Hagen. Hagens Haus- und Fachärzte werden immer älter. Wenn mittelfristig viele Praxen schließen werden, wird es kaum Nachfolger geben. Realität und kassenärztliche Statistik driften in Hagen weit auseinander.

  • Ärzte werden immer älter
  • Kein Nachwuchs in Sicht
  • Statsitik und Realität liegen weit auseinander

Wie lange geht das gut? Diese Frage kommt aus dem Gesundheitsamt und sie bezieht sich auf die ärztliche Versorgung in Hagen. Dabei geht es nicht um die Qualität von Haus- und Fachärzten an der Volme, sondern um ihre Anzahl und ihr Alter. Auch laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) wird sich die hausärztliche Versorgungssituation in Hagen verschlechtern. Gelebte Realität und kassenärztliche Statistik liegen in Hagen meilenweit auseinander

Versorgungslage bei den Hausärzten nach Stadtbezirk

Mitte: 75 047 Einwohner, 51 Hausärzte (73 Prozent sind 55 Jahre und älter).

Nord: 36 909 Einw., 19 Hausärzte (63 Prozent sind 55 Jahre und älter).

Ost: 29 245 Einw., 19 Hausärzte, (37 Prozent sind 55 Jahre und älter)

Süd: 16 019 Einw., 12 Hausärzte (58 Prozent 55 Jahre und älter)

West: 29 245 Einw., 20 Hausärzte (35 Prozent 55 Jahre und älter)

Ein Drittel der 121 Hausärzte in Hagen sind 60 Jahre und älter. Im Stadtbezirk Mitte, wo die meisten Menschen in Hagen (75 000) sind sogar 41 Prozent der Hausärzte älter als 60. Bei den 13 Kinder- und Jugendmedizinern in der Stadt sind es 40 Prozent, bei den Orthopäden 30 Prozent. Im Hagener Süden gibt es keinen Hausarzt, der unter 40 ist. Im Norden der Stadt sind 16 Prozent der Hausärzte über 70. In sämtlichen medizinischen Fachrichtungen liegt der Anteil der niedergelassenen Ärzte über 50 bei über 50 Prozent.

Anlass zur Sorge

„Die Altersstruktur gibt Anlass zur Sorge“, sagt Jens Flintrop von der KVWL. Mittelfristig dürften viele Ärzte in den Ruhestand gehen und einen Praxis-Nachfolger suchen. Durch die schwierige Nachwuchssituation dürfte das aber schwierig werden. Noch zeigt der Versorgungsgrad, der die Einwohnerzahl in Relation zu den Ärzten setzt, in keinem Bezirk und keiner Fachrichtung eine Unterversorgung an. Im Gegenteil: In vielen Bereichen sei Hagen sogar überversorgt. Zum Beispiel bei den Psychotherapeuten (Versorgungsgrad bei fast 174 Prozent). Was mit der Realität in Hagen aber überhaupt nicht korrespondiert. Friedrich Schmidt ist Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt und sagt: „Man wartet in diesem Bereich derzeit drei Monate auf einen Termin. Die Zahl der Krankheitsfälle steigt immer mehr, wir brauchen hier mehr Ärzte.“

Realität und Statistik auseinander

Dass die Statistik der KVWL in Hagen so häufig eine Überversorgung ausweist, liegt am überproportionalen Bevölkerungsschwund in der Stadt. Eine Stadt, die stark schrumpft, erhöht sukzessive ihren Versorgungsgrad. Auch wenn das mit den realistischen Bedarfen nicht im Einklang ist. Die jeweilige Verhältniszahl (Arzt je Einwohner) wird dabei nicht von der KVWL, sondern vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt. Darin sitzen Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen. „Insbesondere die Krankenkassen haben wenig Interesse daran, zusätzliche Arztpraxen zu eröffnen“, so Flintrop. Ein Zuzug neuer Mediziner ist gesetzlich ausgeschlossen, wenn rechnerisch keine Unterversorgung vorliegt. Die Verhältniszahl liegt bei Hausärzten bundesweit bei 1671 Einwohner je Arzt. In Hagen, so die KVWL, sei sie sogar niedriger.

Teilweise Aufnahmestopp

Ein anderes Beispiel, wie Realität und Statistik auseinanderdriften, findet man bei den Kinder- und Jugendmedizinern, wovon es 13 in Hagen gibt. Aus dem Gesundheitsamt heißt es, dass Hagener Kinderärzte teilweise einen Aufnahmestopp ausgerufen haben, was neben der hohen Arbeitsdichte u.a. auch am nicht abreißenden Flüchtlingsstrom nach Deutschland und eben auch nach Hagen liege.

Der Versorgungsgrad liegt bei den Kinderärzten allerdings bei 142 Prozent – also besser als gut. Es gebe laut KVWL innerhalb des Bereichs Westfalens andere Bereiche, in denen die kinderärztliche Versorgungslage mehr Sorgen bereite als in Hagen.