt, oder? Es sei denn, Sie...

...möchten Geld abheben

Fünf Filialen der Sparkasse Hagen und zwei der Märkischen Bank blieben am Vormittag geschlossen. „Die Schließvorrichtungen sind elektronisch, unsere Mitarbeiter kamen gar nicht erst rein“, sagt Angela Jäger, Sprecherin der Sparkasse Hagen. Auch die Alarmanlagen benötigen Strom. Bankautomaten fielen aus, die Bezahlung per EC-Karte funktionierte auch erst wieder mit Internetverbindung. Der DRK-Blutspendedienst West, er versorgt den Regierungsbezirk mit Blutkonserven, war nicht betroffen, wäre aber auch durch Notstrom versorgt.

...arbeiten in einem Autohaus

„Der Stromausfall trifft uns ins Mark“, schreibt Simon Kramer, Chef eines Peugeot-Autohauses: „Keine EDV gestützte Auftragsannahme, kein Fehlerspeicherauslesen. Keine Hebebühne und auch kein Schlagschrauber funktioniert ohne Strom. Auch die Schranke und die Rollade der Eingangstür blieben unten.“ Das Team wich auf eine andere Werkstatt aus.

...haben einen Gerichtstermin

Die JVA Hagen liegt im betroffenen Gebiet, allerdings ist die Versorgung mit einem Notstromaggregat abgesichert, erklärt Britta Schwert von der Anstaltsleitung. Die meisten Schließvorrichtungen im Haus funktionieren ohne Elektronik. „In moderneren Einrichtungen ist das bereits anders“, sagt Schwert. Am Landgericht fiel die Sicherheitsschleuse am Eingang aus. „Wir öffneten einen anderen Eingang. Die Wachtmeister kontrollierten alle mit einem Metalldetektor“, erklärt Richter Jens Berndt, Sprecher des Hagener Landgerichts. Außerdem musste ein Haftprüfungstermin verschoben werden, weil in den neun Zellen im Keller das Alarmsystem nicht funktioniert ohne Strom. Der Gefangene könnte keinen Notruf absetzen, die Wachtmeister ebenfalls nicht, falls es Probleme gibt. Das Gebäude ist mit zwei Treppenhäusern ausgestattet, damit Angeklagte direkt von den Zellen zur Gerichtsverhandlung gebracht werden können. „Es gibt dort kein Tageslicht. Ohne Strom ist es dunkel.“

...arbeiten in der Arztpraxis

Ohne Strom konnten die Arztpraxen in den betroffenen Stadtteilen die Krankenkassenkarten der Patienten nicht auslesen. Deshalb wurden Patienten teilweise nach Hause geschickt. Glück hatte der Kater von Annabell Preußler: „Seine Zahn-OP wurde verschoben.“

...haben ein Baby

Eltern mussten improvisieren, um ihren Nachwuchs zu versorgen. Eine Mutter verbrannte sich den Arm, weil sie einen Löffel Brei über einer Kerze erhitzen wollte. Freundinnen transportierten kochendes Wasser quer durch die Stadt, damit Mütter ihre Fläschchen vorbereiten konnten. Teilweise gab es auch gar kein Wasser, weil auch Pumpwerke mit Strom versorgt werden.

...haben ein elektrisches Tor

Ohne Föhn und Kaffeemaschine begann der Tag ungemütlich. Probleme machten auch die elektronischen Rollladen und Garagentore. „Finde mal den Schlüssel zur Notentriegelung ohne Licht“, beschreibt Thorsten Toto die Krönung seines Morgens.

...arbeiten im Supermarkt

Geschäfte blieben zunächst geschlossen, da Kassen, Türen, Waagen, Kühltheken ohne Strom nicht liefen. In einem Pennymarkt trommelte der Frühdienst alle Kollegen zusammen, um die Waren aus der Kühltheke ins Kühlhaus zu retten. Als das meiste umgelagert war, ging der Strom wieder an.

...wollen per Auto zur Arbeit

Der Weg zur Arbeit war am Morgen abenteuerlich: Im dichten Nebel ohne Ampeln und Straßenbeleuchtung. Die Polizei regelten den Verkehr auf großen Kreuzungen. Es kam zu drei Unfällen. Bei einem erleidet ein Mann ein Schleudertrauma.

...oder mit der Bahn

Zwischen Hagen Zentrum und Rummenohl setzte die Bahn einen Schienenersatzverkehr ein, weil die Weichen elektrisch gestellt werden.

...sind Schüler oder Student

Dann geht’s. „Da ich Ferien habe und erst um 12 Uhr aufgestanden bin, habe ich davon gar nichts mitbekommen. Wir haben wohl seit 11 Uhr wieder Strom“, schreibt Robin Wever. Fernuni und Fachhochschule blieben geschlossen, weil Rechner, Türöffner und Heizungs- und Brandmeldeanlagen versagten.