Hagen. Nach der Kritik von Innenminister Ralf Jäger zur Weitergabe eines Polizeimegafons bei einer Demonstration Anfang August, erwägt die AfD-Fraktion im Rat Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Polizeipräsidenten. Die Hagener Polizei gibt Einblick, wie sie vor und während einer Demonstration agiert.

Rund sieben Wochen nach der Demonstration zum Thema „Free Palästina – Freiheit für Gaza“ in Hagen, bei der israelfeindliche Parolen („Kindermörder Israel“) durch ein Polizeimegafon skandiert wurden, ist die Demonstration und ihr netzgewaltiger Nachgang im Polizeipräsidium aufgearbeitet. Auch wenn Innenminister Ralf Jäger jüngst verlauten ließ, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei, „dafür zu sorgen, dass Veranstalter ihre Parolen verkünden können“, so erfolgte die Versammlung aus Sicht der Hagener Beamten unter den gleichen strengen Kriterien wie sie für alle Demonstrationen in Hagen angelegt werden. Steffen Leppla aus der Führungsstelle Gefahrenabwehreinsatz über Vorab-Szenarien und den rechtlichen Hintergrund des Megafon-Einsatzes.

Neutralität und größtmögliche Großzügigkeit

Es geht um eines der wichtigsten Grundrechte der deutschen Verfassung, wenn Polizei und Versammlungsleiter vor einer geplanten Demonstration zusammensitzen. „Wir“, sagt Steffen Leppla, „haben Sorge zu tragen, dass dieses Grundrecht in Anspruch genommen werden kann. Nicht der Inhalt ist für uns zunächst entscheidend, sondern der Schutz dieses Rechtes.“ Diese Maßgabe ziehe sich wie ein roter Faden durch die Versammlungsbegleitung der Polizei. Neutralität, größtmögliche Großzügigkeit. So lange die Rechte Dritter dabei nicht verletzt werden, halten sich die Beamten im Hintergrund.

Das ist ein schmaler Grat. Was ist erlaubt, was nicht? Was verstößt gegen geltendes Recht und was ist unflätig und vielleicht respektlos, aber nicht im Bereich eines Straftatbestandes? War der durch das Polizei-Megafon geschickte Ausruf „Kindermörder Israel“ eine Straftat? „Es gab keine Option, diese Aussage zu verbieten“, sagt Steffen Leppla, der darauf hinweist, dass auf der Liste der Ausrufe, die in einem Vorab-Szenario erdacht wurden, eben auch dieser Satz dabei war. Wenngleich er auch weiß, dass dieser Satz eine provokante Wirkung hat. Die Staatsanwaltschaft Hagen hat festgestellt, dass es keine Straftat ist, „Kindermörder Israel“ zu rufen.

Kooperative Vorgespräche 

Die Versammlung aufrecht erhalten, die Versammlung schützen – das sei das oberste Ziel, das die Polizei bei einer Demonstration verfolge. „Wir sind dabei kooperativer Partner“, sagt Leppla, „und im Rahmen unseres kooperativen Handelns haben wir auch ein Megafon an die Versammlungsleiterin gegeben. Auch, wenn ich Verständnis dafür habe, dass der damit getätigte Ausruf eine provokante Wirkung erzielen könnte, wäre es rechtlich fragwürdig gewesen, von der Polizei zu verlangen, ihr das Megafon wieder wegzunehmen. Damit hätten wir in ein Recht eingegriffen. Wir entscheiden nicht, wer was sagt. Es wäre sicherlich einfacher, einer politischen Linie zu folgen, anstatt Recht walten zu lassen.“

Exakt dieser Umstand sei es, der die Polizei bei vielen Versammlungen in den Zwiespalt zwischen rechtlich-korrektem Handeln im Inneren und einer in der Außenwirkung möglicherweise anders gedeuteten Handlungsweise bringe. „Niemand soll sich eingeschränkt fühlen in der Ausübung seines Rechts“, so Leppla, „aber die Rechte anderer sollen auch nicht verletzt werden.“

A und O ist Absprache im Vorfeld

Das A und O sei die Absprache im Vorfeld. So geschehen auch bei einer Demonstration kurdischer Bürger, die vor zwei Wochen durch das Stadtgebiet auf ihrem Weg nach Dortmund waren. Insgesamt sechs Behörden waren mit der Organisation beschäftigt und rund 80 Polizisten. Für eine Demonstration mit etwa 150 Teilnehmern.

Den schmalen Grat zwischen dem Schutz einer Versammlung und der politischen Korrektheit werde man auch in Zukunft mit sensiblem Vorgehen während des Einsatzes betreten. Ob man das Megafon bei einem ähnlichen Einsatz noch einmal weitergeben würde, das glaube man nicht.

Dienstaufsichtsbeschwerde

Unterdessen erwägt die AfD-Fraktion im Rat, Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Polizeipräsident Frank Richter einzulegen. Aus Sicht der Fraktion stelle das Verhalten Richters, der die Weitergabe des Megafons geduldet und das als deeskalierende Maßnahme verkauft habe, einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot der Polizei dar, der es darum gehen sollte, das Grundrecht auf friedliche Meinungsäußerung zu schützen. Das sei mit der Weitergabe des Mikrofons aber auch geschehen, wie Leppla erklärt. Der Ausruf sei vorher zwar als provokant, nicht aber als Straftat eingeordnet worden und im Rahmen „friedlicher“ Meinungsäußerung gestattet worden.