Hagen. “Tanz in 3 Sätzen“ - der neue Ballettabend am Theater Hagen unterstreicht einmal mehr die herausragende Qualität des Tanzensembles.

  • Ballett-Premiere in Hagen
  • Drei Uraufführungen
  • Qualität auf Weltniveau

Schwere Kost, meisterlich dargeboten: Der neue Ballettabend „Tanz in 3 Sätzen“ am Theater Hagen unterstreicht einmal mehr die herausragende Qualität des eigenen Tanzensembles, das auch auf hohem internationalen Niveau wahrlich keinen Vergleich zu scheuen braucht.

Mit dem Portugiesen Hugo Viera, Darrel Toulon von den Kleinen Antillen sowie dem Hagener „Hausherrn“ Ricardo Fernando präsentieren gleich drei renommierte Choreographen jeweils Uraufführungen ihrer Werke. Unterlegt, begleitet und geführt von modernen Klängen und Rhythmen wird dem Publikum dabei einiges an Einfühlungsvermögen optisch wie aber eben auch akustisch abverlangt. Das Philharmonische Orchester Hagen mit seinem Dirigenten Steffen Müller-Gabriel muss zum Teil recht sperrige Kompositionen von Valentin Silvestro, Steven Mackey und Ezio Bosso umsetzen, die durchaus Hörgewohnheiten im Grenzbereich ausloten.

Sucht bis zum Juckreiz

Hugo Viera hat nach eigenem Bekunden mit „Breaking Skin“ ein Stück geschrieben, dass unterschiedlichste Abhängigkeiten thematisiert. Süchtig werden, süchtig sein bis zum plagenden Juckreiz – die Tänzer bewerfen sich dabei in ekstatischen Bewegungen mit Sand, befinden sich in Ausnahmesituationen für Körper und Seele. Das schwarze, nackte Bühnenbild wird hauptsächlich von Lichtstrahlen geordnet oder zerrissen, je nach der jeweiligen Momentaufnahme. Ein moderner Existenzialismus greift Raum, dem die Tänzerinnen und Tänzer dramatisch-angespannte Gestalt geben.

Sand spielt auch bei Darrel Toulons Arbeit „Heavy Light“ eine zentrale Rolle. Zur enervierenden Musik von Steven Mackey, die mit der Elektrogitarre gleichsam Anleihen bei Jimi Hendrix zu nehmen scheint, werden sinnliche Tanzbilder geschaffen, über die der unaufhörlich vom Bühnen-Himmel im Gegenlicht rieselnde Sand visionäre Augen-Blicke einfängt. Losgelöst von greifbarer Inhaltlichkeit wird hier Musik vertanzt. Die Gemeinsamkeit von Hören und Sehen schafft eine eigenständige Kunststufe, die sich vom Herkömmlichen befreit und schier in eine neue, eine eigenen Dimension zu wechseln scheint.

Vom ersten und letzten Atemzug

Mit den unterschiedlichen Formen des Atmens beschäftigt sich schließlich Ricardo Fernando. In sechs Bildern durchschreitet er mit seiner Truppe das Leben vom ersten bis zum letzten Atemzug. Das Schluchzen und Flüstern, die Atemlosigkeit und der Moment, sich „im gleichen Atemzug“ zu befinden, wird in loser, abstrakter Ordnung tänzerisch umgesetzt. Dynamik wechselt mit Innehalten, das Expressive mit dem Introvertierten. Moderner Tanz am Rande des Bewussten und in geradezu liebevoller Nähe zum Unbewussten.

„Tanz in 3 Sätzen“ ist eine intensive, intellektuelle Herausforderung für alle Beteiligten. Auf und vor der Bühne.