Hagen. . Die Nachfolge von Ivo Grünhagen ist geregelt: Vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrates wird Christoph Köther das Vorstandsamt übernehmen.
Christoph Köther, Geschäftsführer der Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG), wird die Nachfolge von Enervie-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen antreten. Der 56-Jährige, ein ausgewiesener Finanzfachmann mit energiewirtschaftlicher Erfahrung und eng vertraut mit den aktuellen Enervie-Prozessen, soll nicht bloß als Interims-Lösung gelten, sondern einen offiziellen Fünf-Jahres-Vertrag erhalten.
Nach Informationen dieser Zeitung hatten bereits in der vergangenen Woche neben den maßgeblichen kommunalen Anteilseignern aus Hagen und Lüdenscheid auch die Arbeitnehmervertreter, der private Anteilseigner Remondis, aber auch die Banken signalisiert, dass sie diese Personalie unterstützen würden. Köther selbst, der gestern noch zu keiner Stellungnahme bereit war, hatte nach der Aufsichtsratssitzung am vergangenen Freitag sich über das Wochenende noch einmal Bedenkzeit zu diesem Schritt auserbeten und letztlich am Sonntagnachmittag dem Enervie-Aufsichtsratsvorsitzenden Erik O. Schulz seine endgültige Bereitschaft signalisiert. Am gestrigen Montag erhielt der Oberbürgermeister für seinen Vorschlag letztlich die einstimmige Unterstützung des Enervie-Präsidiums.
Schon 2008 Grünhagen-Nachfolger
Christoph Köther hatte zum 1. August 2008 Ivo Grünhagen bereits als HVG-Chef beerbt und dort den eingeschlagenen Sanierungskurs erfolgreich fortgesetzt. Dabei gelang es ihm in den vergangenen Jahren nicht bloß, das 30-Millionen-Euro-Projekt Westfalenbad erfolgreich an den Start zu bringen und die prognostizierten Besucherzahlen auch in der Realität zu erzielen, sondern ebenso das Defizit im Bus- und Bäderbetrieb weiter zu minimieren. Der gebürtige Essener, Vater zweier erwachsener Kinder, lebt mit seiner Frau inzwischen in Hagen. Seine berufliche Laufbahn führte den langjährigen Geschäftsführer der RWE Trading GmbH in Essen zunächst nach Cottbus. Dort setzte er bei den von einer Insolvenz bedrohten, örtlichen Stadtwerken ein konsequentes Sanierungsprogramm einschließlich betriebsbedingter Kündigungen um.
2014er-Bilanz wird erst im Juni beschlossen
Nachdem das Enervie-Präsidium der Bestellung von Christoph Köther bereits seine Zustimmung signalisiert hat, soll der Enervie-Aufsichtsrat den Personalvorschlag von Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef Erik O. Schulz am kommenden Montag, 4. Mai, absegnen.
Erst im Juni, so die aktuelle Taktung des Enervie-Aufsichtsrates, werden die Anteilseigner die 2014er-Bilanz beschließen. Damit verschiebt sich die Enervie-Hauptversammlung in den August.
Ob und in welchem Umfang es bei Enervie im Rahmen des bevorstehenden Restrukturierungsprozesses ebenfalls so weit kommen muss, hängt vorzugsweise von den Bankengesprächen ab, die gestern in der Unternehmenszentrale auf Haßley fortgesetzt wurden. Noch sichten die Unternehmensberater von Roland Berger nach dem alarmierenden und von allen drei Vorständen unterzeichneten Banken-Memo zum Finanzbedarf des heimischen Energieversorgers mit Akribie die internen Wirtschaftsdaten der AG. Auf Grundlage dieser Fakten soll die künftige Konzern-Strategie in einem engen Schulterschluss der Anteilseigner mit den Banken sowie dem künftigen Vorstandssprecher entwickelt werden. Insider berichten, dass zunächst bis August eine Stillhaltevereinbarung gilt, bis im Aufsichtsrat über die nächsten konkreten Weichenstellungen entschieden wird.
Fokus auf der Bilanz 2014
Zunächst steht jetzt der Jahresabschluss 2014 im Fokus. Dieser wurde zuletzt von dem vom Aufsichtsrat eingesetzten Finanzausschuss unter Vorsitz von Christoph Köther und dem inzwischen mit einem Aufhebungsvertrag ausgestatteten Vorstand Ivo Grünhagen ausgesprochen kontrovers diskutiert: Während Grünhagen auf ein schmerzliches Jahr der Bereinigung als Konsequenz auf die Energiewende-Verwerfungen setzte, favorisieren die Anteilseigner einen sanfteren Restrukturierungskurs, der den Anteilseignern auch mittelfristig wieder Dividendenausschüttungen in Aussicht stellt.
Neue Bilanz-Kennzahlen
Hier ist es jetzt dem Abstimmungsprozess mit den Banken geschuldet, inwieweit sich diese Weichenstellungen umsetzen lassen. Zuletzt wurden im Aufsichtsrat Eckdaten genannt, die die Krise der Enervie ein wenig hoffnungsvoller erscheinen lassen. So wird das Konzernergebnis voraussichtlich bei einem Minus von 116 Millionen Euro liegen, hier war zuletzt sogar von -131 Millionen Euro die Rede. Positivere Zahlen ergeben sich offenbar auch beim Blick auf die wirtschaftliche Eigenkapitalquote: Während unter Grünhagen für das Jahr 2015 noch ein bedrohlicher Wert von 4,8 Prozent prognostiziert wurde, ist inzwischen wieder von einer Eigenkapitalquote von 10,3 Prozent die Rede.
Ein Trend, der sich auch beim Liquiditätsbedarf abzeichnet. Das Banken-Memo hatte den Kreditgebern vor allem deshalb die Sorgenfalten auf die Stirn getrieben, weil darin für 2015 ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf von 130 Millionen Euro annonciert wurde. Inzwischen steht aufgrund strategischer Neubewertungen lediglich noch eine Extra-Kreditlinie von 60 Millionen Euro im Raum.