Ennepetal. „Der Raubbau durch Bund und Land rächt sich jetzt“, meint Ennepetals Kämmerer. Er könne derzeit keinen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen.
Eigentlich sah die Tagesordnung für die nächste Sitzung des Rates der Stadt Ennepetal am Donnerstag, 28. September, vor, dass Kämmerer Tim Strathmann den Entwurf für den Haushaltsplan und den Stellenplan 2024 einbringt. Doch dazu wird es nicht kommen. Weil er unter den aktuellen Voraussetzungen keinen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen kann, verständigte sich Strathmann in Gesprächen mit den Spitzen der Ratsfraktionen darauf, die Einbringung zu verschieben. Der Kämmerer hofft darauf, dass die Landesregierung für eine Entlastung der NRW-Kommunen sorgt.
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Die Höhe des Defizits würde die Grenzen des Erlaubten sprengen. „Eigentlich hatte der Haushalt 2023 schon ein Defizit von 14 Millionen Euro gebracht“, erklärt Tim Strathmann. Durch das Isolieren der Belastungen durch die Corona-Pandemie sowie den Ukrainekrieg und dem damit verbundenen dramatischen Anstieg der Energiepreise habe man den Etat planerisch noch auf „Null“ bringen können. Zur Erklärung: Die Kommunen durften einen buchhalterischen Trick anwenden. Alle zusätzlichen Ausgaben sowie Mindereinnahmen, etwa bei der Gewerbesteuer, durften addiert und die entsprechende Summe fiktiv als Einnahme verbucht werden. Verschwunden ist der Betrag damit allerdings nicht, er muss auf 50 Jahre verteilt abgeschrieben werden.
„Eigentlich hieß es, dass wir die Lasten durch Ukrainekrieg und Energiekosten auch 2024 isolieren können“, erläutert der Kämmerer. Doch dann habe das Land mitteilen lassen, dass das Isolierungsgesetz nicht verlängert wird. Hinzu kommt, dass die Stadt Ennepetal im kommenden Jahr planerisch etwa 5 Millionen Euro mehr Kreisumlage abführen muss. „Der Kreis braucht viel Geld – zum einen aufgrund der enormen Investitionen wie beispielsweise in das Gefahrenabwehrzentrum, zum anderen steigt für den Kreis auch die LWL-Umlage.“
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe finanziert vor allem soziale Leistungen für Menschen mit Behinderungen, betreibt zudem Förderschulen, Einrichtungen der Psychiatrie und des Maßregelvollzugs sowie Kultureinrichtungen. Auch dort mache sich, ebenso wie bei Kreis- und Stadtverwaltung, der „monströse Tarifabschluss“ für den öffentlichen Dienst bemerkbar, meint Strathmann. „Wir müssen fast drei Millionen Euro mehr an Personalkosten einplanen“, sagt er. „Und wenn alle Stellen bei uns besetzt wären, wäre die Lücke noch größer.“ Auch die Sachkosten seien gestiegen, externe Dienstleister, beispielsweise für Heimunterbringungen, würden die Sätze erhöhen.
Hohes Defizit
Dass Ennepetal beim Gewerbesteueraufkommen sehr stabil da steht, wäre eigentlich ein Grund zur Freude für den Kämmerer. „In vielen kreisangehörigen Kommunen läuft es aber schlecht.“ Und weil die Kreisumlage auf Grundlage der gemeindlichen Steuerkraft und den gemeindlichen Schlüsselzuweisungen (die Ennepetal nicht erhält) berechnet wird, wird die Stadt Ennepetal stärker zur Kasse gebeten. Steigende Zinsen und weiterhin hohe Energiekosten schlügen ebenfalls zu Buche.
„Wir gehen momentan von einem Defizit aus, dass noch höher ist als die 14 Millionen Euro für dieses Jahr – dürfen diesmal aber eben nichts isolieren“, betont Tim Strathmann. Das bedeutet, dass der Haushalt nicht genehmigungsfähig wäre, weil weit mehr als die zulässigen 25 Prozent des noch vorhandenen Eigenkapitals der Stadt (Ennepetal hat noch etwas mehr als 30 Millionen Euro Eigenkapital) für den Haushaltsausgleich verbraucht würden. Daher müsste ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden, das darstellt, wie Ennepetal innerhalb von zehn Jahren wieder eine „schwarze Null“ erreicht.
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Er sehe nicht, wie das angesichts auch auf Sicht weiter steigender Belastungen und kaum mehr vorhandener Einsparpotenziale hinzubekommen sei, meint der Kämmerer. Die Folge des düsteren Szenarios für Ennepetal wäre, dass die Stadt zur Nothaushaltsführung verpflichtet würde, also nur noch die Ausgaben tätigen dürfte, zu denen sie gesetzlich oder durch bestehende Verträge verpflichtet ist. Bei den Investitionen dürften erst einmal nur die Projekte weitergeführt werden, die schon begonnen wurden.
Tim Strathmann betont, dass 60 Prozent der Städte in NRW „die Enden nicht aneinander“ bekämen, also nicht die Möglichkeit hätten, die zusätzlichen Belastungen aus eigener Kraft zu kompensieren. „Bei den Kämmerern im Ennepe-Ruhr-Kreis herrscht Grabesstimmung“, sagt Strathmann. Der „strukturelle Raubbau“ von Bund und Länder an den Kommunalfinanzen, indem sie den Kommunen immer mehr Aufgaben aufgebürdet hätten, ohne sie auskömmlich zu refinanzieren, treffe nun auf deutlich schlechtere Rahmenbedingungen.
Hoffen auf das Land
Doch noch hat Tim Strathmann Hoffnung, dass Bund und Land die Kommunen nicht im Stich lassen. „Es gibt Signale der Ministerin (Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, Anm. der Red.), das Problem erkannt zu haben.“ Wie eine Entlastung aussehen könnte, sei allerdings noch offen, berichtet der Kämmerer. Weil es wenig sinnvoll sei, einen Haushaltsentwurf einzubringen, für den sich kurz darauf die Zahlengrundlage wesentlich ändern könnte, verständigte er sich mit den Fraktionsspitzen auf eine Verschiebung. Diesen Schritt gehen die meisten EN-Städte ohnehin schon, obwohl den Kommunen eigentlich vorgeschrieben ist, bis zum 30. November den Etat für das Folgejahr zu verabschieden. Wann der Etatentwurf nun kommen soll, steht laut Strathmann noch nicht fest. Die nächste reguläre Ratssitzung wäre am 14. Dezember.
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