Hagen. . In 23 städtischen Kindertageseinrichtungen in Hagen wird ab heute gestreikt. Erzieherin Ulrike Scholz erklärt, warum sie in den Ausstand tritt.
Die Erzieherinnen in den 23 städtischen Kindertagesstätten treten ab heute in den Streik, um ihrer Forderung nach einer höheren tariflichen Eingruppierung Nachdruck zu verleihen. Wir sprachen mit Ulrike Scholz (55), Erzieherin im Kindergarten in der Tondernstraße.
Warum streiken Sie?
Ulrike Scholz: Unsere Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, die Anforderungen sind enorm gestiegen. Tariflich eingruppiert sind wir aber immer noch wie vor 24 Jahren. Eine Erzieherin im ersten Berufsjahr verdient 2311 Euro brutto. Wir wünschen uns einfach mehr Wertschätzung für das, was wir leisten.
Was hat sich denn so verändert?
Scholz: Unsere Arbeit hat sich den Strukturen der modernen Gesellschaft angepasst. Erzieherin zu sein, hat nichts mehr damit zu tun, Kinder nur zu betreuen. Die Tagesstätte ist heutzutage ein kleines Zuhause für die Kinder, wir begleiten sie häufig vom ersten Lebensjahr an. Wir wickeln sie, füttern sie, legen sie schlafen. Wir regen sie an zu krabbeln und sich hochzuziehen. Ja, wir begleiten diese winzigen Kinderseelen auf dem Weg ins Leben. Und die Zusammenarbeit mit den Eltern hat sich auch verändert.
Inwiefern?
Scholz: Vor allem mit den Eltern der ein- bis dreijährigen Kinder müssen wir uns regelmäßig und umfassend austauschen. Denn die Kinder können ja noch nicht erzählen, was sie erlebt haben. Andererseits müssen wir die Rituale kennen, die sie zum Beispiel zum Einschlafen benötigen. Ein Kind braucht den Schnuller, das andere ein Kuscheltier, das dritte wiederum eine Kuscheldecke. Über all dies und viele andere Dinge unterhalten wir uns mit den Eltern. Ich nenne das Erziehungspartnerschaft.
Und was ist mit den älteren Kindern? Hat sich da auch etwas verändert?
Scholz: Und ob. Wir musizieren und singen mit den Kindern, wir fördern körperliche Entwicklung und soziale Kompetenz, das Verständnis von Strukturen und Regeln. Dazu gehört das Führen einer Schere ebenso wie in manchen Einrichtungen das Vermitteln erster Englischkenntnisse.
Sie sind also mehr Pädagogin als Kindergärtnerin?
Scholz: Es hat mal jemand gesagt, frühkindliche Bildung sei die Königsdisziplin der Pädagogik. Ich würde mich und meine Kolleginnen als Frühpädagogen bezeichnen. Sie müssen in diesem Beruf den Mut zur Nähe haben, in einer Tagesstätte wird ganz viel über persönliche Beziehungen erarbeitet. Gleichzeitig muss man eine gesunde Distanz bewahren.
Was meinen Sie damit?
Scholz: Wenn ein Kind hinfällt, dann tröste ich es natürlich. Gleichzeitig muss ich spüren können, dass ihm diese Nähe vielleicht unbehaglich ist und mich dann zurückziehen. Es bedarf sehr viel Empathie, um die Bedürfnisse eines Kindes erspüren zu können.
Dürfen Kinder im Kindergarten heutzutage noch spielen oder werden sie durchweg „beschult“?
Scholz: Nein, nein, das freie Spielen bleibt das wichtigste Element im Tagesablauf. Die Kinder sollen die Welt entdecken. Wir geben allenfalls Anregungen. Erzieherin zu sein ist ein ganz toller, aber auch anspruchsvoller Beruf. Dafür wollen wir die Gesellschaft mit unserem Streik sensibilisieren. Der Stellenbedarf wird in Zukunft weiter ansteigen. Wenn dann wegen der schlechten Bezahlung die Fachkräfte fehlen, ist die Katastrophe vorprogrammiert.