Vorhalle. Die Metzgerei Breddermann an der Vorhaller Straße schließt. Gerda und Wilhelm Breddermann gehen in den Ruhestand. Damit verliert Vorhalle auch ein Stück Heimat.

  • Die Metzgerei Breddermann an der Vorhaller Straße schließt
  • Gerda und Wilhelm Breddermann gehen in den Ruhestand
  • Damit verliert Vorhalle auch ein Stück Heimat

Gerda Breddermann kämpft. Nicht mit Mett-Klumpen, nicht mit schweren Schweinshaxen, nicht mit dem mal wieder großem Andrang. Nein, sie kämpft mit den Tränen. Sie und ihr Mann Willi, die so vielen Vorhaller Kindern eine Scheibe Wurst über die Ladentheke gereicht haben, die bei so vielen Partys im Hagener Norden für das Büffet gesorgt haben und die immer wussten, welches Kind oder Enkelkind aus der Kundschaft gerade wieder Flausen im Kopf hatte – sie werden aufhören. Für immer. Mit der Fleischerei Breddermann schließt am morgigen Samstag nicht nur ein Geschäft an der Vorhaller Straße. Für Hunderte Vorhaller verschwindet damit auch ein kleines Stückchen Heimat.

„Machste mir ma ‘ne Hühnersuppe?“ Willi Breddermann verschwindet in die hinteren Räumlichkeiten. Als er wiederkommt trägt er einen dampfenden Teller vor sich her. „Hier, mein Lieber. Lass es dir schmecken“, sagt er dem Handwerker, der gerade Mittagspause macht. Die Hühnersuppe steht gar nicht auf der Tageskarte. Aber die meisten Mittagstischler bestellen sowieso nicht, was darauf steht, sondern, wonach ihnen gerade der Sinn steht. Oder der Magen. Kotelett? Reibeplätzchen? Fleischsalat? Leberkäse? Kartoffelsalat? „Alles vorbereitet“, sagt Gerda Breddermann.

Ein Arbeitsleben Seite an Seite

Als gerade einmal kein Kunde in den Laden an der Vorhaller Straße kommt, tritt sie hinter der Theke hervor. „Ich weiß noch nicht, was dieser Tag morgen mit uns machen wird. Wir sind noch voll im Tritt, produzieren, kühlen und packen ein. Wir haben zwar keine Angst davor, Rentner zu sein. Aber wir haben etwas Angst davor, wie es sich anfühlen wird, die Tür für immer zu schließen.“ Ihre Augen werden glasig. Diese Frau, die ein ganzes Arbeitsleben an der Seite ihres Mannes und Fleischermeister Willi Breddermann verbracht hat, fürchtet den Moment, ihrem Metier, das beide lieben wie am ersten Tag, für immer Adieu zu sagen.

1984 begannen die Breddermanns in ihrem Fleischerladen an der Vorhaller Straße. Die Fleischer-Historie der Breddermanns reicht aber über 70 Jahre zurück. Schon Willis Vater Josef produzierte als Dorf-Metzger in Boele. „Läden wie unseren gibt es in Hagen vielleicht noch etwa zehnmal“, sagt Willi Breddermann, der mit Mitte 60 zu spüren beginnt, dass er halbe Schweine früher allein ins Lager geschleppt hat. „Wenn Dr. Quecken­stedt am Mops mein Knie wieder hinkriegt, dann ist dies das schönste Geschenk, was man mir machen kann.“ Willi Breddermann will spazieren gehen, mit den Enkeln spielen und sich hoffentlich nicht allzu oft an die guten und wirtschaftlich erfolgreichen 32 Jahre seines Geschäfts zurückerinnern müssen.

Ein Stück Menschlichkeit und lokale Verbundenheit

Eine Fleischerei wie die der Breddermanns ist das, was heute soziale Netzwerke sind. Klar, hier gibt es hochqualitative Fleischspezialitäten aus Meisterhand. Vor allem aber gibt es hier, was noch in 1000 Jahren unbezahlbar sein wird: ein gutes Gespräch und eine ehrlich gemeinte Frage danach, was die Familie oder der Job so macht. Wer hier reinkommt, entscheidet sich nicht nur bewusst für die Stärkung eines lokalen Fachbetriebs und gegen die meterlangen Theken in den Discountern, sondern auch für ein Stück Menschlichkeit und lokale Verbundenheit. „Man ist schon etwas mehr als nur der Laden um die Ecke. Man ist auch Teil des eigenen Lebens“, sagt Gerda Breddermann. Das ist überall so, wo es die kleine Vor-Ort-Fleischerei noch gibt. In Wehringhausen, in Kabel oder am Remberg.

Erika Anton betritt den Laden. Eine Kundin der ersten Stunde. Routinemäßig kramt sie in ihrem Beutel. Sie will ihre Reibeplätzchen bezahlen. „Das ist nicht wahr“, sagt sie, „ihr hört auf?“ Gerda Breddermann nickt. Eine Hebamme vom Kuhlerkamp, die regelmäßig für ihre über 80 Jahre alte Mutter hier etwas Feines zum Mittag holt, kriegt ebenfalls große Ohren. „Was mache ich denn dann demnächst?“

Das Alter fordert seinen Tribut

Auf die nackten Zahlen geblickt, müssten die Breddermanns ihren Laden nicht schließen. Die Fleischerei mit ihrem zuverlässigen Party-Service könnte noch in 20 Jahren in genau dieser Form ein Erfolgsmodell sein. Doch die Körper der Breddermanns fordern Tribut. Für die 12-, 14-, 16-Stundentage eines emsigen Fleischerlebens. „Wer so einen Laden führt, muss bereit sein, sich jeden Tag dafür aufzuopfern“, sagt Gerda Breddermann, „wir müssen einen Schlussstrich ziehen. Wir sind in einem Alter, in dem es Zeit ist aufzuhören.“

Einen Nachfolger gibt es nicht. Sohn Matthias, ebenfalls Fleischermeister, arbeitet bei einem großen Unternehmen in Oldenburg. „Vielleicht“, sagen die Breddermanns, „liest das ja jemand und hat Lust auf das Geschäft.“ Am morgigen Samstag werden die beiden ein letztes Mal ihren Laden öffnen und so viel Fleisch abverkaufen wie möglich. „Man kann sich jetzt schon mal für den Sommer bei uns die Kühltruhen vollmachen.“ Eines ist aber auch klar: Etliche Kunden werden noch einmal über die schöne Vergangenheit sprechen wollen. Darüber, dass für sie ein Stück Vorhaller Heimat verloren gehen wird. Und die Kinder-Generation in Vorhalle, die den letzten Tag des Geschäfts miterlebt, wird die letzte sein, die ein Stück Wurst über die Theke gereicht bekommt.