Schwelm. „Wir stehen vor vollendeten Tatsachen.“ Ein neues Flüchtlingsheim in der Kita Sternenzelt in Schwelm sorgt bei vielen Bürgern für Ärger.

„Sie stellen uns hier einfach vor vollendete Tatsachen“, beschweren sich Schwelmer Bürgerinnen und Bürger bei Bürgermeister Stephan Langhard. Dieser hatte vergangenen Montag zu einer Bürgersprechstunde in Schwelm eingeladen.

Hintergrund ist das geplante Flüchtlingsheim, das in dem alten Gebäude der Kita Sternenzelt an der Theodor-Heuss-Straße entstehen soll. Denn dass die alte Kita als neue Unterkunft für Geflüchtete hergerichtet wird, steht schon fest.

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Unterkunft bereits beschlossen – Schwelmer Bürger fühlen sich übergangen

Über 40 Personen fanden sich zur Bürgersprechstunde an der Theodor-Heuss-Straße ein. Die Stimmung war von Beginn an angespannt. Denn: Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich übergangen, wie immer wieder herauszuhören war. Mehrmals merkten sie an, dass die Entscheidung bereits ohne ihr Zutun beschlossen wurde. „Diese Sprechstunde hätte bereits vor Wochen stattfinden sollen“, erntet eine Bürgerin mit ihrer Forderung zustimmenden Applaus aus der Menge.

Bürgermeister Stephan Langhard (mitte) widmet sich den Fragen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger von Schwelm. Die Menge ist groß.
Bürgermeister Stephan Langhard (mitte) widmet sich den Fragen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger von Schwelm. Die Menge ist groß. © WP | Katleen Diekgraefe

Doch was genau wurde beschlossen? Das ehemalige Gebäude der Kita Sternenzelt wird als Unterkunft für geflüchtete Familien mit Kindern und alleinstehende Frauen genutzt.

„Die Unterkunft ist für 20 Personen vorgesehen. Im Notfall könnten noch drei oder vier Personen mehr reinpassen, aber dann ist es auch wirklich voll“, erklärt Bürgermeister Stephan Langhard. „Zuerst wird eine neunköpfige Familie hier einziehen.“ Also Mutter, Vater und ihre sieben Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren, wobei eins pflegebedürftig ist.

Ein Problem mit Religion oder Flüchtlingen?

Dass die Familie aus Syrien und nicht aus der Ukraine stammt, scheint für viele Anwesenden ein Problem zu sein. „Was wollen wir denn mit Muslimen hier oben, da sollten Ukrainer hin“, beschwert sich ein Bürger lautstark.

Zuerst sollten wohl auch ukrainische Geflüchtete in die Unterkunft kommen, doch war die Stadt nach eigener Aussage überrascht, wie viele Familien bereits privat in Wohnungen untergekommen sind. Damit hätte man im Hinblick auf die letzte Flüchtlingskrise 2015 nicht gerechnet.

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Angst um Sicherheit und einer ungewissen Zukunft

Viele der Anwohner in der direkten Nachbarschaft haben auch Angst vor einer Wertminderung ihrer Häuser und Immobilien, um ihre Sicherheit und eine mögliche Lärmbelästigung. Auch komme der Einwand, dass die Stadt „für die eigenen Bürger nichts tut, nur für Flüchtlinge.“ Eine Anschuldigung, die Langhard entschieden abweist.

Denn wie könne man absichern, dass auch wirklich nur Familien und keine alleinstehenden Männer in die Unterkunft kommen? „Für alleinreisende Männer haben wir die Unterkunft an der Kaiserstraße“, erklärt Stephan Langhard, der von der Menge oft unterbrochen wird, „Ich kann das verbindlich bis 2025 zusichern, dass hier nur Familien mit Kindern und alleinstehende Frauen untergebracht werden.“ Also somit so lange, wie Stephan Langhard das Amt des Bürgermeisters innehat, denn 2025 stehen die Neuwahlen in Schwelm an.

