Hagen. . An der Belastungsgrenze hat die Hagener Stadtverwaltung unterstützt von Hilfsorganisationen die Regenbogenschule in eine Flüchtlingsunterkunft verwandelt.

Freitagnachmittag und die Hagener Stadtverwaltung steht unter Volldampf. Ein eher seltener Zustand. Doch 200 angekündigte Flüchtlinge aus dem Kosovo machen es notwendig, dass „der Tanker Stadtverwaltung echte Schnellboot-Qualitäten entwickelt“, wie Oberbürgermeister Erik O. Schulz den gestrigen Kraftakt umschreibt. Innerhalb von zwölf Stunden haben neben der Teppichetage des Rathauses die Mitarbeiter der Gebäudewirtschaft, Ordnungsamt, Personal- und Schulamt, Feuerwehr, Fachbereich Jugend und Soziales, Entsorgungsbetrieb, Sport- und Gesundheitsverwaltung gemeinsam mit Polizei, Technischem Hilfswerk und Deutschem Roten Kreuz die leer stehende Regenbogenschule an der Wilhelmstraße und Hohenlimburg in eine menschwürdige Unterkunft verwandelt. Erst um 17.15 Uhr – es fehlen nur noch die Waschmaschinen-Anschlüsse – erfahren alle Beteiligten, dass die Hilfesuchenden erst an diesem Samstag eintreffen.

Damit wird die Immobilie auf bislang unbestimmte Zeit zu einer Aufnahme-Zweigstelle des Landes NRW. Die Bewohner sollen bereits nach wenigen Tagen, spätestens nach zwei Woche auf die Kommunen verteilt werden. Noch zu Wochenbeginn hatte Sozialdezernentin Margarita Kaufmann den Bürgern in der Nahmer den Eindruck vermittelt, dass die Grundschule erst mittelfristig als Flüchtlingsunterkunft in Frage komme. Besten Gewissens. Doch mit dem Hilferuf von Regierungspräsident Gerd Bollermann am Donnerstagmorgen beim Oberbürgermeister wurde die Planung der Stadt pulverisiert: „Die Realität hat uns einfach rechts und links überrollt“, betont Schulz, dass der Verwaltung auf die Schnelle gar keine andere Wahl blieb. Baumarkt- und Turnhallen schienen der Stadt ungeeignet, um 200 Flüchtlinge in würdigen Verhältnissen unterzubringen. Auch die Jugendherberge an der Eppenhauser Straße oder die Evangelische Bildungsstätte in Berchum wollten die Ordnungsbehörden nicht einfach einkassieren.

200 Betten aufgebaut

„Wir mussten eine schnelle, praktikable Lösung finden“, wirbt Schulz darum, angesichts der Notlage jetzt auch nicht in politische Schwarzer-Peter-Spiele zwischen Bund, Land und Bezirksregierung einzusteigen. Seit Freitagmorgen stand ohnehin bloß noch die Lösung von Problemen im Vordergrund: „Wir haben bereits am Abend zuvor 200 Kissen und Decken aus Nottuln herbeigeholt“, erzählt Philipp Schäfer, der als DRK-Beauftragter der Stadt Hagen das 30-köpfige Team der DRK-Ehrenamtlichen führt. Die Katastrophen-Profis haben sich gestern gemeinsam mit THW und Freiwilliger Feuerwehr nicht nur um Abbau, Verladung und Wiederaufbau von 200 Betten gekümmert, die am Morgen noch in Unna standen. Sie werden die Kosovaren auch Schweinefleisch-frei bekochen und mit Hygieneartikeln aller Art versorgen. „Im Rahmen unserer Katastrophenschutz-Regelungen stehen aber auch Betreuungseinheiten der Malteser und Johanniter für die nächsten Tage parat“, betonte Hagens Feuerwehr-Chef Heinz Jäger.

Helfer mit Sprachkenntnissen sind willkommen

Christian Haase, Schulseelsorger des Hildegardis-Gymnasiums und Gründer der Gruppe „Hagen ist bunt“, ruft alle Mitbürger, die gute Serbisch- und Albanischkenntnisse haben, dazu auf, ihre Vermittlungsfähigkeiten bei der Arbeit mit den ankommenden Flüchtlingen einzubringen.

Wer gut Serbisch oder Albanisch spricht, darf sich gerne bei der Flüchtlingsberatung der Diakonie in Hagen melden, 306 462 044.

Die Gruppe „Hagen ist bunt“, entstanden aus der Facebook-Gruppe „Hagen gegen Pegida“, trifft sich künftig einmal im Monat, um über Themen wie zum Beispiel die Zuwanderung von Flüchtlingen zu sprechen und Lösungen zu diskutieren. Ansprechpartner ist Christian Haase.

Sind genügend Dolmetscher vorhanden, welche gesundheitspolitischen Vorkehrungen müssen getroffen werden, auf welche Infektionskrankheiten müssen sich die Krankenhäuser einrichten, ist genügend warme Kleidung griffbereit, gibt es ausreichend Waschgelegenheiten, wie lässt sich der Sichtschutz organisieren, um die Privatsphäre der Menschen zu wahren, und wie lässt sich auch die angrenzende Turnhalle (das Sportamt kümmert sich um Ersatz für die Vereine) adäquat herrichten? „Auf diesen Wust an Fragen mussten bis zum Abend praktikable Antworten gefunden werden“, erzählt Dezernent Thomas Huyeng. Auch ein Sicherheitsdienst ist geordert: Hier kümmert sich ein Profi-Unternehmen, unter dessen Obhut bereits ähnliche Einrichtungen in Dortmund und Leverkusen stehen.

Stadt in der Pflicht

Oberbürgermeister Schulz geht davon aus, dass die Stadt Hagen mit der Herrichtung dieser Aufnahme-Zweigstelle seiner Verpflichtung gegenüber dem Land zunächst genüge getan hat: „Wir dürfen die Menschen in ihrer Bereitschaft, Willkommenskultur zu leben, auch nicht überstrapazieren.“ Zumal die Stadt parallel weiterhin regelmäßig kommunale Flüchtlinge aufnimmt – allein an diesem Freitag waren es wieder 27.