Hagen. Bundestagsneuling Cemile Giousouf (CDU) und Platzhirsch René Röspel (SPD) pflegen ein kühles Verhältnis. Ein Jahr nach dem die Große Koalition ins Amt gekommen ist, trafen sich die beiden beim Redaktionsbesuch.

Genau ein Jahr ist es heute her, dass die Große Koalition in Berlin ins Amt gekommen ist. Seitdem arbeiten CDU/CSU und SPD – von jüngsten Scharmützeln abgesehen – geräuschlos zusammen. Wer allerdings befürchtet, dass auch die beiden Hagener Bundestagsabgeordneten zu sehr einen „Kuschelkurs” fahren, darf beruhigt sein: Parlamentsneuling Cemile Giousouf (CDU) und Platzhirsch René Röspel (SPD) pflegen ein kühles Verhältnis. Man könnte auch sagen: Beinahe ein Nicht-Verhältnis, denn nur höchst selten treffen sie überhaupt aufeinander. Einer der seltenen Momente war jetzt beim Redaktionsbesuch.

Dabei herrscht auf dem Papier fast durchgehend Einigkeit: René Röspel und Cemile Giousouf haben in der Regel im Gleichklang im Deutschen Bundestag abgestimmt: Ob jüngst beim Haushaltsplan 2015, ob bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes oder beim flächendeckenden Mindestlohn. Nur René Röspel hat sich kleine Abweichungen vom Koalitionskurs erlaubt. Etwa mit seinem Nein zur Diätenerhöhung. Oder sein Nein zur Verlängerung des Bundeswehreinsatzes gegen Piraterie. Der SPD-Mann hatte inhaltliche Bedenken, weil der Einsatz nicht mehr länger nur auf die See beschränkt war.

René Röspel sitzt seit 1998 im Bundestag

René Röspel (50) sitzt seit 1998 für die SPD im Bundestag – zuvor saß vier Jahre lang im Rat. Röspel hat stets das Direktmandat gewonnen, zuletzt mit 47,1 Prozent der Erststimmen.

Satte Mehrheit

War das Revoluzzertum? Röspel winkt ab: „In der großen Koalition gibt es solch eine satte Mehrheit, dass eine viel größere Zahl von Abweichlern die Mehrheit nicht gefährden würde.” Vor diesem Hintergrund weicht der in der Vergangenheit für die SPD-Führung nicht immer unbedingt pflegeleichte Hagener Abgeordnete höchst selten von der Fraktionsdisziplin ab. Das, so der 50-Jährige, falle ihm auch nicht schwer: „Der Großteil dessen, was wir in dem Jahr beschlossen haben, war SPD-Politik.” Dazu zählt Röspel den Mindestlohn, die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren mit 63 Jahren und die doppelte Staatsbürgerschaft.

Und da erntet er Kritik von Cemile Giousouf. Sie wirft Röspel und der SPD vor, gar nicht ihre Ziele bei der doppelten Staatsbürgerschaft durchgesetzt zu haben. Dabei hatte sie durchaus auf die Schützenhilfe der Sozis gehofft, weil sie innerhalb der CDU für eine weitergehende Regelung beim Staatsbürgerschaftsrecht steht. „De facto haben Sie Ihre Ziele nicht erreicht”, wirft sie Röspel vor. Der erwidert kopfschüttelnd, dass es ohne den von ihm auch nicht als ausreichend empfundenen Kompromiss keine Große Koalition gegeben hätte und damit auch keinen Mindestlohn.

Wahlversprechen angeblich umgesetzt

Cemile Giousouf nimmt dagegen für sich und die CDU in Anspruch: „Wir haben in großen Teilen unsere Wahlversprechen umgesetzt.” Es gebe mehr Investitionen in Bildung und vor allem: „Wir haben einen Haushalt ohne neue Schulden durchgesetzt.” Ein Ziel, das bei René Röspel nicht die oberste Priorität besitzt. Er hätte lieber einen Schwerpunkt bei Investitionen in Bildung und Infrastruktur gesetzt. Und den Haushaltsausgleich mit einer wieder eingeführten Vermögenssteuer und der Erbschaftssteuer finanziert.

Cemilie Giousouf, seit 2013 im Parlament

Cemile Giousouf (36) sitzt seit Oktober 2013 im Bundestag. Sie zog über die Landesliste der CDU in das Parlament ein. Sie ist damit die erste muslimische CDU-Abgeordnete für den Bundestag.

Cemile Giousouf hat auch durchaus damit sympathisiert, bisweilen vom Koalitionskurs abzuweichen. Sie hat die Runde der „Jungen Wilden” um den CDU-Politiker Jens Spahn besucht, die gegen die Rente mit 63 Opposition bezogen hatte. Letztlich hat die 36-Jährige doch zugestimmt, aber sie sagt: „Jeder Abgeordnete hat seinen eigenen Kopf und entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen. Die kritische Auseinandersetzung erwarten die Wähler auch.”

Beide im gleichen Fachausschuss

Es ist seit vielen Jahren das erste Mal, dass Hagen wieder von zwei Abgeordneten der großen Volksparteien vertreten wird. Über Jahre war SPD-Mann Röspel der Einzige. Da wirkte es schon verwunderlich, dass sich nach der Bundestagswahl 2013 die Beiden auch noch gleiche Fachgebiet ausgesucht haben: Sowohl Röspel als auch Giousouf sitzen im Bundestagsausschuss für Bildung und Forschung. Der SPD- Mann schon seit Jahren („Das ist nun mal meine Neigung”), die CDU-Frau seit Anfang des Jahres („Spannende Themen, die für den Wahlkreis wichtig sind”). Doch auch hier haben sie wenige Berührungspunkte. Sie beackern unterschiedliche Spezialgebiete, allenfalls wenn es um die Fernuniversität Hagen geht, sitzen sie in einem Gremium.

Keine regelmäßigen Treffen

Wird es denn in Zukunft ein engeres Miteinander der Hagener Abgeordneten geben? Cemile Giousouf will es nicht ausschließen, weiß aber: „Wir kennen uns zu kurz. Das braucht Zeit. Wenn es Hagen hilft, stehe ich mit Herrn Röspel zusammen. Aber ich streite mich auch gern mit ihm über bessere Lösungen.”

Und René Röspel ist generell skeptischer: „In der Bundespolitik gibt es nicht das Projekt, das man gemeinsam nach Hagen holen könnte.” Das sei oft anders als in der Landespolitik. „In Berlin können wir nur günstige Rahmenbedingungen für Hagen schaffen - und dafür braucht es eine breitere Zusammenarbeit als nur zwischen den Hagener Abgeordneten.”