Hagen. . Das Protokoll eines bislang nie dagewesenen Stromausfalls in der Geschichte der Stadt Hagen. Am Mittwoch soll sich die Brandursache am Umspannwerk klären.

  • 7500 Haushalte vom Stromausfall betroffen
  • Brandursache soll Mittwoch geklärt sein
  • Regressforderungen könnten im Raum stehen

Dienstag, 5.56 Uhr: Hagen erlebt den weitreichendsten Stromausfall in der Geschichte der elektrischen Versorgung der Stadt. 30.000 Hagener werden fünf Stunden lang keinen Strom haben. iele von ihnen noch dazu kein Wasser. Im Enervie-Umspannwerk auf Emst brennt es. Und bis heute Morgen ist immer noch nicht klar, wie das passieren konnte. Das Protokoll des größten Stromausfalls in der Hagener Geschichte.

Die Betroffenen

Alle Bereiche der Stadt südlich der A46 sind betroffen. Das Lennetal, das Volmetal, Boloh, das Blumenviertel, Remberg, Eppenhausen, Herbeck, Teile von Halden, Haßley, Holthausen, Teile von Eilpe und Dahl, aber auch hinaus bis nach Priorei und Rummenohl. Im Volmetal fällt kurzfristig auch die Wasserversorgung aus, weil Pumpwerke nicht mit Strom versorgt werden. Die Feuerwehr greift mit Generatoren ein. Als das Wasser wieder in manch leergelaufene Leitung und durch die Wasserhähne läuft, ist es kurze Zeit bräunlich gefärbt.

Die Männer der Analytischen Task Force bei der Arbeit.
Die Männer der Analytischen Task Force bei der Arbeit.

Die Ursache

Klar ist bislang nur: Fünf von 40 Schaltschränken, die im Umspannwerk auf Emst stehen, sind gestern in der Früh von einem Feuer betroffen gewesen. Der Grund ist immer noch unklar. Menschliches Versagen kann aber ausgeschlossen werden. Die Polizei hat den Brandort routinemäßig beschlagnahmt und ermittelt. Netzbetreiber Enervie hofft, der Öffentlichkeit heute den Grund für den Brand nennen zu können. „Wir stochern noch im Nebel“, sagt Unternehmenssprecher Uwe Reuter. Die Anlage wurde vor einem Jahr erst komplett erneuert und gehört zu den modernsten im ganzen Stadtgebiet.

Die Rückkehr des Stroms

Seit dem Zeitpunkt der Alarmierung versucht Enervie, seine Kunden wieder mit Strom versorgen zu können, was über komplexe Umschaltungen von Hand gelingen soll. Ab 8.30 Uhr hat das aus industrieller Sicht so wichtige Lennetal wieder Strom. Danach das Volmetal, anschließend die Bereiche zwischen dem Landgericht und dem oberen Emst. Um 11.45 Uhr sind alle 7500 betroffenen Haushalte endlich wieder mit Strom versorgt.

Die Löscharbeiten

Die Feuerwehr kann nicht mit Wasser oder Schaum im Bereich der Schaltschränke im Umspannwerk löschen, um keine weiteren Defekte an der Anlage zu riskieren. Der gesamte Bereich des Umspannwerks wird spannungslos geschaltet. Dann werden das Erd- und das Obergeschoss mit Kohlenstoffdioxid (CO2) geflutet. Das CO2 soll den Sauerstoff verdrängen und das Feuer ersticken. In Hagen sind nur 500 Liter CO2 vorrätig. Die Feuerwehren aus Bochum und Dortmund liefern weitere 1000 Liter an.

Handy-Netze waren überlastet

Als die Lichter in den Wohnungen und Häusern plötzlich ausgingen, fragten sich die Menschen, warum Der erste Reflex in der heutigen Zeit ist der Griff zum Smartphone. Doch viele vom Stromausfall betroffene Hagener wunderten sich, das neben ihren elektrischen Geräten und ihrem Festnetztelefon auch ihr Handy nicht funktionierte. Anrufe empfangen und tätigen, Nachrichten versenden – unmöglich.

„Das hat nichts mit einem Stromausfall an irgendwelchen Sendemasten zu tun“, sagt Hagens Feuerwehrleiter Veit Lenke. Die Sendemasten könnten nämlich bis zu 24 Stunden über ein Notstrom-Aggregat versorgt werden. „Der Silvester-Effekt war es schlichtweg“ sagt Lenke.

Technisch bedeutete das: Eine außergewöhnliche Vielzahl von Menschen in bestimmten Funkzellen wollen auf das Netz zugreifen, wodurch es kollabiert. Die Folge: Für niemanden ist der übliche Netz-Service mehr nutzbar.

Die Rettungs- und Sciherheitskräfte standen am Brandort vor der dem gleichen Problem wie alle anderen Hagener auch, lösten das Problem letztlich aber über ihre Funkwellen.

Bankfilialen dicht

Übrigens: In vielen betroffenen Stadtteilen waren die Bankfilialen geschlossen, um Einbrüche während des Stromausfalls zu vermeiden. Ohne Strom funktionieren die Sicherheitssysteme wie der Alarm der meisten Filialen nämlich nicht. Überfälle würden so unbemerkt bleiben.

Am Mittag ist das Feuer endlich gelöscht. Doch es kommt noch zu einem Unfall. Ein Feuerwehrmann erhält durch Restspannung einen Stromschlag und muss ins Krankenhaus. Glücklicherweise geht es dem Mann wieder besser.

Der Verkehr

Zwischen dem Hagener Zentrum und Rummenohl muss ein Schienenersatzverkehr eingesetzt werden, weil auch die Bahn vom Stromausfall betroffen ist. An den neuralgischen Kreuzungen der Stadt (Beispiele: Emilienplatz oder Landgericht) regeln Polizisten den Verkehr. In der ganzen Stadt klären Autofahrer Vorfahrtsituationen ohne Lichtzeichen sehr umsichtig. Es gibt nur drei Unfälle. Bei einem erleidet ein Mann ein Schleudertrauma.

Die Notfall-Hilfe

Die Hagener Feuerwehr nimmt in den ersten Minuten des Ausffalls sofort Kontakt zu wichtigen Einrichtungen wie Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Beatmungseinrichtungen auf und bietet Hilfe in Form von Notstrom-Generatoren an.

Schulen sind wegen der Ferien geschlossen, in vielen Kindertagesstätten läuft, nach Rücksprache mit den Eltern, ein Notbetrieb.

Der Krisenstab

Alle Beteiligten erwähnen es bei einer Pressekonferenz in der Feuerwache an der Florianstraße mehrfach: Der gebildete Krisenstab arbeitet Hand in Hand und flexibel. Beteiligt sind die Stadt, Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen und auch die Enervie.

Die Spezialeinheit

Nachdem der Brand gelöscht ist, rücken Männer mit weißen Schutzanzügen an. Sie sind von der Analytischen Task Force, eine Spezialeinheit zur Erkennung und Bekämpfung biologischer, chemischer oder radiologischer Gefahren. Sie nehmen Luftproben, deren Ergebnisse noch ausstehen. Es wird geprüft, ob Schwefel oder Chlor ausgetreten sind.