Hagen. Immer mehr junge Menschen, die sich in Hagen und Umgebung bewerben, erhalten von den Firmen nicht einmal mehr eine Absage.

  • Kreishandwerkerschaft übt Kritik.
  • Auch bei SIHK und Agentur Mark ist das Problem bekannt.
  • Ernüchternde Erfahrung für Bewerber

Mit der Höflichkeit scheint das heute so eine Sache zu sein. Klar: Ein sauberes und in vielleicht fünf Sätzen ausformuliertes „Nein“ auf eine Bewerbung ist für betriebsame Unternehmen im Alltags-Galopp eher lästige Papierarbeit. Was dabei außer Acht gelassen wird, ist, dass der Abgelehnte aus einem „Nein“ wenigstens den Rückschluss ziehen kann, dass man sich mit ihm beschäftigt hat und dass er jetzt weiß, woran er ist. Hunderte Bewerber in Hagen, das zeigt eine Umfrage unserer Zeitung deutlich, sind vor allem damit unzufrieden, dass sie von den angeschriebenen Unternehmen einfach gar nichts hören. Geschweige denn, ihre Bewerbungsmaterialien zurückbekommen. Ist ein höfliches „Nein“ heute gar nicht mehr erwartbar?

Realität spricht andere Sprache

„Für mich gehört sich das einfach nicht“, sagt Michael Plohmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Hagen. „Wenn sich jemand bewirbt, verdient er eine Antwort. Und wenn die Bewerbung noch so schlecht sein möge.“ Damit wird Michael Plohmann vermutlich auf viel Zustimmung stoßen. In der Realität jedoch erleben Hagener Bewerber in sämtlichen Branchen etwas ganz anderes.

„Leider habe ich diese Erfahrung die letzte Zeit auch öfter gemacht. Ich verstehe sowas nicht. Es wird erwartet das man sich als Bewerber anständig gibt und von seiner besten Seite zeigt. Aber was zeigt das denn von einem Arbeitgeber für ein Bild, wenn er nicht mal absagen und einem die kostspieligen Unterlagen zurück schicken kann?“ fragt Leserin Angelina Jäger. Via Facebook hatte die Stadtredaktion eine Umfrage zum Rücklauf bei Bewerbungen gestartet. Hunderte Antworten erhielten wir darauf. Der Grundtenor in nahezu allen Reaktionen: Viele Unternehmen würden es nicht mehr für nötig halten, einem Bewerber, den man nicht für geeignet hält, eine Absage zu schicken.

„Rund 85 Prozent meiner Bewerbungen wurden nicht beantwortet“, sagt Lena Lange. Leonie Hasenberg hat über 200 Bewerbungen geschrieben und nur auf knapp die Hälfte so etwas wie eine Reaktion erhalten. Und Leserin Andrea Kramer: „Das ist leider inzwischen Realität. Ich finde es eine Unverschämtheit, noch nicht mal den Eingang der Unterlagen zu bestätigen, geschweige denn bei einer Absage die Unterlagen unversehrt zurück zu schicken. Ich bin der Meinung, dass das aus Respekt gegenüber dem Bewerber zu passieren hat.“

SIHK antwortet immer

Bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) hat man das Phänomen ebenfalls schon wahrgenommen. „Aus unseren Betrieben hören wir das natürlich nicht, dafür aus den Reihen der Wirtschaftsjunioren, die diese Entwicklung mitbekommen, wenn sie zu Bewerbungstrainings in Schulen gehen“, sagt SIHK-Sprecher Thomas Marotzke. Die SIHK selbst würde immer auf an sie gerichtete Bewerbungen antworten.

Bei der Agentur Mark, Regionaler Dienstleister u.a. in den Feldern Bildung und Arbeit (Gesellschafter sind u.a die Stadt Hagen, SIHK und Kreishandwerkerschaft), hat man das Problem ebenfalls erkannt. „Es fällt aber auch auf“, sagt Michaela Trzecinski aus dem Bereich der kommunalen Koordinierung bei der Agentur Mark, „dass zum Beispiel junge Leute immer dann auch eine Antwort von den Unternehmen erhalten, wenn sie im Bewerbungsprozess eng betreut werden.“ Beispielsweise durch einen Berufseinstiegsbegeleiter oder einen Lehrer, der bei der Studien- und Berufsorientierung hilft.

Gleichzeitig falle aber auch auf, dass Reaktionen auf Bewerbungen häufiger im Bereich von niedriger qualifizierten Bewerbern vorkämen. Mit Blick auf den angespannten Hagener Arbeitsmarkt sagt Michaela Trzecinski: „Man muss sich in Hagen aber auch die Frage stellen, ob man es sich eigentlich leisten kann, zu sagen, dass man diese Arbeitskräfte alle nicht benötigt.“