Hengstey. . Wer sich auf eine der Bänke am Hengsteysee setzt, der blickt auf eine grüne Wand. Das Seeufer ist dermaßen zugewuchert, dass den Menschen der wohltuende Blick aufs Wasser verwehrt bleibt.

  • Das Ufer des Hengsteysees ist mit Büschen und Bäumen zugewuchert.
  • Wer sich auf eine Bank setzt, hat eine grüne Wand vor Augen.
  • Diskutiert wird über eine Belebung der Infrastruktur am See.

Entlang des Hengsteysees stehen am Hagener Ufer mehrere Bänke, auf denen Spaziergänger Platz zum Verschnaufen finden. Dabei schweift ihr Blick über das idyllische Gewässer, auf dem sich zahlreiche Wasservögel im friedlichen Miteinander tummeln – die perfekte Feierabend-Erholung für den stressgeplagten Stadtbewohner.

Jedenfalls in der Theorie. In der Wirklichkeit ist die Situation am See zur Eulenspiegelei mutiert. Wer sich auf eine der Bänke setzt, der blickt auf eine grüne Wand. Das Seeufer ist mittlerweile dermaßen zugewuchert, dass den Menschen der wohltuende Blick aufs Wasser verwehrt bleibt. Als Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt unlängst am Ufer entlang schlenderte und ein Plätzchen mit freier Sicht suchte, fand er keines. Wo er sich auch hinsetzte, türmte sich meterhoch das Grünzeug vor ihm auf. „Die Bänke haben wir doch nicht aufgestellt, damit die Leute in die Büsche gucken“, ärgert sich der Bezirksbürgermeister über den blockierten See-Blick.

Viermal Pflegeschnitt

Der WBH führt viermal pro Jahr einen Pflegeschnitt durch, um wenigstens den Rad- und Fußweg auf Hagener Seeseite freizuhalten, das Ufer dagegen wuchert immer weiter zu.

Die umstrittene Ansiedlung des Cargobeamers nahe am Seeufer ist vom Tisch. Das Unternehmen hatte vor den Ferien angekündigt, die Verladestation für Lkw-Auflieger andernorts bauen zu wollen.

In den vergangenen Monaten hatten sich bereits mehrere Bürger im Boeler Amtshaus über den Wildwuchs beschwert, sogar Oberbürgermeister Erik O. Schulz wurde auf das Uferdickicht angesprochen und versprach, sich zu kümmern. Zwar fand inzwischen ein Ortstermin mit Vertretern der Verwaltung statt, geschehen ist aber nichts. Mit einem Rückschnitt der wuchernden Büsche tut man sich im Umweltamt schwer. „Aus unserer Sicht sollte der Gehölzcharakter auf Dauer erhalten bleiben“, stellt Carola Mallek klar. Auch der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) hat weitergehende Maßnahmen bislang mit der Begründung abgelehnt, das Ufergelände sei wegen seiner Bedeutung als Brut- und Nahrungsbiotop sowie als Winterrastplatz für zahlreiche Wasservogelarten der Roten Liste als Schutzgebiet ausgewiesen. Insbesondere im Böschungsbereich des Hengsteysees befänden sich wichtige Brut- und Lebensräume für Vögel, bei einem Eingriff in die Gehölzstrukturen sei mit erheblichen Beeinträchtigungen zu rechnen.

Der Unmut wächst

Derweil wächst in der Bevölkerung der Unmut darüber, dass am Hengsteysee scheinbar immer die Natur Vorrang vor den Bedürfnissen der Menschen hat und es mit der Ausformung einer belebenden Infrastruktur nicht voran geht. „Die Leute wünschen sich eine Entwicklung wie in Herdecke“, verweist Andreas Kroll, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Boele-Kabel, auf die Nachbarstadt, die am Harkortsee Geschäfte, Cafes und Freizeiteinrichtungen angesiedelt hat, die tausende von Menschen anlocken. Stadt und Regionalverband Ruhr (RVR) müssten endlich das angekündigte Rahmenkonzept Freizeit für den Hengsteysee vorlegen, so Kroll.

Gemeinsam mit Herdecke

Der RVR sei grundsätzlich bereit, in die Planungen am Hengsteysee einzusteigen, berichtet Oberbürgermeister Erik O. Schulz von einem Telefonat mit RVR-Chefin Karola Geiß-Netthöfel: „Eine konkrete Zusage habe ich aber nicht erhalten.“ Doch mittlerweile lägen ein paar Ideen für den Hengsteysee auf dem Tisch, die die Städte Hagen und Herdecke gemeinsam anpacken wollten: „Nach der Bürgermeister-Wahl in Herdecke am kommenden Sonntag werden wir Gespräche führen“, versprach Schulz.

Naturschutz und Aufenthaltsqualität

Doch im Hagener Norden will man sich nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag vertrösten lassen. Es müsse doch möglich sein, Umweltschutz und Aufenthaltsqualität am See zusammenzubringen, so Bezirksbürgermeister Kohaupt: „Wir wollen ja keinen radikalen Rückschnitt des Gestrüpps, aber es gibt einige Stellen am See, die man den Menschen, ohne dass es viel kostet, zugänglich machen kann.“ Und dann müsste es doch möglich sein, findet Kohaupt, sich beim Spazierengehen auf einer Bank niederzulassen, vor der sich keine grüne Wand befindet. . .