Hagen. . Sophia Marl ist die wohl älteste Opern-Abonnentin Deutschlands. Seit 1938 besucht sie das Theater Hagen. Keine Angst vor modernen Inszenierungen.

  • Sophia Marl ist die wohl älteste Opern-Abonnentin Deutschlands
  • Die 106-Jährige schätzt vor allem Richard Wagner
  • 2013 schenkt das Theater ihr ein Abo auf Lebenszeit

Sophia Marl kennt den schönsten Ort der Welt. Reihe eins, Platz zwölf, „da gehöre ich hin“. Seit 1938 hat die 106-Jährige ein Abonnement am Theater Hagen. Damit ist sie vermutlich die älteste Opernabonnentin Deutschlands, wenn nicht sogar global. Aber schon vor ihrer Heirat und dem Umzug nach Hagen liebte die gebürtige Oberfränkin die Bühne – als Kind im heimatlichen Hof und natürlich als Studentin im Bayreuther Festspielhaus.

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Wie kommt Sophia Marl denn nach Bayreuth? Ihre Lehrinnenausbildung absolvierte die leidenschaftliche Musikfreundin im Internat im benachbarten Himmelkron. „Einmal ist sogar Cosima Wagner zu uns ins Seminar gekommen und hat einen Vortrag gehalten und aus ihrem Leben erzählt.“ Die Studentinnen konnten vergünstigte Eintrittskarten für die Generalproben im Festspielhaus erhalten. „Damals war man froh, dass man so eine Quelle hatte.“

Liebe zu Richard Wagner

Richard Wagners Opern schätzt sie, und die meisten berühmten Wagner-Interpreten hat sie gehört. Auch nach ihrem Umzug ins Westfälische ist Sophia Marl dem Festspielhaus treu geblieben. „Meine Freundin wohnte in Bayreuth. Einmal sind wir auf den Grünen Hügel gegangen. Wir hatten gar keine Karten, wir wollten einfach mal sehen, was sich tut. Und da haben wir den Windgassen getroffen, als wir durch die Anlagen spazierten. Da konnten wir ihm sagen, dass wir extra gekommen sind, um ihn kennen zu lernen.“

Sophia Marl hat Operngeschichte miterlebt. Als der „Rosenkavalier“ geschrieben wurde, war sie ein Jahr alt. Bei der Uraufführung von Alban Bergs „Lulu“ trug sie bereits einen Ehering. Als beim Musical „My fair Lady“ der erste Vorhang hochging, hatte sie schon fast 20 Jahre lang ein Abo in Hagen. Satt gesehen hat sie sich am Theater nie. Und die Wagner-Weltstars vermisste sie in Hagen nicht. „Ich war immer zufrieden mit den Aufführungen.“ Doch einmal, da sang der große Wolfgang Windgassen den Siegfried an der Volme. „Da habe ich mich mit ihm getroffen. Er konnte sich noch an uns erinnern.“

Nur mit dem Platz in der ersten Reihe hat es nicht auf Anhieb geklappt. Doch mit Beharrlichkeit konnte Sophia Marl dann umziehen, auf „ihren“ Sitz direkt vor der Bühne, Reihe eins, Platz zwölf. Zwei künstliche Hüften hat die hellwache Seniorin heute, und die Augen wollen nicht mehr richtig, aber „insofern habe ich ein gutes Alter, als dass ich mich an alles noch so gut erinnern kann“.

Ihr Mann war zunächst treuer Opern-Begleiter

Anfangs war ihr Mann Wilhelm ihr treuer Theaterbegleiter. Doch er wurde 1945, nach nur wenigen Ehejahren, Opfer eines Bombenangriffs. Sophia Marl blieb mit zwei kleinen Kindern alleine zurück und nahm ihr Leben fest in die Hand. „Ich wollte immer nur das Beste für die Kinder.“ Auch der Sohn ist inzwischen gestorben, um ihn trauert die frühere Lehrerin sehr. Heute freut sie sich über die Begleitung von Tochter oder Enkelin. Das Theater hat ihr 2013 nach 75 Jahren ihr Abonnement auf Lebenszeit geschenkt.

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Für die Vorstellungen macht Sophia Marl sich fein. Ausnahmslos. „Dass man in langer Robe geht, ist ja nicht mehr üblich. Aber ich habe noch nie in Alltagskleidung das Theater besucht. Es ist für mich ein besonderes Ereignis, ein Fest.“

Keine Angst vor moderner Regie

Vermutlich gibt es keinen Theaterfreund auf der Welt, der so viele Inszenierungen gesehen hat wie die Hagenerin, die in wenigen Wochen ihren 107. Geburtstag feiert. Vor dem modernen Regietheater hat sie keine Angst. „Dass die Leute immer kritisieren, finde ich nicht richtig. Man muss das anerkennen, was auf der Bühne geschaffen wird.“ Ein Theater vor Ort ist etwas ganz Besonderes, dessen ist Sophia Marl gewiss. Deshalb bereitet sie sich auf ihre Theaterbesuche vor. „Ich habe mich immer mit den Stücken beschäftigt. Dann hat man mehr davon.“

Vor gut einem halben Jahrhundert hatte Sophia Marl noch ein zweites Abo in Dortmund, dem Ort, wo sie als Lehrerin arbeitete. „Aber Hagen ist doch ein bisschen heimeliger, ein bisschen privater.“ Ihr zweites Zuhause eben.

In Reihe eins, Platz zwölf.