Gevelsberg. Seit 22 Jahren steht das ehemalige Kaufhaus in Gevelsberg leer. Stadtbücherei und Musikschule sind gesetzt, Bürger haben viele weitere Wünsche.

Eine Cocktailbar oder ein hochwertiges Bistro auf dem Dach des Rupprechthauses mit traumhafter Aussicht, ein Co-Work-Space für junge Existenzgründer, eine Begrünung des obersten Parkdecks, im Keller das Stadtarchiv und ein multifunktionaler Veranstaltungsraum auf einer der Etagen: Das sind nur einige der Ideen, die die vielen Besucherinnen und Besucher der Bürgerbeteiligung in Gevelsberg zu Papier brachten. Dass die Zukunft des ehemaligen Kaufhauses die Menschen bewegt, wird bei der Veranstaltung schnell deutlich. Und vor allem, dass sie mitbestimmen wollen, was in ihrer Innenstadt passiert.

Bei der Bürgerbeteiligung wurden wurden viele Ideen und Wünsche geäußert.
Bei der Bürgerbeteiligung wurden wurden viele Ideen und Wünsche geäußert. © WP | Carmen Thomaschewski

Chiara Pettineo ist 22 Jahre alt. Als Horten für immer schloss, war sie zwei Jahre alt. Das war im Dezember 2002. Auch wenn sie die Kaufhauszeiten nicht mitbekommen hat, interessiert sie das Gebäude sehr und vor allem, was damit passiert. Sie ist begeistert von dem Rundgang und die Einblicke in eine längst vergangene Zeit. Kleiderständer liegen noch in einer Ecke, alte Telefone mit Wahlscheibe stehen wie vergessen herum, ein Plakat, das auf den Ausverkauf im Jahr 1993 hinweist, hängt an einer Tür, die schon lange nicht mehr geöffnet wird. Erstaunt sind viele über die gute Substanz des Gebäudes, über die riesigen Flächen, insgesamt stehen hier 17.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Einig sind sich die meisten: Die Fassade, die so viel Licht wegnimmt, muss weg.

Cocktailbar mit Aussicht

Ein schickes Café würde sich Chiara Pettineo in dem alten Kaufhaus wünschen, so etwas wie Extrablatt oder Café Barcelona. Ein H & M würde ihr und ihren Freundinnen auch gefallen. Auch wenn es ein dm-Markt im Erdgeschoss schon gibt, warum nicht daneben ein Rossmann? Sie selbst arbeitet in dem Rossmann in Schwelm, und weiß, dass viele Kunden in Gevelsberg wohnen. Sie ist sich sicher, beide Drogeriemärkte können zusammen funktionieren. Sie weiß, ein Extrablatt werde sicherlich nicht nach Gevelsberg kommen, aber man könne es sich ja trotzdem wünschen.

12.000 Quadratmeter Fläche hat das Rupprechthaus in Gevelsberg.
12.000 Quadratmeter Fläche hat das Rupprechthaus in Gevelsberg. © WP | Carmen Thomaschewski

Eine Erkenntnis des Abends: Es ist überraschend, wie viele weiterhin auch Einzelhandel in dem geschichtsträchtigen Haus sehen. Die Kopie einer Anzeige hängt an einer Pinnwand, als die Gebrüder Rosenthal „die Eröffnung ihres der Neuzeit entsprechenden großen Geschäftshauses“ ankündigten. Das war 1900. Aus dem Schierferhaus wurde ein Hochhaus. Nach Merkur übernahm Horten und wurde zu einem der größten Kaufhäuser der damaligen Zeit. Mit einer Rolltreppe.

Hier gibt es exklusive Einblicke in das Rupprechthaus

1993 übernahm die Kaufring AG. Eigentümer war die Firma Rupprecht. 1994 kam das R auf das Gebäude.
1993 übernahm die Kaufring AG. Eigentümer war die Firma Rupprecht. 1994 kam das R auf das Gebäude. © WP | Carmen Thomaschewski

Die ist übrigens nicht mehr zu sehen, Platten decken die Lücke an, die der Ausbau hinterlassen hat. Auch die Aufzüge sind längst außer Betrieb. Doch das soll sich bald ändern. Bürgermeister Claus Jacobi gibt an diesem Abend einen Zeithorizont für die Sanierung. Ende des Jahrzehnts soll das umgestaltete Rupprechthaus Eröffnung feiern.

Ein Relikt aus der Vergangenheit.
Ein Relikt aus der Vergangenheit. © WP | Carmen Thomaschewski

In diesem Jahr noch sollen die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung als Grundlage für den Architektenwettbewerb dienen. Dieser ist die Bedingung dafür, die Fördermittel zu erhalten, erklärt Bürgermeister Claus Jacobi und spricht von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag. Nachdem der Entwurf für die Neugestaltung und Belegung des Hauses steht, werden die ersten Einzelmaßnahmen beantragt und umgesetzt. Gesetzt sind die Stadtbücherei und Musikschule, ein Familienbüro, das Jugendzentrum mit zwei Multifunktionsräumen, und auch der dm-Markt als Ankermieter soll bleiben. Doch was soll mit den anderen Flächen passieren? Es gibt einige Etagen und noch mehr Platz.

