Hagen. . Der Liebesapfel, das Band der Liebe oder das klassische rote Herz – Symbole der Liebe ziehen sich seit Jahrtausenden durch die Kunst. Zu sehen, wie sich das Verständnis und das Abbilden von Liebe verändert haben, ist hochspannend.

Der Liebesapfel, das Band der Liebe oder das klassische rote Herz – Symbole der Liebe ziehen sich seit Jahrtausenden durch die Kunst. Zu sehen, wie sich das Verständnis und das Abbilden von Liebe verändert haben, ist hochspannend. Findet (nicht nur) Birgit Schulte.

Schillernde Hochs, tragische Tiefs

„In frühen Epochen war Liebe fast ausschließlich mit Fruchtbarkeit gleichzusetzen. Sexualität schwebte über allem. Die männliche Potenz wurde oftmals durch Phallus-Motive versinnbildlicht, das Weibliche durch Venus-Darstellungen“, konkretisiert Birgit Schulte.

Birgit Schulte, stellvertretende Leiterin des Osthaus-Museums, präsentiert im Hohenhof das Ehebett von Gertrud und Karl Ernst Osthaus.  
Birgit Schulte, stellvertretende Leiterin des Osthaus-Museums, präsentiert im Hohenhof das Ehebett von Gertrud und Karl Ernst Osthaus.   © Michael Kleinrensing

Als stellvertretende Leiterin des Osthaus-Museums hat sie nicht nur mit wechselnden Künstlern und Ausstellungen, die sich mehr oder weniger mit dem Thema Liebe beschäftigen, zu tun, sondern kennt auch Künstlerbiografien, die durch schillernde Hochs oder tragische Tiefs bestimmt sind.

„Beim Betrachten alter Abbildungen oder beim Reflektieren von Künstlerschicksalen vergangener Jahrhunderte sollten wir immer bedenken, dass wir mit unserem heutigen Verständnis auf Darstellungen blicken oder Schilderungen bewerten. Unsere heutige Deutung muss nicht zwangsläufig identisch sein mit der damaligen Deutung.“

Klassische griechische ­Vasenmalerei

Eindeutig hingegen sind jedoch die zwei Stränge, die rund ums Thema Liebe auszumachen sind. Zum einen die direkte, naturalistische, unverblümte Abbildung, zum anderen die verklausulierte Art, die auf Symbolik setzt.

In der klassischen griechischen ­Vasenmalerei (ab etwa 2500 v. Chr.) findet man als beliebtes Motiv oft griechische Bordelle, in denen der Liebesakt deutlich und ohne Verfremdung gezeigt wird. Und Schmuck aus gleicher Epoche besteht häufig aus Halsketten mit naturalistisch dargestellten Phallus-Motiv-Anhängern.

Oder im Barock: Eine der berühmtesten biblischen Szenen ­„Josef und Potifars Weib“, ein Kupferstich von Rembrandt (1606 – 1669), zeigt üppige nackte Menschen in einem Bett . . .

Symbolisches Medium

Als symbolisches Medium hingegen entdeckt man in zahlreichen Kunstwerken den Granatapfel, der Fruchtbarkeit bildhaft widerspiegelt. Oder Feigen- und Efeublätter, die diskret und schamvoll pikante Stellen in Bildern oder an Skulpturen verdecken.

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Themenwechsel: Ein Muss, wenn man über Liebe in der Kunst spricht: der Künstler und seine Muse(n).

„Als plakatives Beispiel fällt mir natürlich Pablo Picasso ein. Er war nicht nur etliche Male verheiratet, sondern hatte auch diverse Musen und Ikonen“, berichtet Birgit Schulte. Picassos wohl berühmteste Muse hieß Dora Maar. Die französische Fotografin war für den spanischen Maler nicht nur Geliebte und Modell, sondern inspirierte ihn auch zu melancholischen Szenen. „Picasso hat Dora Maar auch in verzweifelten Lebensphasen und in weinenden Posen abgebildet“, sagt Schulte. „Ihre Beziehung fiel in die Zeit des Zweiten Weltkriegs . . .“

Picassos Hang zu Sex und Erotik

Doch Picasso war auch Zeit seines Lebens durch seinen ausgeprägten Hang zu Sex und Erotik geprägt. Wolllust und Orgien waren für ihn beliebte Motive, die Grenze zwischen Erotik und Pornografie war für ihn schwimmend.

