Ennepetal. Ein Radfahrer (56) stürzte, weil er in ein Seil gefahren war, das einer Rinderherde den Weg in ihren Stall wies. Unfall oder Straftat?
Urplötzlich wird der 56-Jährige aus dem Fahrradsattel gehoben und landet auf dem Asphalt. Warum? Das begreift der verletzte Radfahrer, der in ein über die Straße gespannte Seil gefahren war, erst gar nicht. Das Seil hatten zwei Mitarbeiter eines Ennepetaler Bauernhofs gespannt, die der Radfahrer postwendend anzeigt. Eine skurrile Verhandlung vor dem Schwelmer Amtsgericht.
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Die Sache mit dem Seil ist weder ungewöhnlich noch neu. Um die Kühe des Bauerhofs von der Weide in den Stall und umgekehrt treiben zu können, spannen die Mitarbeiter des Ennepetaler Landwirts nämlich gleich zweimal täglich für etwa 30 Minuten ein Seil über eine kleine Straße. Das hat eine ganz einfache Bewandtnis, wie die Männer vor dem Schwelmer Amtsgericht erklären, die der Radfahrer wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach seinem unfreiwilligen Abgang vom Drahtesel angezeigt hatte: Die Kühe sollen nicht weglaufen, sondern quasi wie durch eine Leitplanke geführt über die Straße gehen.
26 Kühe auf dem Weg zum Schlafen
So auch am frühen Abend des 18. April vergangenen Jahres. Alles läuft wie immer. Die Tiere – 26 Kühe – wechseln zu dieser Zeit zwischen Stall und Weide – halten sich brav an die Absperrung durch das Seil und bewegen sich friedlich in Richtung Stall. Eine Sache allerdings ist an diesem Abend anders als sonst: Der 56-Jährige will mit seinem Fahrrad gleichzeitig die abgesperrte Straße befahren.
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Er übersieht offenbar das gespannte Seil, fährt hinein, fliegt über das plötzliche Hindernis und stürzt. Seine Verletzungen sind glücklicherweise überschaubar: Der Mann trägt Schürfwunden und Hämatome an Knie, Ellenbogen und Oberschenkel davon. Und er will die Sache nicht auf sich beruhen lassen, sondern zeigt die beiden Angestellten des Milchbauern bei der Polizei an wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.
Und so finden sich zwei 25 und 31 Jahre alten Mitarbeiter des Hofes nun auf der Anklagebank des Amtsgerichts Schwelm wieder und schildern die Vorgänge aus ihrer Sicht. „Wir haben die 26 Kühe geholt. Ich bin an diesem Abend hinterher gegangen und habe sie in Richtung Stall über die Straße getrieben“, sagt der 31-Jährige. Er habe das Band an dem Tag allerdings gar nicht gespannt.
Weder Kühe noch ein Seil gesehen
Der 25-jährige Mitangeklagte erklärt anschließend dem Gericht, dass er vor der Herde hergelaufen sei, um sie auf dem richtigen Weg zur Nachtruhe anzuführen und die entsprechenden Tore auf dem Weg zum Stall zu öffnen. Und, so sagt er: „Ich habe das Seil gespannt.“ Die Arbeitsweise, die Straße mit dem Seil abzusperren, während die Kühe diese passieren, würde vom Chef so vorgegeben; die beiden Männer würden sich an diese Vorgaben lediglich halten und sie ausführen.
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Das Band, so macht der 25-Jährige klar, sei eigentlich auch erkennbar. Das war es für den Radfahrer allerdings offenbar nicht. Im Zeugenstand erinnert er sich an seinen Unfall: „Ich lag unvermittelt auf der Straße. Ich hab keine Kühe gesehen. Das Seil habe ich auch nicht gesehen. Es war ein dunkles Seil vor dunklem Asphalt.“ Die Frage, die sich an dieser Stelle nicht eindeutig klären lässt, lautet dementsprechend: Haben die beiden Männer tatsächlich ein Band gespannt, das nicht sichtbar war und hing dies auch noch, als die Kühe längst außer Sichtweite waren oder hat der Radfahrer einfach nicht richtig aufgepasst, was da vor ihm auf der Straße war? Eine Antwort ließ sich nicht eindeutig geben.
So beließ es die Schwelmer Strafrichterin bei folgender Anmerkung: „Wenn man eine Straße sperrt, muss sich das Seil farblich gut abheben“, gab sie den Angeklagten mit auf den Weg. Beide Männer sind bislang nicht vorbestraft. Aufgrund einer, wie das Gericht feststellte „sehr, sehr geringen kriminellen Energie“, stellte es schließlich beide Verfahren gegen den 25-Jährigen und gegen den 31-Jährigen ein. Künftig, so machte die Richterin gleichwohl deutlich, müsste die Absperrung aber besser erkennbar sein. „Wir haben das direkt geändert“, erwidert der 25-Jährige darauf und verdeutlichte, dass der Landwirt und seine Mitarbeiter den Unfall ernst genommen und umgehend reagiert haben.
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