Hagen. Viele Hagener Ärzte finden keine Nachfolger für ihre Praxen. „Wir steuern auf ein Praxis-Sterben zu“, sagt Steuerberater Thomas Ewerdwalbesloh.

  • „Wir steuern auf ein Praxis-Sterben zu“, sagt ein hagener Steuerberater
  • Besonders hausärzte haben es schwer
  • Häufiges Problem: der Arztsitz

Schon 2007 hatte Steuerberater Thomas Ewerdwalbesloh ein Signal an die damalige Wirtschaftsförderung gesendet: „Da kommt eine gefährliche Entwicklung auf unsere Stadt zu“. Acht Jahre später werden die Konturen dieser Entwicklung immer sicht- und spürbarer für Tausende Hagener Patienten. Dass zu viele alte Ärzte in Hagen praktizieren und kurzfristig in den Ruhestand gehen werden und dabei so gut wie keine Nachfolger für ihre Praxen finden, hatte unsere Redaktion jüngst berichtet. Thomas Ewerdwalbesloh, dessen Kanzlei viele Praxen in Hagen berät, sendet acht Jahre später erneut ein Signal: „Wir steuern auf ein Praxis-Sterben zu“.

Zuzug neuer Mediziner ausgeschlossen

Dass die Statistik der KV in Hagen eine Überversorgung ausweist, liegt am Bevölkerungsschwund. Eine Stadt, die stark schrumpft, erhöht sukzessive den Versorgungsgrad.

Ein Zuzug neuer Mediziner ist gesetzlich ausgeschlossen, wenn rechnerisch keine Unterversorgung vorliegt. Die Verhältniszahl liegt bei Hausärzten bundesweit bei 1671 Einwohner je Arzt.

Die Ärzteschaft in Hagen kann der Arbeit häufig einfach nicht mehr nachkommen. Drei Monate Wartezeit bei einem Facharzt und völlig überfüllte Wartezimmer bei den Hausärzten. Und dennoch erklärt die Kassenärztliche Vereinigung – von den Gesetzlichen Krankenkassen mit der Ausübung und Wahrung von deren Interessen betraut – Hagen für überversorgt. In fast allen medizinischen Bereichen liegt der Versorgungsgrad bei über 140 Prozent. Das bedeutet: Die Niederlassung weiterer Ärzte würde hier nicht gestattet.

Nachbesetzung ist schwierig

Mal so eben einen Nachfolger zu finden und den in der eigenen Praxis weiterarbeiten zu lassen, ist aber auch nicht ohne Weiteres möglich. „Ein Arzt hat nur Einfluss auf den Verkauf seiner Praxis, nicht aber darauf, ob der Sitz überhaupt neu ausgeschrieben oder von einem angedachten Praxiskäufer nachbesetzt wird. Darüber entscheidet der Zulassungsauszuschuss bei der KV“, sagt Ewerdwalbesloh.

Während Facharztpraxen gute Chancen haben, Nachfolger zu finden, sind Hausarzt-Praxen schwierig nachzubesetzen: Hausärzte würden in der Regel – gemessen an dem, was sie tun – am schlechtesten bezahlt. Da überlege der junge Arzt lange, den besser bezahlten Krankenhausjob mit einer risikohaften Selbstständigkeit zu tauschen.

Ärzte in ländlichen Bereich kanalisieren

Findet man einen Nachfolger, so ist noch nicht sicher, ob eine tatsächliche Nachbesetzung durch den Zulassungsausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung genehmigt wird. Sein „Okay“ gibt dieser Ausschuss auf jeden Fall nur, falls der Versorgungsgrad unter 140 Prozent liegt.

„Dass die Kassenärztliche Vereinigung versucht, Ärzte in den ländlichen Bereich zu kanalisieren, führt hier zu starken Anpassungsproblemen. Es wird ein Praxen-Sterben erwartet (Einzelpraxen) und eine Konzentration an Großpraxen entstehen. Das hat den Vorteil, dass Expertise sich bündelt, aber auch den Nachteil, dass die Versorgung um die Ecke sterben wird. Zusammenschlüsse sind nicht einfach umsetzbar: Neben den beherrschbaren rechtlichen und steuerrechtlichen Hemmnissen und der schwierigen Bewertung von Praxen, müssen die dort arbeitenden Menschen miteinander im Sinne einer patientenorientierten Versorgung verbunden werden.“