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Aufnahmequote der Stadt schon fast erfüllt

Die Stadt Schwelm hat ihre Aufnahmequote für Flüchtlinge in diesem Jahr bereits mit 100,74 Prozent erfüllt. Das entspreche, so die Stadt, 378 Personen. Doch haben sie auch eine Aufnahmeverpflichtung von bereits anerkannten Asylbewerbenden. Diese Quote liegt mit 219 Personen erst bei 68,90 Prozent.

„Wir müssen noch 99 Personen aufnehmen“, so Langhard, „plus das, was vielleicht noch von der Bundesregierung auf uns zukommt“, kann Langhard die Zukunft nicht planen. „Ich weiß nicht, was in den nächsten Jahren noch auf uns zukommt. Das Thema Flüchtlinge ist noch nicht vorbei.“

Bürgermeister Stephan Langhard in Diskussion über eine ungewisse Zukunft. Anwohner haben Bedenken zu der neuen Flüchtlingsunterkunft im Wohnviertel Schwelms.  
Bürgermeister Stephan Langhard in Diskussion über eine ungewisse Zukunft. Anwohner haben Bedenken zu der neuen Flüchtlingsunterkunft im Wohnviertel Schwelms.   © WP | Katleen Diekgraefe

Die Stimmung ist aufgebracht. Mit seinen Bemühungen, jede Frage zu beantworten, kann Langhard die Bürgerinnen und Bürger nur teilweise beruhigen. Die Gruppe fällt ihm immer wieder ins Wort. Aussagen gehen durcheinander, so dass es auch für Langhard schwierig wird, jede Sorge anzusprechen.

„Können wir auf Sie zählen, wenn die Einrichtung hier nicht funktioniert?“, fragen die Bürgerinnen und Bürger, die der Unterkunft mit Skepsis begegnen. „Wenn die Unterkunft hier nicht funktionieren sollte, haben wir immer noch die Kaiserstraße als Plan B“, sichert Langhard zu. „Sollten sich Probleme ergeben, rufen Sie bei der Polizei, beim Sozialamt oder im Zweifel direkt bei mir an.“

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Schwelmer Bürger sind hilfsbereit

Nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind gegen das neue Flüchtlingsheim. Einige sind auch gekommen, um ihre Hilfe anzubieten. „Es geht hier um Mitmenschen“, hält eine Bürgerin entgegen. „Ihnen vielleicht, aber mir nicht“, lautet eine Antwort aus der Menge.

„Das hier ist gerade ein Blitzlicht“, erklärt Ralf Schweinsberg, Geschäftsbereich Technisches Baudezernat der Stadt Schwelm. „Ich habe noch nie einen ehrenamtlichen Helfer weggeschickt und die Hilfsbereitschaft der Schwelmer war immer exorbitant hoch. Da bin ich durchaus sehr stolz drauf. Es ist auch ein Verdienst der Bürgerschaft, dass wir bis heute noch an keine Turnhalle dran mussten.“

Innerhalb der ehemaligen Kita Sternenzelt: Behelfswände und Stockbetten sind für die geflüchteten Familien bereits aufgestellt.
Innerhalb der ehemaligen Kita Sternenzelt: Behelfswände und Stockbetten sind für die geflüchteten Familien bereits aufgestellt. © WP | Katleen Diekgraefe

Treffen in der Zukunft soll für Klarheit sorgen

Zur Zeit sind noch kleine Restarbeiten an dem Gebäude in der Theodor-Heuss-Straße zu machen, so Langhard, doch wird die erste Familie gegen Ende August erwartet. „Je nachdem wie schnell wir sind.“

Die Sorgen der Anwohner, die sich neben der Entrüstung übergangen worden zu sein, vor allem um zukünftige Ängste drehen, konnte Langhard nur teilweise beruhigen. Doch bietet er den Bürgerinnen und Bürgern einen Vorschlag an: „Wir treffen uns noch mal in der Zukunft, in einem halben oder dreiviertel Jahr, um über ihre Erfahrungen und Probleme zu sprechen, wenn die Familien auch hier wohnen. Ich bin gespannt ob und wie sich ihr Leben in der Zeit verändert hat. Wenn sich herausstellt, dass diese Einrichtung nicht funktioniert, werden wir noch mal neu nachdenken müssen. Aber: Ich glaube einfach nicht, dass das nicht funktioniert.“

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