Hagen-Dahl. Ein 75-Jähriger lebt ohne Wasser und Strom im Wald. Jetzt sitzt er auf der Anklagebank, weil er einen Pflasterstein in eine Scheibe geworfen hat.

  • Rentner ist im ganzen Stadtteil bekannt
  • 75-Jähriger führt bizarres Leben in Wildnis
  • Bislang blieb der Mann unauffällig

Er ist in der Nachbarschaft bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“ – und das liegt an seiner ungewöhnlichen Lebensweise: Seit 30 Jahren lebt der Mann (75) nun schon wie ein Eremit im Wald, ohne Wasser, ohne Strom, in einer Hütte.

Jetzt steht er wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vor dem Landgericht – und es könnte für ihn, zumindest theoretisch, brenzlig werden: Ob er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und deshalb dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden muss, soll nun die 4. Große Strafkammer entscheiden. Das Gericht hat bereits gestern sehr deutlich gemacht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür wohl nicht vorliegen dürften.

Staatsanwaltschaft stuft Tatvorwurf als nicht gravierend ein

Der eigentliche Tatvorwurf wurde von der Staatsanwaltschaft auch als nicht so gravierend eingestuft und deshalb zunächst vor dem Einzelrichter beim Amtsgericht angeklagt. Am 11. Oktober 2014 soll der Mann in Dahl einen Pflasterstein in eine Glasterrassentür geworfen haben, um eine Frau, die sich dahinter befand, zu verletzten.

Zwar ging das Glas zu Bruch, doch verfehlte das schwere Wurfgeschoss sein Ziel. Der Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren bisher stets behauptet, er hätte an einem Auto vor dem Haus gestanden, aber nicht den Stein geworfen.

Wasser aus dem Hemker Bach

Im ersten Verfahrensanlauf vor dem Amtsgericht im vergangenen Dezember überraschte der gerichtlich bestellte Gutachter mit dem Ergebnis, dass überprüft werden müsse, ob der Angeklagte überhaupt schuldfähig sei. Daraufhin gab der Einzelstrafrichter die Akten an das zuständige Landgericht weiter.

Gestern, zum Prozessauftakt vor dem Landgericht, kam die Kammer über die Aufnahme der Personalien des Angeklagten und der Verlesung der Anklageschrift nicht hinaus: Es fehlte der für dieses Verfahren so wichtige Sachverständige. Deshalb mussten sich sämtliche Beteiligten auf den nächsten Verhandlungstag am 21. April, 9.30 Uhr, vertagen.

Leben in der Wildnis des Volmetals

Zuvor hatte der Angeklagte eine Kostprobe seiner Kauzigkeit abgegeben: Als ihn Richterin Heike Hartmann-Garschagen seinen Geburtsort Büdelsdorf vorhielt, erklärte er: „Das weiß ich nicht genau, ich war nicht dabei.“ Und angesprochen auf sein Geburtsdatum: „Ich glaub das nicht, das Geburtsdatum ist falsch.“

Der 75-Jährige, silbergraues Haar, ausgeprägte Geheimratsecken und wachsamer Blick unter buschigen Augenbrauen, gab neugierigen Journalisten noch eifrig Interviews auf dem Gerichtsflur. Thema war sein jahrzehntelanges bizarres Leben „in der Wildnis des Volmetals“: In seinem Holzverschlag stehen lediglich ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett. Trink- und Waschwasser wird aus dem Hemker Bach entnommen.

Das Waldgrundstück gehört ihm selbst und die Hütte hat sogar eine offizielle Hausnummer – die 58.