Auch der deutsche Maler und Grafiker Otto Dix (1891 – 1969) lässt sich durch Musen inspirieren, allerdings tauchen weder die Damen selbst noch ihre Namen in der Öffentlichkeit auf. Das bekannteste Musen-Bild Otto Dix’ ist zweifelsohne das 1924 entstandene „Selbstbildnis mit Muse“. Die Öl-auf-Leinwand-Arbeit hängt in der historischen Brunnenhalle des Osthaus-Museums und zeigt eine Göttin aus der griechischen Mythologie. Das stolze, in einen durchsichtigen Schleier gehüllte Vollweib zieht den Blick des Betrachters sofort auf sich. Erst später nimmt man den schmucklos-schlichten Otto Dix wahr. Der Künstler verschwindet praktisch hinter der Muse. . .

Sozialkritische Künstlerin

Erstaunlich: Kaum ein Künstler, kaum eine Künstlerin, egal, welchem Genre verhaftet, kann oder will sich dem Thema Liebe in der Kunst entziehen.

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Selbst Käthe Kollwitz (1867 – 1945), bedeutende deutsche Malerin, Grafikerin und Bildhauerin, die sich in ihren Lithographien und Holzschnitten meist mit der Unterdrückung der Arbeiterschaft („Der Weber­aufstand“), mit Kriegswirren, Not und Elend beschäftigte, widmet sich dem Bereich. „Ja, sogar Käthe Kollwitz, die sich primär als sozialkritische Künstlerin einen Namen gemacht hat, hat Kohlezeichnungen, die Liebesszenen zeigen, erstellt“, weiß Expertin Schulte.

Die 1960er-Jahre sind – wenn es um Erotik in der Kunst geht – ein besonderes Jahrzehnt. Georg Baselitz spaltet mit seinem 1962/63 entstandenen Ölgemälde „Die große Nacht im ­Eimer“ die Gemüter. Das provozierende Bild zeigt eine masturbierende Figur.

Von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt

1963 wurde die in einer West-Berliner Galerie ausgestellte Arbeit wegen Unsittlichkeit von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. „Das Ganze mündete in einen Skandal und hat letztendlich zur Berühmtheit des Künstlers geführt“, blickt Schulte zurück. „,Die große Nacht im Eimer’ und der Eklat darüber waren für Georg Baselitz ein ungeheures Sprungbrett.“

Auch Synonym für die 60er-Jahre, für pralle Erotik und politische Ideale: die überdimensionierten, knallbunten „Nanas“ der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle (1930 – 2002). Die erstmals 1965 in Paris ausgestellten Pop-Art-Plastiken stehen für ein modernes Frauenbild. Der weibliche Körper wird voluminös, erotisch und verrucht zugleich dargestellt. Die „Nanas“ stehen für Weiblichkeit, Hemmungslosigkeit, regen auf oder an, sind aber auf jeden Fall – egal, ob in Stockholm, Zürich oder Hannover platziert– ein Hingucker.

Die „Neuen Wilden“ schockieren

Auch die Arbeiten der „Neuen Wilden“ (u.a. Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer), gegründet in den 1980er-Jahren in Berlin, sind durch lustvoll-intensive Sinnlichkeit geprägt. So bestimmen immer wieder männliche (Schock-)Akte die heftige, ekstatische Malerei.

Ob Skizzen aus der indischen Liebeskunst Kamasutra, biblisch beheimatete „Adam und Eva im Paradies“-Abbildungen oder romantische Romeo- und Julia-Motive – Liebe schlägt sich überall und in allen Zeiten in der Kunst ihren Weg.