Hagen.. Die Situation auf dem Hagener Arbeitsmarkt ist angespannt – und nun kommt noch die große Herausforderung mit der Integration von Flüchtlingen hinzu. Experten diskutieren auf Einladung der WP.

Die Situation auf dem Hagener Arbeitsmarkt ist angespannt – und nun kommt noch die große Herausforderung mit der Integration von Flüchtlingen hinzu. Doch von einer aufgeregten oder gar resignativen Stimmung war nichts zu spüren beim zweiten Hagener Arbeitsmarkt-Gipfeltreffen der WESTFALENPOST-Stadtredaktion. Die Probleme wurden klar benannt und Arbeitsagentur-Chef Marcus Weichert sagte auch: „Das wird eine ganz, ganz große Aufgabe.“ Doch die Experten zeigten auch sehr viel Zuversicht, dass die Herausforderung tatsächlich zu schaffen ist.

Neben Marcus Weichert waren Hans-Peter Rapp-Frick (Hauptgeschäftsführer Südwestfälische Industrie- und Handelskammer), Jochen Marquardt (Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbunds Hagen), Michael Plohmann (Kreishandwerkerschaft Hagen), Jens Mütze (IG-Metall-Bevollmächtigter) und Josef Schulte (Märkischer Arbeitgeberverband) der Einladung unserer Zeitung gefolgt. Die Ergebnisse der Diskussionsrunde:

Arbeitsmarkt-Lage:

Der Hagener Arbeitsmarkt hat sich im vergangenen Jahr schlechter entwickelt als der NRW-Durchschnitt. Und abseits des Flüchtlingsthemas bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit „das absolute Kernthema“, so die Analyse von Arbeitsagentur-Chef Weichert. Hans-Peter Rapp-Frick sieht im Gewerbeflächen-Mangel weiter einen Hauptgrund, dass Hagen unter seinen Möglichkeiten bleibe: „Es gibt nicht genug Möglichkeiten zur Expansion.“

DGB-Chef Jochen Marquardt konstatierte: „Unterm Strich hat Hagen ein zentrales Problem: Es wird zu wenig investiert.“ Und Josef Schulte brachte für die Metall- und Elektroindustrie der Region die Stimmung so auf den Punkt: „Die Lage ist nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut.“ Konkret für den Arbeitsmarkt bedeutet das: Es sind keine großen Einbrüche bei der Belegschaft zu erwarten, aber es wird auch keinen Zuwachs an Stellen geben. Die positivsten Zeichen kommen da von Michael Plohmann: Generell gehe es dem Handwerk gut.

Flüchtlings-Herausforderung:

Was bedeutet bei dieser eher verhaltenen Analyse also der Zustrom von Flüchtlingen? Jochen Marquardt sieht keineswegs nur Belastungen, sondern erkennt auch „stabilisierende Faktoren“: Mehr Menschen in Hagen bedeute auch eine höhere Nachfrage und in der Folge eine Belebung des Marktes. Auch Marcus Weichert will nicht ausschließen, dass dadurch „Effekte am Arbeitsmarkt“ entstünden. Einigkeit auch bei allen, dass die Zuwanderung ein Potenzial biete, um künftigem Mitarbeitermangel vorzubeugen.

Doch wenn die Notunterkünfte des Landes in Hagen (mit derzeit etwa 1400 Plätzen) nun verkleinert werden und die Stadt im Umkehrschluss mehr kommunale Flüchtlinge dauerhaft betreuen wird, dann wird auch diese Zahl steigen. 5000 Flüchtlinge am Jahresende könnten realistisch sein. Wieviele davon für den Arbeitsmarkt infrage kommen, ist noch unklar.

Integration wird seit Jahrzehnte in den Betrieben gelebt

Und Michael Plohmann bremst zu hohe Erwartungen. Die Kreishandwerkerschaft versucht gerade 20 Extra-Azubi-Plätze für Flüchtlinge zu schaffen: Aber dafür kämen nur Menschen in Frage, die schon länger in Deutschland seien, die schon Sprachkentnisse und eine Grundqualifikation erworben hätten. Alles andere sei im Arbeitsalltag nicht zu stemmen. Auch Josef Schulte vom Arbeitgeberverband sieht Verbände und Kammern in der Pflicht, für Qualifikation zu sorgen. Die Integrationsleistung dürfe keinesfalls nur auf die Betriebe verlagert werden. Es gebe aber bereits eine große Bereitschaft in den Hagener Firmen, Flüchtlingen Jobs und auch Praktika zu ermöglichen, so Hans-Peter Rapp-Frick. Aber dies dürfe nicht durch bürokratische Hürden verhindert werden.

Aber gibt es auch in den Betrieben die Bereitschaft der Mitarbeiter, Seit an Seit mit Flüchtlingen zu arbeiten? IG-Metall-Chef Jens Mütze ist sich da sicher: Ja, es gebe natürlich Ängste und Befürchtungen. Integration werde aber schon seit Jahrzehnte in den Betrieben gelebt. Arbeitsagentur-Chef Marcus Weichert hält es aber für durchaus möglich, dass es gerade bei den Niedrigqualifizierten im Helfer-Bereich zu Verdrängungseffekten kommen könnte. DGB-Chef Jochen Marquardt erkennt hier aber ein adäquates Gegenmittel: Die Unternehmen sollten sich verpflichten, Flüchtlinge erst einzustellen, wenn sie ausgebildet oder weiterqualifiziert worden seien. Um eben keinen neuen Billigarbeiter-Markt zu schaffen.