Hagen. . Eigentlich geht es um Menschen und Schicksale. Doch der Blick auf die Flüchtlinge geht in den Kommunen einher mit Sorgen rund ums Geld
- Aus taktischen Gründen bietet die Stadt Hagen dem Land Notunterkünfte für Flüchtlinge an.
- Wenn Noteinrichtungen wie in Delstern und Halden geschaffen werden, werden diese komplett aus Düsseldorf finanziert.
- So belasten diese Unterkünfte den Hagener Haushalt nicht.
Eigentlich geht es um Menschen, Schicksale, Familiendramen, Geschichten von Leid, Not, Krieg, Tod, Flucht und Vertreibung, um Ängste, Gewalt, Hunger und Einsamkeit, um Traumatisierung und die Suche nach Frieden. Doch der Blick auf die Flüchtlinge geht in den Kommunen einher mit Sorgen rund ums Geld. Einer Nothaushaltskommune wie Hagen, die im Schraubstock des NRW-Stärkungspaktgesetzes klemmt und damit über keinerlei nennenswerte finanzielle Spielräume für menschliche Gesten verfügt, bleibt letztlich gar nichts anderes übrig, als jeden Asylbewerber auch als Kostenfaktor zu betrachten.
Taktische Cleverness
Eine Summe, die in Hagen im Jahr 2015 absehbar in zweistellige Millionen-Höhen schnellt.
Vor diesem Hintergrund betrachtet es die Kämmerei beinah schon als taktische Cleverness, dass Hagen im großen Stil dem Land mehrere Notunterkünfte anbietet und damit das Kommunalkontingent drosselt. In der Hohenlimburger Regenbogen-Schule (200 Plätze), Hasper Spielbrink-Schule (300 Plätze), Delsterner Könemann-Halle (bis zu 800 Plätze) und jetzt auch in der Haldener Wilhelm-Busch-Schule (250 Plätze) leben derzeit etwa 1200 Hilfesuchende vorzugsweise vom Balkan, aus Afrika, dem Nahen Osten und vom Hindukusch und warten darauf, über die NRW-Kommunen verteilt zu werden. Ihr Aufenthalt wird komplett aus Düsseldorf finanziert. Ohne soziale Folgeverantwortung für die Stadt Hagen.
Hinzu kommen weitere 900 Flüchtlinge, die dem kommunalen Zuweisungskontingent zuzurechnen sind. Sie wohnen vorzugsweise in Übergangsheimen und angemieteten Wohnungen. Für diese Männer, Frauen und Kinder übernimmt die Stadt eine besondere Verantwortung, da sie sich nicht bloß um deren Unterkunft und Verpflegung kümmert, sondern auch Kita- und Schulplätze bereitstellen sowie deren Integration begleiten muss. „Ein Aufwand, der sich pro Jahr auf etwa 9000 Euro pro Person aufaddiert“, rechnet Klaus Gierke, als Abteilungsleiter beim Fachbereich Jugend und Soziales für die Versorgung der Flüchtlinge verantwortlich, vor. Dieser Betrag wird auch dann nicht ganz gedeckt sein, wenn ab 1. Januar 2016 die Unterstützung des Bundes von 670 Euro pro Fall und Monat in die Kommunen fließt. Aber immer noch ein Quantensprung im Vergleich zur bislang praktizierten 32-prozentigen Kostendeckung des Landes, die den Kämmerer vor unlösbare Probleme stellt.
8000 leerstehende Wohnungen
Gierke verfolgt bei der Betreuung der kommunalen Asylbewerber einen integrativen Ansatz. Das heißt, er hat mit seinem Team neben den Unterkünften der Flüchtlinge auch die sie umgebenden Quartiere im Blick. „Bei dieser sozialräumlichen Betrachtung richten wir unsere Antennen in das Umfeld aus und versuchen dort präventiv zu agieren, bevor etwas richtig hochkocht“, verschließt der Beauftragte der Stadt zusammen mit den Sozialarbeitern und Objektbetreuern keineswegs die Augen davor, dass die zunehmende Zahl an Hilfesuchenden – in Kombination mit der parallel stattfindenden EU-Zuwanderung – reichlich Potenzial für gesellschaftliche Spannungen liefert. „Wir wollen verhindern, dass die Stimmung kippt, sowohl im Gespräch mit den Leuten mit Vorbehalten als auch im Austausch mit Ehrenamtlichen.
Flüchtlinge in DeutschlandBis zum Jahresende, so Gierke, wird die Gesamtzahl der Flüchtlinge in Hagen auf 3000 Köpfe steigen. Für diese Menschen genügend Unterkünfte vorzuhalten, hat für ihn oberste Priorität. Angesichts von 8000 leerstehenden Wohnungen in Hagen auf den ersten Blick eine machbare Aufgabe. Doch auch Vermieter wittern die Chance, mit wachsendem Flüchtlingsdruck an der Preisschraube zu drehen. Aber Gierke bleibt konsequent: „Wir orientieren uns am Mietspiegel, zahlen maximal 4,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter.“ Mehr gibt die Schatulle des Kämmerers mit dem 1,2-Milliarden-Loch nicht her.