Hagen. . Ein angeblicher Teppichreiniger hat in Hagen eine 78-Jährige reingelegt. Jetzt landete er auf der Anklagebank. Rechtlich ein schwieriger Fall.
- Reinigung sollte 1200 Euro kosten
- Teurer Seidenteppich kam offenbar aus dem Baumarkt nebenan
- Verfahren gegen Zahlung von 800 Euro eingestellt
Der fremde Mann am Telefon klang freundlich: „Sie haben doch vor Jahren einen Teppich bei uns gekauft“, sagte er. Elfriede Pohl (78, Name geändert) aus Altenhagen war verdutzt. Sie gab leutselig Auskunft: „Ja, einen Orient-Teppich für 2000 Mark. Daran können Sie sich erinnern? Das ist doch 18 Jahre her.“
Die alte Dame ahnte nicht, dass am anderen Ende der Leitung ein Betrüger mit ihr sprach. „Ein typisches kriminelles Anbahnungsgespräch“, weiß hingegen Kriminalhauptkommissar Matthias Reinhard (51), der in diesem Fall ermittelte. Er kennt die miesen Tricks der unseriösen Teppichreiniger, die sich vermehrt in Hagen tummeln und gerne versuchen, Senioren abzuzocken.
1200 Euro für Dienstleistung
Nach dem überraschenden Anruf bekam Elfriede Pohl zwei Tage später ebenso überraschend Besuch: Am 16. Juli vergangenen Jahres klingelte ein bulliger Mann mit kahlgeschorenem Kopf an ihrer Tür: Er käme zur Teppichreinigung. Die Rentnerin, die in der Nähe des St.-Josefs-Hospitals wohnt, ließ ihn arglos herein. Er nannte ihr den unglaublichen Reinigungspreis: 1200 Euro.
„Ich dachte, ich hätte mich verhört“, erklärt die Frau mit dem schlohweißen Haar zitternd im Zeugenstuhl des Amtsgerichts. Ihr gegenüber sitzt jetzt der bullige Mann (33), angeklagt wegen Betrugs und versuchtem Betrugs, und blickt böse in ihre Richtung.
Teppich und 2800 Euro
Als Elfriede Pohl sich seinerzeit weigerte, die überteuerte Teppichreinigung durchführen zu lassen, erklärte der Fremde: „Ich kann Ihnen auch ein neues Stück geben, aus reiner Seide, für 6000 Euro.“ Doch soviel Geld hatte die Rentnerin gar nicht angespart. Also ging der Teppichreiniger „großzügig“ mit dem Preis herunter: erst auf 4000, zuletzt auf 2800 Euro. „Dafür musste ich ihm aber meinen alten Orientteppich geben“, erinnert sich die Dame.
Sie fuhr mit dem Angeklagten („Sein Auto hatte ein Kennzeichen aus Bonn“) zur Sparkasse und hob den geforderten Geldbetrag ab. Das Zertifikat über die angebliche „Echtheit“ des Seidenteppichs, das er ihr noch kurz entgegengehalten hatte, steckte er aber sofort wieder ein.
Erneuter Besuch
Bereits am nächsten Tag bekam die Rentnerin erneut Besuch. Diesmal hatte der bullige Teppichreiniger „echten Goldschmuck, alles Erbstücke von meiner Oma“, dabei. Er benötige dringend für drei Monate ein 2500-Euro-Darlehen und würde ihr dafür die Preziosen als Pfand überlassen, erklärte der Fremde.
In diesem Augenblick war Elfriede Pohl klar, dass sie einen Betrüger vor sich hatte: „Das waren ganz billige Modeklunker. Ich kenne mich bei Schmuck gut aus.“ Sie lehnte das Darlehen ab, verwies den Mann aus der Wohnung. Aus dem Fenster sah sie noch, wie er diesmal in ein Auto aus Köln stieg.
Wasserglas führt zum Verdächtigen
Der Angeklagte bestreitet den versuchten Schmuckbetrug: Die beiden Armbänder seien aus Gold gewesen. Ob das stimmt, lässt sich nicht nachweisen. Zumindest dieser Anklagepunkt steht auf wackeligen Beinen. Und die Sache mit dem „echten Seidenteppich“? Elfriede Pohl hat das gleiche Stück, für das sie 2800 Euro zahlte, kurz darauf im Baumarkt für 350 Euro entdeckt. Da hat sie dann die Polizei eingeschaltet. Kriminalhauptkommissar Reinhard war pfiffig, stellte das Wasserglas, aus dem der Täter getrunken hatte, sicher und ließ es im Labor untersuchen. So kam man auf die Spur des weit gereisten Angeklagten.
Dieser gehört einem Familienclan aus Kerpen (Niederrhein) an, ist wegen Trickbetruges einschlägig vorbestraft. Er legt im Strafprozess einen Zettel vor, den die Rentnerin ihm gegeben haben soll: „Mein alter Teppich verliert die Farbe und ist ungerade. Der Mann ist so lieb und gibt mir einen neuen Teppich dafür und eine Kauferstattung. Ich bedanke mich.“ Unglaublich: Nachdem er erfahren hatte, dass die Polizei ihm auf die Spur gekommen war, ist der Angeklagte ein drittes Mal bei Elfriede Pohl aufgetaucht und hat sie bedrängt: „Mir wurde alles wörtlich diktiert.“ Aus Angst schrieb die Rentnerin auf, was er ihr befahl.
Rechtlich schwieriger Fall
Amtsrichter Dr. Thorsten Opitz: „Der Fall ist schwierig. Rechtlich kommt hier allenfalls Wucher in Betracht, aber dazu müsste ein Gutachter den wahren Wert des Seidenteppichs erst noch ermitteln.“ Dem Angeklagten wurde angeboten, das Strafverfahren gegen ihn einzustellen, wenn er 800 Euro an die Geschädigte zahlt.
Er stimmte sofort zu. Elfriede Pohl wird jetzt einen Teil ihres Geldes zurückerhalten. Aber sie lebt in ständiger Angst. Jedes Mal, wenn es an ihrer Wohnungstür klingelt, zuckt sie zusammen. Es könnte ja wieder der Teppichreiniger sein.