Schwelm. Millionen fließen in Schwelm nun in bezahlbaren Wohnraum. Das planen die Investoren, das erwartet die Mieter.
Als der schwarze Audi A8 der Ministerin von dem Chauffeur zwischen die heruntergekommenen Häuserfronten rollt, verzerrt er das gewohnte Bild der Wohnblocks an der Ecke Möllenkotter Straße und Hauptstraße in Schwelm. Irgendwie wirken die feinen Anzüge, die teuren Schuhe, die akkuraten Frisuren und der Champagner zum Anstoßen wie Fremdkörper in einer Ecke von Schwelm, wo diejenigen leben, die noch nicht einmal in der Nähe der feinen Gesellschaft sind. An diesem Tag jedoch stehen sie und ihre Zukunft plötzlich im Mittelpunkt. Denn die völlig sanierungsbedürftigen Sozialwohnungen mit ihren vielen Angsträumen sollen mit einem Invest von zwölf Millionen Euro endlich wieder auch denjenigen, die sich am unteren Ende der Gesellschaft befinden, ein lebenswertes Wohnumfeld bieten.
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Die große Wohnanlage gammelt seit Jahrzehnten vor sich hin. In die Tiefgarage trauen sich einige Anwohner schon am helllichten Tag gar nicht hinein. Die Spielplatzgeräte sind zerstört, die Fassadenplatten bröckeln, Teile liegen im Spielplatzsand. In den Treppenhäusern liegt ein Gemisch aus altem Rauch und Schimmelgeruch in der Luft. Etwas, das aus zahlreichen der Bestandswohnungen zieht, denn Schimmel ist ein schwarzes, raumgreifendes Thema. All das will John Bothe, Geschäftsführer der Grund und Grün Immobilien, die die Wohnblocks gekauft hat, bis Ende des kommenden Jahres geändert haben. Ein Vorzeigeprojekt für das ganze Bundesland, das eben dieses mit 10,3 Millionen Euro fördert, weshalb Ina Scharrenberg, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, sich die Immobilien in Schwelm vor Ort anschaute und gleich den millionenschweren Förderbescheid in der Tasche hatte.
Kurz zur Geschichte der Wohnanlage: Nach dem Tod der Eigentümer gingen die zahlreichen Blocks an eine 16-köpfige Erbengemeinschaft über. Während zwei der Mehrfamilienhäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, und so aus dem Gesamtpaket vor einigen Jahren herausfielen, war es kaum möglich, unter den zahlreichen Erben, einen einheitlichen Kurs zum Erhalt der restlichen Anlage zu finden. In den Häusern, in denen ausschließlich Menschen leben, die einen Wohnberechtigungsschein haben, passierte in der Folge nichts. Nun haben sich die Erben allerdings auf den Verkauf des Gesamtkomplexes geeinigt, unter zahlreichen Interessenten bekam Grund und Grün den Zuschlag.
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„Wir haben hier 147 Wohnungen, von denen aktuell 41 leer stehen. Wir werden umfassend sanieren, wir werden die Lebensqualität deutlich anheben“, sagt John Bothe. Was er damit meint, ist bereits in einer Musterwohnung zu sehen. Der scheußliche Charme der späten 60er-Jahre ist einem modernen, barrierearmen Bad gewichen, der Linoleum-Boden durch Vinyl und Laminat ersetzt. Die gammeligen Fenster und Balkontüren wurden durch zeitgemäße ausgetauscht. „Wir werden die 41 leerstehenden Wohnungen im Bestand sanieren“, sagt John Bothe. Einige Mieter würden wohl aus ihren Wohnungen dann in die neuen umziehen, so dass die Möglichkeit besteht, die weiteren Wohnungen sukzessive auch auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen.
In allen 147 Wohnungen werden im laufenden Betrieb ab Ende diesen Jahres die Fenster getauscht. Die Fassaden aller Häuser – dem Baujahr gemäß mit Asbest belastet – tauscht der Eigentümer aus und lässt sie mit zusätzlicher Dämmung energetisch aufrüsten. Die Gebäude- und Heiztechnik in den Häusern soll teilweise ersetzt und durch klimafreundliche Luft-Wasserwärmepumpen und eine unterstützende Gas-Hybridheizung ausgetauscht werden. Die Dachflächen werden ebenfalls saniert und mit Photovoltaikmodulen ausgestattet. Auch die Aufzugsanlagen werden ausgetauscht und die Außenanlagen sollen grüner neugestaltet und mit modernen Spielplätzen ausgestattet werden. Ergänzend wird die Tiefgarage saniert und mit einem neuen Beleuchtungs- und Sicherheitskonzept ausgestattet. Mit diesen Maßnahmen soll der bestehende Leerstand sukzessive abgebaut und vor Vermietung barrierearm saniert werden. Die Arbeiten sollen Ende 2024 abgeschlossen sein.
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Ziel: 70 Prozent CO2 ( entspricht etwa 465 Tonnen pro Jahr) – und 65 Prozent des bisherigen Energieverbrauchs – (entspricht etwa 137.200 kWh pro Jahr) sollen in den Wohnungen zwischen 45 und 90 Quadratmetern eingespart werden. Das hat für den Staat, der hier sämtliche Mieten und Heizkosten bezahlt, zwei Folgen: Die Kaltmiete wird von bisher 5,20 Euro pro Quadratmeter auf 6,60 Euro klettern. Das ist das Maximum, das Vermieter für öffentlich geförderten Wohnraum aufrufen dürfen. Aber: „Die Nebenkosten liegen bei Strom und Gas bei fast sechs Euro. Das stellt die Bewohner und die Kommune vor fast unlösbare Probleme. „Nachdem wir das Objekt angekauft haben, haben wir deshalb mit der Vorbereitung der Sanierungsarbeiten begonnen. Die durch die energetische Sanierung erreichten Energieeinsparungen werden zu einer erheblichen Reduzierung der Nebenkosten beitragen. Ziel ist eine Senkung der Warmmiete. Wir freuen uns, mit den geplanten Maßnahmen die Wohnqualität für die Bewohner nachhaltig zu erhöhen.“, sagt John Bothe.
Ministerin Ina Scharrenbach, Landrat Olaf Schade, Bürgermeister Stephan Langhard und der Schwelmer Beigeordnete Marcus Kauke zeigten sich angetan von den Sanierungsplänen, die einen Schwelmer Schandfleck in ein schmuckes Quartier verwandeln sollen. Eine Sache bleibt allerdings bestehen, damit die Fördermillionen überhaupt fließen: Die Wohnungen sind weiterhin nicht auf dem freien Markt, sondern denjenigen vorbehalten, die einen Wohnberechtigungsschein haben.
Die Anwohner schauten dem Treiben der schicken Gäste zum Teil von ihren Balkonen aus zu, unterhielten sich in vielen unterschiedlichen Sprachen über das, was da vor sich geht und die meisten freuen sich bereits darüber, dass ihr Wohnumfeld eine derart gravierende Aufwertung erfährt.
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