Hagen. . Die Stadt Hagen hat ihre Pläne zum Thema Windkraft den Bürgern in der Aula des Ricarda-Huch-Gymnasiums vorgestellt. Dabei ist es vor allem der Artenschutz, der neue Anlagen noch verhindern könnte.
„Sachlicher Teilflächennutzungsplan Windenergie“ steht auf der ersten Folie, die die Verantwortlichen des Planungsamtes in bestem Verwaltungsdeutsch an die Wand der Aula des Ricarda-Huch-Gymnasium werfen.
Rund 200 Hagener sind gekommen, um Informationen zu einem emotionalen Thema zu bekommen und Sorgen und Ängste vorzutragen. Gegner neuer Windkraftanlagen, Befürworter der regenerativen Energie, Grundbesitzer, Investoren und Vertreter von Energieversorgern. Zeit für eine Bestandsaufnahme:
Die Planung der Stadt
Am Anfang stehen die Pläne der Bundes- und der Landesregierung, die Energiewenden umzusetzen. Der Rat hat das aufgegriffen und die Stadtplaner beauftragt, das Thema Windenergie zu begleiten. Am Ende eines Prozesses soll ein Flächennutzungsplan stehen. Auf dem soll dann zu erkennen sein, in welchen Gebieten neue Windkraftanlagen entstehen können.
„Planung an dieser Stelle ist auch der Versuch, Interessen auszugleichen“, so Baudezernent Thomas Grothe. Die der Anwohner, die der Investoren und die der Besitzer von interessanten Flächen. „Eine endgültige Entscheidung über die Flächen trifft der Rat, also die gewählten Vertreter der Stadt.“ Eine Planung, die generell darauf ausgelegt sei, neue Anlagen zu verhindern, sei nicht zulässig. Auch, weil das Baugesetzbuch Windräder im Außenbereich vom Grundsatz her privilegiert. So könnten auf den Höhen im Süden im Grunde überall neue Anlagen beantragt werden. Gezielte Planung soll das verhindern.
Windkraft in Hagen
Zehn Windräder drehen sich derzeit auf Hagener Stadtgebiet. Anlagen jedoch, die noch nicht die Höhe erreichen, die effiziente Anlagen heute haben. Von bis zu 200 Metern ist die Rede.
„Diese Anlagen gehen zurück auf Planungen Ende der 90er Jahre“, sagt Martin Bleja vom Fachbereich Stadtplanung, „seither ist es ruhig um die Windkraft geworden.“ Dann folgten ein Windkrafterlass des Landes und die Energiewende.
Der Stand des Verfahrens
Das Planungsamt hat einen Entwurf eines Flächennutzungsplans Windenergie vorgelegt. Der beinhaltet rote Flächen wie Wohn- oder Naturschutzgebiete, auf denen keine Anlagen zulässig sind, ebenso wie grenzwertige Flächen und optimale Areale, auf denen keine Konflikte zu erwarten sind.
Die Flächen sind durch ein Gutachterbüro untersucht worden. Heraus fielen Flächen, die kleiner als ein Hektar waren, Hänge mit mehr als 20 Prozent Gefälle und Laubwälder. Mit der Veranstaltung gestern ist die Öffentlichkeit frühzeitig beteiligt. Anregungen und Einwände werden ausgewertet. Was folgt, ist dann der endgültige Entwurf, die Offenlegung, noch einmal Stellungnahmen, Anregungen und Bedenken und Prüfungen der selbigen. Schließlich muss der Rat beschließen und die Bezirksregierung den endgültigen Flächennutzungsplan genehmigen. Erst dann können Bauanträge für einzelne Anlagen gestellt werden, die wiederum gesondert überprüft und genehmigt werden – oder eben nicht. Bereits jetzt haben potenzielle Investoren um die Enervie, den Anlagenhersteller SL-Windenergie und die Bürgerwind GbR Interesse erklärt, neue Windräder zu bauen (unsere Zeitung berichtete).
Die Abstände
Regelungen zu Abständen von Anlagen zur Wohnbebauung gibt es in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht. Letztlich liegt es damit in den Händen der Stadt Hagen, Abstandsflächen festzulegen. Die ist am Ende ein politischer Beschluss. Eine optische Bedrängung liegt in der Regel vor, wenn das zweifache der Anlagenhöhe unterschritten wird. Bis zum Dreifachen der Anlagenhöhe wird im Einzellfall besonders intensiv geprüft.
Trotzdem können die Vorgaben von Kommune zu Kommune voneinander abweichen. Die geringsten Abstände zwischen den Rändern der Zonen (das ist nicht gleich dem späteren Anlagenstandort) zu Siedlungsflächen liegen in Hagen bei 500 Metern (Dahl, Wesselbach und Nahmer). „Würde die Stadt beispielsweise 1000 Meter festlegen, blieben kaum Flächen übrig“, so Martin Bleja, der wiederum auf die Gefahr einer „Verhinderungsplanung“ verweist.
Der Schattenwurf
Der Schattenwurf einer Anlage lässt sich genau berechnen. Anwohner müssen ihn maximal 30 Minuten pro Tag und acht Stunden pro Jahr ertragen. Werden diese Vorgaben überschritten, müssten Anlagen abgeschaltet werden.
Der Lärm
Die Schallbelastung in Außenbereichen darf nachts nicht höher als bei 45 Dezibel liegen. Für allgemeine Wohngebiet gelten 40 Dezibel, für reine Wohngebiete 35 Dezibel. Zwischen 0 und 20 Dezibel liegt das Rauschen des Waldes, zwischen 20 und 40 Dezibel das Ticken eines Weckers, zwischen 40 und 60 Dezibel die normale Gesprächslautstärke. Investoren argumentieren, dass die Geräusche, die eine Windenergieanlage verursache, oft von Umgebungslärm überlagert werde.
Der Infraschall
Für den sogenannten Infraschall, also Schall, der bei 16 bis 20 Herz und für Menschen nicht hörbar ist, gibt es keine Grenzwerte. Wissenschaftliche Untersuchungen, die Schäden durch Infraschall nachweisen, gibt es nicht. Deshalb findet das Thema im Genehmigungsverfahren keine Berücksichtigung. Infraschall wird aber beispielsweise auch durch Haushaltsgeräte verursacht.
Der Artenschutz
Eine erste Artenschutzprüfung hat in allen 20 Einzelzonen, die zum Teil zusammenhängen, stattgefunden. Ergebnis: „Überall besteht Konfliktpotenzial“, so Ulrich Hohmann vom Büro Ökoplan. Bei drei Zonen besteht die Gefahr, dass der Wanderfalke jegliche Windkraftnutzung zunichte machen könnte (hohes Konfliktpotenzial). Für alle Flächen gilt: Es gibt Hinweise auf Vogelarten, die besonders sensibel auf Windkraftenergieanlagen reagieren.
Deshalb muss eine zweite Artenschutzprüfung her, die sich über eine gesamte Vegetationsperiode erstreckt. Die läuft derzeit noch. Ergebnisse gibt’s bereits im August 2015 und werden in den Umweltbericht eingearbeitet. Schon dann könnten sich einige der 20 potenziellen Standorte erledigt haben. „Bei signifikanten Erhöhungen des Kollisonsrisikos sind Anlagen nicht genehmigungsfähig“, so Hohmann.