Etwa 100 Interessierte sind zur Bürgerbeteiligung gekommen.
Etwa 100 Interessierte sind zur Bürgerbeteiligung gekommen. © WP | Carmen Thomaschewski

Bewegte Kaufhausgeschichte

Es hängen viele Zettel an den Pinnwänden, eine Gastronomie auf dem Dach taucht darauf immer wieder auf. Auch Gerd Saretzki wünscht sich das. Aber hochwertig sollte es sein, wie in einer Großstadt. Er selbst hat viele Jahre in Köln gelebt, ist während der Pandemie nach Gevelsberg zurückgekehrt. Dachbegrünung schreibt er auf einen Klebezettel, außerdem, sagt er, müsse die Fassade weg, „die ist ein Tauben-Landeplatz“. Eine vorgehängte begrünte Fassade kann sich Andreas Lange vorstellen, die kühle das Innere um 5, 6 Grad ab. Nutzungsideen schreibt er nicht an die Wand, „Das meiste steht doch schon fest“, sagt er. Ein Altenheim hätte er sich vorstellen können, dann wären die Menschen mittendrin im Stadtleben. Doch die Politik habe sich schon früh festgelegt.

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2015 wurde von der SPD der Antrag gestellt, Musikschule, Stadtbücherei und Jugendzentrum an einem Ort zu bündeln. Daraus entwickelte sich später die Idee, aus dem Rupprechthaus ein soziokulturelles Zentrum zu machen. Von 2016 bis 2018 wurde das Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept Gevelsberg 2030 entwickelt, in dem das Rupprechthaus eine zentrale Rolle spielt. 2019 hat die Bezirksregierung Arnsberg dem Projekt zugestimmt und 35 Millionen Euro als förderfähige Kosten bewilligt. Danach sei Corona gekommen, und dann sei das Haus als Flüchtlingsunterkunft gebraucht worden. Es habe Stillstand gegeben, räumt Jacobi ein. Die Bürgerbeteiligung soll aber der Startschuss sein.

12.000 Quadratmeter Fläche hat das Rupprechthaus in Gevelsberg. 2022 wurde das Kaufhaus Horten geschlossen. Jetzt geht es darum, wie das leerstehende Gebäude in Zukunft genutzt werden kann. Eine Bürgerbeteiligung und ein Rundgang fanden jetzt statt.
12.000 Quadratmeter Fläche hat das Rupprechthaus in Gevelsberg. 2022 wurde das Kaufhaus Horten geschlossen. Jetzt geht es darum, wie das leerstehende Gebäude in Zukunft genutzt werden kann. Eine Bürgerbeteiligung und ein Rundgang fanden jetzt statt. © WP | Carmen Thomaschewski
Ein alter Aufzug.
Ein alter Aufzug. © WP | Carmen Thomaschewski

2026 könnte die erste Bau-Maßnahme starten. Bis dahin soll ein Teil des Gebäudes weiter als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden, im Erdgeschoss wird als Zwischennutzung der Wollwichtel im September eröffnen und die Stadt will ein Ladenlokal selbst nutzen, für Veranstaltungen wie die am Montagabend. Etwa 100 Interessierte waren dabei. Ein Tourismusbüro, eine Filiale für den Kinderschutzbund, ein Kino, eine Brauerei, ein Schuster, ein Minikaufhaus als multifunktionale Ladenzeile, ein Heimatmuseum, Anlaufstelle für Bedürftige. Die Liste der Möglichkeiten ist lang. Im Juli soll die Politik einen Beschluss fassen, und sich auf einige der Ideen festlegen. Berücksichtigt werden sollen auch die Ergebnisse der Onlinebefragung, die übrigens noch bis zum 13. Mai läuft.

Eine Bürgerbeteiligung fand im Rupprechthaus statt.
Eine Bürgerbeteiligung fand im Rupprechthaus statt. © WP | Carmen Thomaschewski

Und auch wie die Musikschule und die Stadtbücherei aussehen sollen, wurde gefragt. Bücherei-Leitung Stephanie Krohn freut sich auf den Umzug. Was sie von der Veranstaltung mitnimmt? Es soll viel Aufenthaltsqualität geben, eine gemütliche Atmosphäre geschaffen werden, mit viel natürlichem Licht, es soll eine günstige Möglichkeit geben, sich mit Getränken und Snacks zu versorgen, außerdem soll es ein Kleinkindbereich und viele Lesungen geben und Platz zum Lernen.

Hier gibt es einen Kommentar zur Veranstaltung

Bürgermeister Claus Jacobi begrüßte die Bürgerinnen und Bürger, an den Workshops nahm er nicht teil.
Bürgermeister Claus Jacobi begrüßte die Bürgerinnen und Bürger, an den Workshops nahm er nicht teil. © WP | Carmen Thomaschewski

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Auch Musikschulleiterin Dagmar Tewes hörte sich an, was die Menschen zu sagen haben: Schnupperangebote, ein Konzertraum, ein Tonstudio, Barrierefreiheit und ein Raum für verschiedene Musikrichtungen „Vieles davon haben wir schon“, sagt sie. Die gewünschte Barrierefreiheit wird es im Rupprechthaus geben. Wie so vieles andere.