Hagen. . Acht Stellen werden am Ballett Hagen frei. 600 Tänzerinnen und Tänzer aus der ganzen Welt haben sich darauf beworben. 110 von ihnen wurden jetzt zum Vortanzen eingeladen.
Sie sind jung, begabt und wollen nur eins: tanzen, wenn möglich in Hagen. Hoch droben unter dem Dach des Theaters Hagen geht es vor verspiegelten Wänden an diesem 2. Adventssonntag um Träume, Sehnsucht und Karriere. Acht Stellen muss Ballettdirektor Ricardo Fernando neu besetzen; 600 junge Tänzerinnen und Tänzer haben sich darauf beworben. 110 vielversprechende Talente sind von Fernando mit seiner Frau und Assistentin Carla Silva zur Audition eingeladen worden.
Im Ballettsaal trifft sich die Spitze auf Spitzenschuhen. Er wird zum internationalsten Ort in Südwestfalen, holt die ganze Welt an die Barre. Denn die Kandidaten sind aus allen Ländern dieser Erde angereist, in der Hoffnung, im Hagener Ballett eine neue Heimat zu finden. So wie Eri aus Japan, die derzeit an einer Bühne in Rumänien verpflichtet ist und sich auf eigene Kosten ins Flugzeug gesetzt hat. „Ich liebe es, in Europa zu arbeiten“, betont die 21-Jährige. In London hat sie studiert, nun wünscht sie sich ein Engagement in Hagen. In diesem Alter schon so weit weg von Zuhause? „Ja, das ist hart für meine Eltern, aber sie haben Verständnis für das, was ich machen möchte.“ Und warum ausgerechnet Hagen? „Ich habe die Einladung zum Vortanzen auf der Heimseite des Balletts im Internet gelesen. Man kennt die Compagnie Ricardo Fernando“, sagt sie.
Ballett Hagen ist eine Marke
Dieses Argument freut Ricardo Fernando natürlich ganz besonders. „Das zeigt, dass das Ballett Hagen eine Marke geworden ist“, betont der Ballettchef. „Wenn vor 10 Jahren, als wir hier angefangen haben, 70 Leute zum Vortanzen gekommen sind, war das schon viel. Die tänzerische Qualität, die wir hier bekommen, ist inzwischen eine hohe.“ Aus dieser Elite werden nun die Besten ausgesucht.
Eine Audition ist nichts für schwache Nerven. Die Tänzerinnen und Tänzer werden in Gruppen eingeteilt, dann leiten Carla Silva und Alfonso Palencia das Training unter den kritischen Augen des Ballettdirektors. Anschließend können die meisten Bewerber gleich wieder zum Bahnhof gehen. In der zweiten Runde geht es um klassisches Ballett und Repertoire, im dritten Durchgang ist es nur noch eine kleine Gruppe, die ihr Können im Improvisieren unter Beweis stellen soll. Am Ende haben fünf Herren und drei Damen einen Vertrag in Aussicht.
Vortanzen fürs Ballett in Hagen
Hilario Frigione aus Italien absolvierte seine Ausbildung an der von Maurice Béjart gegründeten École-atelier Rudra in Lausanne. Nun möchte der 21-Jährige gerne zu den Auserwählten gehören, erzählt er, während er sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen warm macht. Ricardo Fernando hat die Spielstätte Opus für die 110 Bewerber reserviert, dort können sie sich umziehen, vorbereiten und nach der meist weiten Anreise zur Ruhe kommen. „Vortanzen ist ein großer Stress“, weiß Fernando noch aus seiner Zeit als junger Tänzer.
Von Malaysia nach Hagen
„Die Ballettszene ist von allen Theaterberufen am meisten in Bewegung“, schildert der Ballettdirektor die Situation auf dem Stellenmarkt. „Viele bleiben nur rund drei Jahre in einer Compagnie und suchen dann den Wechsel.“
So wie Nakamura Toshitaka. Der 22-Jährige hat mit 14 Jahren seine japanische Heimat verlassen, um Tanz zu studieren. Derzeit ist er in Pforzheim engagiert. „Ich bin sehr interessiert, in der Hagener Truppe zu arbeiten, sie hat einen sehr guten Ruf“, sagt er.
Carla Silva gibt zum Auftakt des Trainings die Losung vor: „Entspannt Euch und gebt Euer Bestes.“ Und Ricardo Fernando warnt davor, mit Kunststückchen aus der Masse heraus auffallen zu wollen. „Versucht, Ihr selbst zu sein.“
Jia Xi Lee aus Malaysia hat im Internet von der Audition erfahren, und zwar in London, wohin sie zur Ausbildung gezogen ist. „Von meinen Lehrern habe ich viel von der Hagener Compagnie gehört“, erklärt die 21-Jährige, warum sie ein Ticket für den Eurostar gebucht hat, um in Hagen ihre Kunst vorführen zu dürfen.
„Wir suchen gute Tänzer, damit wir gute Choreographen einladen können“, begründet Ricardo Fernando die strenge Auswahl. Die Auszeichnung mit dem Deutschen Tanzpreis in der Kategorie Anerkennungspreis hat den Ruf des Ballettdirektors noch einmal zusätzlich bekannt gemacht. „Hagen ist im Moment ein Top-Name und eine Top-Adresse. Wir haben nur zu gewinnen. Ich blicke sehr positiv in die Zukunft.“