Fröndenberg. Vier alleinerziehende Frauen aus Fröndenberg erzählen, mit welchen Problemen sie im Alltag zu kämpfen haben. Regelmäßige Treffen helfen ihnen.
Kinder spielen auf der Wiese im Himmelmannpark, die Sonne setzt das Kettenschmiedemuseum in Szene. Direkt davor sitzen vier Frauen. Sie alle sind starke Einzelkämpferinnen. Sie sind Erzieherin, Lehrerin, Chauffeurin, Haushälterin und persönliche Assistentin in jeder Lebenslage – eben Mama und Papa in einer Person. Kurz: alleinerziehend.
Corona, Krieg, Inflation, steigende Energiekosten: „Was kommt als nächstes?“
„Ich bin stolz auf uns. Aber manchmal ist es einfach schwer“, sagt Silke Habekost (50, ein Kind) in die Runde. Sie geben einander Halt und helfen sich, wenn das System sie vergisst. Ulrike Oehm (53, zwei Kinder) zuckt mit den Schultern: „Wie sagt man so schön: Wir haben zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.“ Die aktuelle Preisentwicklung und die Inflation machen ihr Angst. „Ich kann nicht viel zurücklegen. Alles wird teuer, aber mein Lohn bleibt gleich.“ An die drohenden Nachzahlungen will sie lieber noch nicht denken.
Luxus, wie ein Urlaub, ist nicht drin. Und hoffentlich, ja hoffentlich, passiert nichts Ungeplantes; hoffentlich bleibt die Waschmaschine heil, das Auto funktionstüchtig. Sonst wird es eng. Enger als es ohnehin schon ist. Auch Sandra Schönig (49, ein Kind) teilt diese Angst. „Was kommt als nächstes?“, fragt sie sich. Corona, Krieg, Inflation. Irgendwie werde die Liste immer größer – und die Sorgen auch. Klare Aussagen der Politik wünschen sich die Frauen.
„Plötzlich wirst du nicht mehr eingeladen von Freunden“
Einmal im Monat kommen in Fröndenberg Alleinerziehende zusammen und tauschen sich aus. Den Treff hat Silke Habekost vom Familienbündnis 2010 gegründet. Damals aus der eigenen Not heraus, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte und sich neu sortieren musste. Plötzlich gehörte sie nicht mehr so richtig dazu.
„Ich weiß noch genau, wie sich das angefühlt hat“, sagt sie. „Plötzlich wirst du nicht mehr eingeladen von Freunden. Da sitzen ja sonst nur Pärchen und sie wissen nicht, wie sie mit dir umgehen sollen.“ Immer wieder müsse man sich erklären, wenn man es spontan doch nicht zu einem Treffen schafft, weil das Kind krank ist oder die Betreuung doch nicht wie geplant funktioniert.
Verzicht zugunsten der Kinder: Einsamkeit ist ein Problem
Ganz anders sei das beim Alleinerziehenden-Treff. Hier muss sich niemand rechtfertigen, denn alle haben ähnliche Probleme: Das Kind kann nicht in die Kita oder muss eher aus der Schule abgeholt werden. Babysitter sind zu teuer und die Großeltern ohnehin schon in das Betreuungskonstrukt eingebaut, damit es mit dem Job zeitlich überhaupt klappen kann. „Ich hatte dann immer ein schlechtes Gewissen, sie zusätzlich noch um Hilfe zu bitten“, sagt Silke Habekost. Und das Kind zum ersten Date mitnehmen, um vielleicht einen potenziellen neuen Partner kennenzulernen? Alle Frauen lachen. Kommt nicht infrage.
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Die Konsequenz: Absagen. Verzicht. Eine Form der sozialen Isolation. Ulrike Oehm nickt. Zehn Jahre lang habe sie auf ihre eigenen Hobbys verzichtet, als ihre Kinder noch klein waren. Und auch viele Verabredungen musste sie absagen. „Irgendwann“, erklärt sie, „wirst du dann einfach nicht mehr gefragt. Und ganz ehrlich? Ich kann es ihnen nicht einmal verübeln“.
Regelmäßige Treffen einmal im Monat
Der Treff gibt den Frauen Mut und baut auf. Es tut gut zu sehen, dass man mit seinen Problemen oder den alltäglichen Herausforderungen nicht allein ist. Über die Jahre hat sich der Treff etabliert – zu Hochzeiten vor Corona waren es rund 30 Mitglieder. Durch die Pandemie und städtische Umstrukturierungen sei alles ein wenig geschrumpft. Der alte Treffpunkt in der Windmühle steht nicht mehr zur Verfügung.
Momentan treffen sich die Frauen immer am vierten Dienstag im Monat an unterschiedlichen öffentlichen Orten ab 17 Uhr draußen. Mit Blick auf die kalte Jahreszeit zieht der Treff ins Allee-Café in der Winschotener Str. 2 bis 4. Jetzt sollen auch die Teilnehmerzahlen wieder nach oben gehen.
Auch Männer sind willkommen bei den regelmäßigen Treffen
Es sind nicht nur Frauen, die sich in Fröndenberg treffen, um sich auszutauschen. Silke Habekost und die anderen Teilnehmenden heißen jeden willkommen – ganz egal, ob Mann oder Frau. Und auch jene Menschen dürfen vorbeikommen, die zwar auf dem Papier nicht allein sind, trotzdem aber das Gefühl haben, alles alleine stemmen zu müssen. Wichtig ist Silke Habekost, dass es kein „Kuppeltreff“ ist. Und auch keine Rechtsberatung. Jede Mutter und jeder Vater hat eine eigene Geschichte, eigene Erfahrungen gemacht – von denen die anderen wiederum profitieren könnten.
„Es gibt für alles eine Beratungsstelle wie für Senioren oder Behinderte. Für Alleinerziehende gibt es nichts“, sagt Silke Habekost. Das sei ein Problem. Denn besonders dann, wenn man frisch allein ist, würden sich oft viele Fragen ergeben. Die Erfahrung haben auch andere Gruppenmitglieder gemacht. Ulrike Oehm musste lange und intensiv selbst recherchieren, ob und in welcher Form ihr als Krankenschwester mit Schichtsystem eine Randzeitenbetreuung zusteht – und wer dafür aufkommt. Denn mit den normalen Kindergarten-Zeiten war sie aufgeschmissen.
Doch in der Gruppe wird nicht nur über Ernstes geredet. Auch gemeinsames Lachen oder Ausflüge stehen auf dem Plan. Wer Lust hat mitzumachen, ist herzlich eingeladen, sich bei Silke Habekost telefonisch unter 0157/34265904 zu melden. Sie teilt Ort und Zeit mit. Und auch die eigenen Kinder dürfen zu den Treffen selbstverständlich mitkommen – und ausgelassen spielen.
Hintergrund: Der Verband allein erziehender Mütter und Väter Landesverband NRW, dem Silke Habekost angehört, hat das Dossier „Alleinerziehende unter Inflationsdruck“ (Fremdlink) veröffentlicht. Dort werden die Probleme Alleinerziehender noch einmal genau beleuchtet und thematisiert.