Hagen. . Im Interview beklagt Rudolf Hamm, 2. Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Hagen, den zunehmenden Antisemitismus. Der 71-Jährige erklärt auch, warum die DIG nach einer langen Phase der Passivität in der Volmestadt wiederbelebt werden soll.

Rudolf Damm (71) ist zweiter Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Hagen, deren Vereinstätigkeit nach einer langen Phase der Passivität neu aufgenommen werden soll.

Warum war die Gesellschaft drei Jahre lang nicht aktiv?

Rudolf Damm: Das ist auf die Krankheit unseres Vorsitzenden Arno Neumann zurückzuführen. Er ist jetzt 85 und kann nicht mehr so tatkräftig sein. Zuletzt haben auch keine Vorstandssitzungen mehr stattgefunden.

Und warum soll die Gesellschaft jetzt wiederbelebt werden?

Damm: Das hängt mit der politischen Lage im Nahen Osten zusammen. Unsere Gesellschaft kümmert sich ja um die Beziehungen zu Israel und setzt sich mit der israelischen Politik auseinander. Ich wünsche mir einen Dialog, in den auch Kritiker der Politik Israels eingebunden sind. Übrigens bin ich selbst keineswegs einverstanden mit dem Vorgehen der Regierung von Ministerpräsident Netanjahu.

Was setzen Sie daran aus?

Damm: Die Siedlungspolitik, die Netanjahu forciert, ist kontraproduktiv. Er versucht erst gar nicht, Kompromisse mit den Palästinensern zu schließen oder sich einmal deren Bedürfnisse zu vergegenwärtigen. Andererseits beunruhigt mich, dass die Organisation Hamas die Vernichtung des Staates Israel und die Vertreibung seiner Einwohner als oberstes Ziel ausgibt.

Glauben Sie denn, dass eine Verständigung möglich ist?

Damm: O ja, die meisten Israelis und Palästinenser sehnen sich nach Frieden. Im wirtschaftlichen, intellektuellen und künstlerischen Bereich gibt es ohnehin viele Beziehungen zwischen beiden Völkern.

Haben Sie schon Pläne für zukünftige Aktivitäten der DIG?

Damm: Wir wollen uns regelmäßig treffen und jene Menschen unterstützen, die für Frieden im Nahen Osten eintreten. Sicherlich werden wir Vorträge veranstalten, auch solche, die Kontroversen auslösen könnten. So hat Ulrich Sahm vor einigen Jahren bei einem Referat im Sparkassen-Karree die Position der israelischen Regierung vertreten, woraufhin es zum Eklat und Diskussionen mit Zuhörern kam. Die Sparkasse hat uns übrigens seither nie wieder ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt.

Solidarität mit jüdischen Mitbürgern vor Hagener Synagoge gezeigt 

Wie beurteilen Sie die Megaphon-Affäre auf einer Palästinenser-Demo in Hagen?

Damm: Es hat mich sehr gestört, dass die Polizei den Demonstranten ein Megaphon zur Verfügung gestellt hat, durch das diese ihre israel-feindlichen Sprüche verbreiten konnten. Das hätte nie geschehen dürfen. Ich habe mich seinerzeit mit Gleichgesinnten vor der Hagener Synagoge getroffen, um unseren jüdischen Mitbürgern zu zeigen, dass wir zu ihnen stehen. Mich erschreckt der zunehmende Antisemitismus in Deutschland.

Woran machen Sie den fest?

Neumitglieder sind willkommen

Die Vereinstätigkeit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hagen soll auf einer Versammlung am Mittwoch, 19. November, um 20 Uhr im Friesen-Bahnwärterhaus, Haenelstraße 52, in Haspe neu aufgenommen werden.

Das Vorhaben ist mit dem Präsidium und der Bundesgeschäftsstelle der Gesellschaft in Berlin abgestimmt.

Neben Neuwahlen steht auch die Zusammenarbeit mit dem Förderverein Stolpersteine Hagen und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit auf der Tagesordnung.

Interessierte und Neumitglieder sind herzlich willkommen.

Damm: Ich bin Jahrgang 1943 und in einer Zeit aufgewachsen, in der sich die Situation, was das Verhältnis zu den Juden anging, stetig gebessert hat. Deutschland hat sich aus militärischen Konflikten herausgehalten und die Nazi-Vergangenheit, beginnend mit den Auschwitz-Prozessen und dann vor allem im Anschluss an den TV-Mehrteiler „Holocaust“, ehrlich aufzuarbeiten versucht. Vor allem im Schulunterricht ist das sehr gut gelungen.

Und heute ist das nicht mehr so?

Damm: Was den Nahost-Konflikt angeht, sehen viele Leute in Israel den alleinigen Übeltäter. Das erinnert mich doch sehr an ein Unwort aus der Nazi-Zeit: „Die Juden sind an allem schuld.“ Da hilft es auch nicht, dass die Israel-Kritiker betonen, sie hätten ja nichts gegen die Juden, nur gegen die israelische Politik. Nein, angesichts der Pauschalität der Anklagen wirkt diese Unterscheidung gekünstelt. Solange wir die Juden als Opfer der Nazis wahrgenommen haben, passten sie uns offenbar ins Konzept, aber der wehrhafte Jude, der für seinen Staat kämpft, ist uns ein Dorn im Auge. Das ist Antisemitismus.