Hagen. . Gleich zwei Ausstellungen werden am Samstag im Osthaus-Museum eröffnet: dreidimensionale Bilder von Patrick Hughes sind dort zu sehen und Filme von Christoph Böll.

Selbst wenn einem die digitale Filmcollage von Christoph Böll (66) nichts sagen würde, man könnte einfach die Augen schließen und sich der vierten Sinfonie von Gustav Mahler hingeben. Denn die weihevolle und ergreifende Musik des Adagios ist ja an sich schon eine Erbauung.

Hält man aber die Augen geöffnet – und das sollte man tun –, wird einem offenbar, wie die himmlischen Klänge ein Meer an Lichtpunkten und Farben untermalen, das selbst wie eine mehrstimmige Erhöhung der Wirklichkeit daherkommt. „Das habe ich auf dem Wurstmarkt in Bad Dürkheim aufgenommen“, holt Filmemacher Böll den verklärten Betrachter auf den schnöden Boden der Tatsachen zurück. „Auf der Kirmes. Auf dem Riesenrad.“

Kaleidoskopartiger Effekt

Was um Gottes Willen hat denn der Wurstmarkt von Bad Dürkheim mit diesen genialisch angehauchten Bildsequenzen, was hat eine Kirmes mit dieser wundervollen Musik zu tun? Tatsächlich hat Böll, übrigens auch ein versierter Kino- und Fernsehregisseur, eine Kamera unter eine Kabine des Riesenrades geschraubt und dann das Filmmaterial, das in großer Höhe auf den Chip gebannt wurde, zusammengeschnitten. Herausgekommen ist eine faszinierende Bilderfolge, die, im Osthaus-Museum auf zwei Seitenwände gespiegelt, einen kaleidoskopartigen Effekt hervorbringt. „Christoph Böll hat ein eigenes, ein neues künstlerisches Format gefunden“, betont Museumsdirektor Tayfun Belgin die Einzigartigkeit des Künstlers.

Dabei ist Böll wahrlich kein im Elfenbeinturm hausender, abgeschotteter Kunst-Tor. In einem zweiten Raum laufen auf sieben Monitoren Dokumentarfilme aus seinem fast vierzigjährigen Schaffen, darunter eine bei Thyssen-Krupp entstandene Stahl-Trilogie, die die ganze Sinnlichkeit dieses Metallprodukts und der um es herum entstandenen Industrie verdeutlicht: „Und wie toll die Maschinen sind, wie kreativ die Ingenieure“, schwärmt Böll über die positiven Seiten dieser viel zu oft auf Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung reduzierten Branche.

Es ist eben, das ist der Mehrwert, den seine Kunst so ganz nebenbei bereithält, oft eine Frage der Wahrnehmung, wie man die Realität beurteilt. Deshalb passt auch die zweite Ausstellung, die Belgin parallel arrangiert hat, so gut zu Bölls Dokumentar-Kunst. Denn die dreidimensionalen Bilder (oder sollte man besser sagen: Bildobjekte) des Engländers Patrick Hughes stellen – im Gefolge vom M.C. Escher und Paul Klee – die These in den Raum, dass alles bloß eine Frage des Blickwinkels ist.

Geprägt von der Kellertreppe

Ganz im Gegensatz zur seit 1410 gängigen Zentralperspektive ist bei Hughes vorne, was hinten ist, und hinten, was vorne ist. Er hat diese reliefartigen, augentäuschenden, dreidimensionalen Bildobjekte (!) nicht nur erfunden, sondern ihnen auch einen Namen gegeben: reverspective (umgedrehte Perspektive).

Sehenswert

Die sehenswerte Doppel-Ausstellung „Pforten der Wahrnehmung“ von Christoph Böll und „Bewegende Räume“ von Patrick Hughes wird am Samstag, 12. September, um 16 Uhr eröffnet.

Sie ist im Karl-Ernst-Osthaus-Museum zu sehen bis zum 14. bzw. 15. November.

Prägend für Hughes war der Zweite Weltkrieg, den er als Kinder mit seiner Mutter in Birmingham verbrachte. Wenn die deutschen Bomber über der Stadt auftauchten, zog sich die Familie in den Keller zurück. Der kleine Patrick verharrte stundenlang unter der Kellertreppe, das Stufenmuster, wenn auch von unten betrachtet, prägte sich ihm ein. In seinen Bildobjekten kehrt es, ins Horizontale gedreht, wieder.