Hagen.. Die Meisterwerke des Hagener Osthaus-Museums können besondere Geschichten erzählen. Der neue Sammlungskatalog liest sich deshalb wie ein Krimi.

Sie werden verfolgt, verschleppt und bespuckt. Gemälden und Skulpturen widerfährt oft ein besonderes Schicksal. Exemplarisch lässt sich dies an den ­Beständen des Hagener Osthaus-Museums erzählen. Der neue Sammlungskatalog dokumentiert die ­wissenschaftliche Erforschung von 300 Meisterwerken im Besitz des Hauses. Er liest sich wie ein Krimi über die Glücksmomente und die Schrecken des 20. Jahrhunderts.

Von den Nazis als "entartet" verunglimpft

Da wäre zum Beispiel der Maler Christian Rohlfs (1849-1938), heute ein Star in der internationalen Kunstszene; 1933 von den Nationalsozialisten als „entartet“ verunglimpft. Sein Gemälde „Die Ruhr bei Hohensyburg“ hat schon Karl Ernst Osthaus in sein Hagener Museum Folkwang aufgenommen, das erste Museum für moderne Kunst weltweit. Die Sammlung wird 1922 nach Essen verkauft. 1937 beschlagnahmen die Nazis das Gemälde in Essen, seine Spur verliert sich. Dann taucht es bei einer Galerie in Bern auf, wird von einer Düsseldorfer Galerie erstanden und dort 1964 von der früheren Hagener Museumsdirektorin Herta Hesse wieder für Hagen erworben. Zum zweiten Mal also.

Die Provenienzforschung gehört zu den zentralen Aufgaben eines Museums. „Die Dokumentation der eigenen Sammlung ist eine wissenschaftliche Arbeit, in der man sich mit Werk, Künstler und der Erforschung der Sammlungsgeschichte beschäftigt“, so Kustodin Dr. Birgit Schulte. „Es geht um die Suche nach den Quellen.“

So beginnt die Sammlungshistorie in Hagen mit dem Folkwang-Katalog von Osthaus aus dem Jahr 1912. Der damalige Museumsleiter Gerhard Brüns meldet 1939 in einem weiteren Katalog stolz, „im ganzen sind von den früheren Beständen dem Museum aufgrund der Säuberungsaktion nur etwa 100 Kunstwerke zur weiteren Ausstellung verblieben.“

500 Bilder beschlagnahmt

Mit Säuberung ist die ­Beschlagnahmung gemeint. Rund 500 ­Hagener Bilder packt das ­Reichspropaganda-Ministerium in Kisten und verschleppt sie. Bei manchen verliert sich jede Spur, sie sind möglicherweise bei ­Bombenangriffen in Berlin zerstört worden, andere werden verhökert. Dr. Tayfun Belgin, Direktor des ­Osthaus-Museums, erläutert: „Vier Galerien haben mit den NS-Machthabern zusammengearbeitet, meistens lief das über die Schweiz.“

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Herta Hesse beginnt schon im November 1945 damit, ein Inventarverzeichnis der Gemälde und Skulpturen anzulegen, die den Krieg überstanden haben. Dazu gehört auch der Bestand, der aus Angst vor Bombenangriffen von Hagen nach Schmallenberg-Oberhenneborn ausgelagert worden ist. Darunter befindet sich ein monumentales Gemälde, „Der Auserwählte“ von Ferdinand Hodler, das auf rund zehn Millionen Euro Auktionswert geschätzt wird. In Oberhenneborn steht das zwei mal drei Meter große Bild in einer Scheune. Birgit Schulte: „Die Restauratoren können genau erkennen, wo die Leinwand nasse Füße bekommen hat.“

Stilgeschichte in Bildern

Dass Herta Hesse bereits 1945 neu anfangen kann, spricht für eine kunstsinnige Bevölkerung. Belgin: „Hagen war die erste Stadt in Deutschland, in der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder ein Museum gegründet wurde.“

Drei Jahre Arbeit stecken in dem neuen Sammlungsband (294 Seiten, 37 Euro, erhältlich im Museumsladen). 60 000 Euro hat das Projekt gekostet, das nur realisiert werden konnte dank der Unterstützung der Ernst-von-Siemens-Stiftung und der Freunde des Osthaus-Museums, so Museumsdirektor Belgin. Der Kunsthistoriker Vincent Schmidt hat die Publikation betreut, sein Volontariat wurde von der Rudolf-Jahns-Stiftung gespendet. In dem Prachtbuch werden 100 Hagener Spitzenwerke ausführlich vorgestellt. Der Katalogteil dokumentiert dann 300 Meisterwerke. Das Ergebnis ist eine Stilgeschichte des 20. Jahrhunderts, erklärt anhand der Hagener Sammlung.

Nicht nur Alte Meister erleben besondere Abenteuer. Ein Documenta-Bild von Emil Schumacher (1912-1999), das lange im Hagener Rathaus hing, gibt ein verstörendes Geheimnis preis, als es ins Museum überführt wird. Die Restauratoren konstatieren, dass es heftig bespuckt worden ist.

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