Hagen. Während die Arbeitslosen-Quote landesweit seit Jahresbeginn deutlich gesunken ist, verharrt sie in der Stadt Hagen weiter auf hohem Niveau.
- Hagen von positivem Verlauf des Arbeitsmarktes abgekoppelt
- Arbeitslosenquote bleibt auf hohem Niveau
- Agentur-Chef Weichert sieht Anlass zur Sorge
Was ist da los? Hagen scheint sich von der positiven Entwicklung des NRW-Arbeitsmarktes völlig abzukoppeln. Während die Arbeitslosen-Quote landesweit seit Jahresbeginn deutlich gesunken ist, verharrt sie in der Stadt Hagen weiter auf hohem Niveau. Und dabei spielt der geplante massive Arbeitsplatzabbau bei Enervie und die hohe Zahl von Flüchtlingen bislang gar keine Rolle, wie Arbeitsagentur-Chef Marcus Weichert sagt. Er zeigt sich aktuell wenig optimistisch: „Der Verlauf der letzten Monate gibt Anlass zur Sorge.“
Dabei erscheint zunächst der Blick auf die Zahlen nicht so dramatisch. Im Januar hatte die Stadt Hagen eine Arbeitslosenquote von 10,5 Prozent, im November lag sie genauso hoch. Und in den Monaten dazwischen gab es immer wieder nur kleine Ausschläge. Erst der Vergleich mit den NRW-Zahlen macht das Problem deutlich: Dort ist die Quote seit dem Sommer kontinuierlich auf nunmehr 7,6 Prozent gesunken.
Mit dieser Negativ-Entwicklung steht Hagen nicht völlig allein da: Auch andere Revierstädte wie Gelsenkirchen, Duisburg, Oberhausen oder Bochum müssen im Monatsvergleich November/Oktober zum Teil deutliche Erhöhungen vermelden. Die überwältigende Mehrheit der Städte und Kreise weist aber eine positive Entwicklung auf. Dortmund hat zwar insgesamt eine höhere Arbeitslosigkeit, mit aktuell 11,9 Prozent ist die Arbeitslosenquote aber um 0,2 Prozentpunkte gefallen – also genau der gegenteilige Trend zu Hagen. Der Ennepe-Ruhr-Kreis kann sogar die besten November-Zahlen seit 23 Jahren präsentieren.
Mangel an Gewerbeflächen
Woher kommt der Negativ-Trend in Hagen? Arbeitsagentur-Chef Weichert sieht vor allen Dingen zwei Gründe. Im verarbeitenden Gewerbe seien in der Summe erheblich Arbeitsplätze abgebaut worden. „Da gab es keine große Insolvenz, und es gibt auch nicht die großen Arbeitgeber, die massiv Stellen abgebaut hätten“, sagt Weichert. „Es sind vielmehr kleinere und mittlere Betriebe, die mal 10, mal 20 Stellen abgebaut haben.“ In der Summe sei dies aber doch eine entscheidende Zahl.
Warum aber ist das gerade in Hagen so? Der Arbeitsagentur-Chef sagt, dass seine Behörde noch in der Tiefenanalyse stecke, man die Zahlen noch genauer deuten müsse. „Aber ich befürchte, dass die Gründe in Problemen bei Logistik und Infrastruktur liegen.“ Weichert meint damit besonders die Gewerbeflächen-Problematik. „Wer sich hier nicht erweitern kann, der tut dies im Zweifelsfalle woanders. Und baut Arbeitsplätze ab.“
Zudem diagnostiziert er eine „sprunghaft steigende Zahl von Arbeitslosen mit Migrationshintergrund“. Hier handele es sich aber nicht um Flüchtlinge, sondern um die EU-Binnenzuwanderung, insbesondere aus Südosteuropa. Es gebe beim Jobcenter rund 1000 Menschen aus Rumänien und Bulgarien, Tendenz steigend.
Flüchtlinge spiegeln sich nicht wider
Sorge mache ihm die derzeitige Situation, weil die Lage in den kommenden Monaten wohl nicht besser werde. „Eine Prognose für das komplette kommende Jahr wäre sicherlich Kaffeesatzleserei, aber im Dezember und Januar müssen wir auf jeden Fall noch einmal mit steigenden Arbeitslosenzahlen rechnen.“ Sorge bereite ihm das, weil die eigentlichen Herausforderungen noch bevor stünden. „Der Flüchtlings-Zustrom ist noch gar nicht am Hagener Arbeitsmarkt angekommen. Das wird uns erst im kommenden Jahr beschäftigen“, sagt Weichert. Ebenso sei fraglich, wie sehr der Enervie-Arbeitsplatzabbau abseits von Ruhestandsregelungen die Arbeitslosenstatistik betreffen werde. Und auch die Effekte des Wegzugs eines großen Unternehmens wie Nordwest seien noch nicht absehbar. Und gerade bei den Langzeitarbeitslosen, die vom Jobcenter (Hartz IV) betreut werden, steige die Anzahl weiter. Hagen liege hier am unteren Ende im NRW-Vergleich. „Wir brauchen ein investitionsfreundliches Klima in Hagen, sowie die Unterstützung Gründungswilliger,“ ist Weicherts Fazit.
8314 Menschen unter Obhut des Jobcenters
In Hagen waren im November 10.161 Menschen arbeitslos gemeldet, 55,4 Prozent davon waren Männer, 35,3 Prozent Ausländer. Die meisten Menschen sind schon länger arbeitslos und werden vom Jobcenter betreut (8314).
Positive Nachricht: Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen hat im November in Hagen leicht zugenommen. Und zwar um 14 auf 404. Die meisten offenen Stellen melden Zeitarbeit, das Gesundheitswesen und der Hagener Handel.
Ihn ein ähnliches Horn bläst der Hagener FDP-Landtagsabgeordnete Ulrich Alda. Er sagt markig: „Wer das Ohr an den einzelnen Unternehmen hat und nicht den Lobgesängen der Verbände und Gewerkschaften blind folgt, weiß, dass in Hagen ein extrem wirtschaftsunfreundliches Klima herrscht.“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Hagen sieht die aktuelle Situation in der Stadt kritisch. Selbst bei Menschen, die in den Arbeitsmarkt vermittelt werden könnten, bleibe die Freude bei den Gewerkschaften getrübt. „Die vor allem atypische Beschäftigung in der Leiharbeit schafft keine wirkliche Entlastung und ist von Unsicherheiten für die Arbeitnehmer geprägt“, sagt der Hagener DGB-Chef Jochen Marquardt.