Ennepetal. Weil ein Millionendefizit droht, muss Ennepetal massiv sparen – auch beim Personal. Der Hauptausschuss diskutierte kontrovers über das Thema.

„Diese Vorlage ist nicht nur vom Umfang her einmalig“, sagte Tim Strathmann, Beigeordneter, Kämmerer und Personaldezernent der Stadt Ennepetal, in der Sondersitzung des Hauptausschusses zu Stelleneinsparungen in der Verwaltung. Mehr als 65 Stellen umfasst die Liste der möglichen Streichungen oder Reduzierungen (wir berichteten). „Klar ist, dass alle Einsparungen beim Personal irgendwelche Konsequenzen haben werden“, betonte Strathmann und stellte erneut klar, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde.

Man habe sich in der Verwaltung nicht leicht getan mit der Erstellung der Vorlage, sagte der Personaldezernent. Letztlich habe man alle Stellen aufgeführt, die wegfallen könnten, „ohne dass alles zusammenbricht“. Würden alle möglichen Maßnahmen umgesetzt, könnte die Stadt dadurch jährlich fast 5 Millionen Euro Personalkosten einsparen – in voller Höhe käme diese Summe allerdings erst zum Tragen, wenn die letzte der aufgeführten Stellen nicht mehr besetzt ist.

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Im Hauptausschuss herrschte über eine Frage Einigkeit: Es sei zu früh, schon jetzt über die einzelnen Stellen zu sprechen. „Wir werden heute keine Entscheidung treffen können und wollen“, betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Heymann. „Wir wollen uns erst einmal den Doppelhaushalt angucken und dann schauen, was an Investitionen geplant ist, was an Schließungen und Rückbau darin steht und dann das Personal anpassen.“ Kämmerer Tim Strathmann wird am Donnerstag seinen Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2024 und 2025 in den Rat einbringen. Er rechnet für beide Jahre unverändert jeweils mit einem Defizit von etwa 15 Millionen Euro.

Kritik an Zeitpunkt der Beratung

Kritisch äußerte sich SPD-Fraktionschef Volker Rauleff dazu, dass die Verwaltung die Vorlage so früh vorgelegt habe. „Wir halten den Zeitpunkt für verkehrt. Das ist ein sehr sensibles Thema, ich hätte noch abgewartet.“ Es sei seiner Meinung nach zu wenig, die Pläne für den Stellenabbau nur in einer Belegschaftsversammlung mitzuteilen. „Wir erwarten von der Führung und den Fachbereichsleitern, dass sie in die Abteilungen gehen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sagen, wie sie sich das vorstellen.“ Bürgermeisterin Imke Heymann hielt dem entgegen, dass die Fachbereichsleiter bereits in Gespräche gegangen seien, insbesondere zu Stellen im Zusammenhang mit freiwilligen Leistungen, die als erste von Streichungen bedroht sind. Carsten Michel erklärte für den Personalrat, dass der Wunsch der Belegschaft sei, so schnell wie möglich Klarheit zu bekommen. Michel wies aber auch darauf hin, dass in den nächsten zehn Jahren 40 Prozent der Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand gingen. „Wir müssen daher sehen, dass wir unser gut ausgebildetes Personal halten.“

„Uns ist klar, dass wir Personal einsparen müssen. Aber wir wissen noch nicht, was wir an Investitionen tätigen, daraus ergeben sich allein schon viele Einsparungen“, führte Rauleff weiter aus. Daniel Heymann meinte dagegen: „Einen guten Zeitpunkt, ein solches Thema anzusprechen, gibt es nicht. Die Diskussion muss geführt werden, denn die einzige nennenswerte Stellschraube bei den Kosten sind eben die Personalkosten.“ Entscheidend sei, dass bei allen Fraktionen die Information ankomme, dass es nicht reichen werde, drei oder vier Stellen einzusparen. „Einen großen Teil der Vorschläge werden wir umsetzen müssen“, meinte der CDU-Fraktionschef.

Daniel Böhler, Vorsitzender der FDP-Fraktion, sagte, dass seine Fraktion die Stoßrichtung richtig finde, die Verwaltung zu verschlanken. Er kritisierte aber, dass man gewissermaßen das Pferd von hinten aufzäume. „Der Weg ist für uns nicht überzeugend. Wir brauchen ein moderneres Personal- und Aufgabenmanagement.“ Notwendig seien effizientere Prozesse. Auch Rolf Hüttebräuker lobte: „Das, was die Verwaltung zu Papier gebracht hat, ist hervorragend. Es zeigt aber auch, wie groß die Not und der Druck sind, etwas zu machen.“ Auch er meinte, dass die Verwaltung effizienter werden müsse.

Beschluss erst im Juni

Die Bürgermeisterin hielt dem entgegen, dass die Digitalisierung für sie ein großes Thema gewesen sei, als sie 2015 die Verwaltungsleitung übernommen habe. Man habe Prozesse minimiert und Schritte gestrichen – dann seien Land oder Bund gekommen und hätten sich wieder etwas Neues überlegt, was man den Kommunen auferlegt. „Im Vergleich zu anderen Städten sind wir im Bereich der Digitalisierung extrem weit vorn“, sagte sie. „Wir haben viel Personal“, meinte sie, „wir leisten aber auch etwas.“ Man werde weiter schauen, wie die Verwaltung verschlankt werden könnte, „aber das wird uns allen weh tun, in der Verwaltung, im Rat und bei den Bürgern.“

Sven Hustadt (Die Linke) legte Wert darauf, dass man nicht dort sparen dürfe, wo anschließend höhere Folgekosten drohen würden. „Gerade beim E-Government zu sparen, wäre keine so gute Idee.“ Und durch eine personell vernünftig ausgestattete Sozialarbeit ließen sich Kosten vermeiden für später zu behandelnde Fälle. Ebenso sei es nicht sinnvoll, beim kommunalen Ordnungsdienst zu sparen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Prof. Kurt Bienert, stellte fest: „Es ist wie in der Wirtschaft: Es geht um eine klassische Sanierung.“ Aus einer solchen Situation herauszukommen, sei unglaublich schwierig. Man stehe vor der Frage: ,Was wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern anbieten, in den nächsten zehn Jahren?‘“ Entscheiden könne man über das Personal aber erst, wenn man das Ziel kenne. Deshalb sei es wichtig, sich früh mit den Investitionen auseinanderzusetzen.

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Anita Schöneberg (SPD) meinte, dass es um die Zukunftsfähigkeit dieser Stadt gehe. „Am Ende des Tages bin ich überzeugt, dass wir die Enden zusammenbekommen werden.“ Imke Heymann unterstrich Schönebergs Appell, den Bürgerinnen und Bürgern genau zu erklären, was die Stadt plane und unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung arbeite. Einen Beschluss fasste der Hauptausschuss nicht. Zunächst soll in den Fachausschüssen über die jeweiligen Stellen beraten werden. Am 4. Juni soll dann der Hauptausschuss über den Etat, das Haushaltssicherungskonzept und das Personalwirtschaftskonzept beraten, bevor der Rat zwei Tage später das letzte Wort hat.