Hagen. . Polizeipräsident Frank Richter lädt vier Familien aus Syrien mit ihren Kindern ins Präsidium ein. Eine besondere Begegnung für beide Seiten.
Ihm ist danach. Aras singt. Mit Wonne und mit Ausdauer. An Liedern fehlt es dem Knirps nicht. Seine Mutter, Mahmod Midya, kann ihren fast dreijährigen Sohn kaum bremsen. Und Hagens Polizeipräsident Frank Richter stört die muntere Begleitmusik nicht.
Im Raum 323 im Hagener Polizeipräsidium ist am Mittwochnachmittag alles anders. Kein Film über die Arbeit der Polizei, keine Dienstbesprechung. Vier Familien aus Syrien, elf Erwachsene und acht Kinder, reden mit Händen und Füßen, tauschen sich lebhaft mit den Ordnungshütern vielsprachig aus.
Mulmiges Gefühl
Auf Deutsch, Englisch, Kurdisch und Arabisch klappt die Verständigung, unterstützt von Händen und Füßen. Gelächter gibt es in der Runde bei der Suche nach dem arabischen Wort für Verwaltung. Das gibt es offenbar nicht.
Dass die Flüchtlinge auf dem Weg zur Polizei ein durchaus mulmiges Gefühl haben, geben sie freimütig zu. „Bei uns“, sagt Emine Ibrahimm, „hat man Angst vor den Polizisten. Man ist ihnen ausgeliefert und hat keinerlei Rechte. Sie haben keinen Respekt vor uns. “
In Deutschland ist es anders. Polizeipräsident Richter versucht, dies zu vermitteln: „Wir sind ihre Ansprechpartner. Probleme mit uns bekommen diejenigen, die sich nicht ans Gesetz halten. Mit der Nationalität hat das nichts zu tun.“ Und der 55-Jährige rät den Syrern, wenn sie Schwierigkeiten haben, „die 110 lieber einmal mehr als zu wenig anzurufen“. Dankbar nimmt es der Besuch zur Kenntnis. „Wir sind sehr froh und zufrieden, hier zu sein“, sagt die 33-Jährige.
"Ich werde Polizist"
Die Familien stammen alle aus Qamishli, Provinzhauptstadt der kurdisch-irakischen Grenzregion. Sie sind vor den anrückenden Kämpfern der Terrororganisation IS geflüchtet. „Von meinem Mann Mohammed leben noch viele Angehörige dort. Die Terroristen vergewaltigen Frauen und schlachten die Leute ab. Sie sind mittlerweilie in viele kleine Gruppen zersplittert.“ Und die Not bei der Bevölkerung sei groß. „Es gibt keinen Strom, kaum etwas zu essen.“
Mehr über ihr Schicksal und ihren Leidensweg ist bei diesem Treffen kaum zu erfahren. Wenn Erwachsene reden, werden die Kinder unruhig.
Dass sich die Mädchen und Jungen wie kleine Königinnen und Könige fühlen, als sie vorne im VW-Bulli Platz nehmen, ist spürbar. Das Blaulicht fasziniert, das Martinshorn ist in ihren Ohren Musik. Und der neunjährige Ibo weiß: „Ich werde Polizist.“
Angst vor der Polizei nehmen
„Wichtig ist es, nicht nur den Kindern, sondern auch den Eltern die Angst vor der Polizei zu nehmen“, sagt Regine Bredehöft von der Zuwanderungsberatung der Diakonie Mark-Ruhr. Sie hat den Besuch bei der Polizei mit organisiert. „Wenn die Polizei in die Unterkunft kommt, ist die Angst vor der Abschiebung groß.“ Dass der Nachwuchs sich so unbekümmert mit den Polizisten beschäftigt, sei es in der Leitzentrale oder im Streifenwagen, stimmt sie froh. „Das tut ihnen gut.“ Nichts anderes will Polizeipräsident Richter. Das Schicksal der Flüchtlinge lässt ihn nicht kalt: „Wir stehen an Ihrer Seite. Das ist eine Verpflichtung für uns.“
Und was macht Aras? Er summt und wiegt den Kopf. Hin und her.