Schwelm. Ein Pfleger vergewaltigt in Ennepetal mindestens neun demente Frauen. Hätte im Vorfeld etwas dagegen getan werden können?

Der schockierenden Verdacht gegen einen 51-jährigen Familienvater, der in Ennepetal als angestellter Pfleger eines Seniorenheims der Korian-Gruppe mindestens neun demente Bewohnerinnen bis hin zur Vergewaltigung schwer sexuell missbraucht haben soll, wirft Fragen auf: Wären diese Taten zu verhindern gewesen? Kann es präventive Maßnahmen für so etwas geben? Und: Muss nun etwas geändert werden?

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Klar ist, dass die Realität in den Nachtschichten in der Pflege so aussieht, dass jeweils nur eine Pflegerin beziehungsweise ein Pfleger in den Zimmern an den Menschen arbeiten kann. Allein aus personellen Gründen und auch mit dem Blick auf den massiven Arbeitskräftemangel in der Pflege, wird dies auch nicht zu ändern sein. Die Türen offen lassen? Das berührt je nach Tätigkeit massiv die Intimsphäre der Bewohner, die versorgt werden. Eine einfache vorbeugende Maßnahme zeigt sich nicht.

Die Korian-Gruppe betont zudem, dass der dringend Tatverdächtige ein sauberes polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt habe sowie alle weiteren Papiere im Rahmen seines Bewerbungsverfahrens vollkommen unauffällig gewesen seien.

Gleichwohl hat der Ennepe-Ruhr-Kreis – wie andere Kreise und kreisfreie Städte auch – eine Heimaufsicht, die heute nicht mehr so heißt. Ist sie die richtige Anlaufstelle, wenn es darum geht, Maßnahmen zu ergreifen, um mögliche Wiederholungen zu verhindern?

Das ist die Rolle der Heimaufsicht

Das Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) regelt in Nordrhein-Westfalen Rahmenbedingungen für Betreuungseinrichtungen der Altenpflege und für Menschen mit Behinderungen. Die WTG-Behörde – früher Heimaufsicht genannt – hat die Aufgabe, die Einhaltung dieser Rahmenbedingungen zu überprüfen.

Geprüft werden dabei insbesondere, Qualitätsmanagement, personelle Ausstattung, Wohnqualität, hauswirtschaftliche Versorgung, Gemeinschaftsleben und Alltagsgestaltung, Pflegerische und soziale Betreuung sowie Kundeninformation, Beratung, Mitwirkung und Mitbestimmung. „Kriminelle Handlungen, wie sie hier jetzt im Raum stehen, sind für eine WTG-Behörde bei ihren Prüfungen quasi nicht aufzudecken“, teilt Ingo Niemann, Pressesprecher des Ennepe-Ruhr-Kreises, auf Nachfrage dieser Zeitung mit.

Als der Ennepe-Ruhr-Kreis von dem Zentrum für Betreuung und Pfelge an der Rollmannstraße in Ennepetal über den Vorfall informiert wurde, was am Dienstag, 4. Juli, um 19 Uhr per E-Mail passierte, war der Beschuldigte bereits vom Dienst freigestellt und durch die Korian-Gruppe gekündigt, die Polizei hatte die Ermittlungen zu dem Missbrauchs- und Vergewaltigungsfall bereits aufgenommen.

Zu zwei Ortsterminen war die Heimaufsicht des Ennepe-Ruhr-Kreises in der Einrichtung an der Rollmannstraße in Ennepetal vor Ort.
Zu zwei Ortsterminen war die Heimaufsicht des Ennepe-Ruhr-Kreises in der Einrichtung an der Rollmannstraße in Ennepetal vor Ort. © WP | Hartmut Breyer

Die Behörde hat im Folgenden den Einrichtungsleiter des Ennepetaler Hauses aufgefordert, das Gewaltschutzkonzept der Einrichtung sowie die Pflegeberichte der bis dato bekannten mutmaßlichen Opfer des 51-Jährigen zu übersenden. Ebenso forderte die Aufsichtsbehörde für die Seniorenheime im Ennepe-Ruhr-Kreis die Rinrichtung auf, die Protokolle über das Ereignis vorzulegen und die weitere Verfahrensweise zu skizzieren. Zudem habe der Kreis Informationen darüber angefordert, wie die Einrichtung den Vorfall mit Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen aufarbeiten wird, zählt Ingo Niemann auf.

Um sich selbst ein Bild der Gegebenheiten zu machen und Unterlagen einzusehen, fuhr die Heimaufsicht zu zwei Ortsterminen nach Ennepetal-Voerde am Donnerstag, 6., und Dienstag, 11. Juli. „Grundsätzlich liegen die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den Täter natürlich in den Händen der Polizei und der Staatsanwaltschaft“, stellt der Pressesprecher des Ennepe-Ruhr-Kreises klar. Falls sich aus Unterlagen, die der WTG-Behörde vorliegen, Hinweise ergeben sollten, die für die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei möglicherweise relevant sein könnten, würden diese entsprechend weitergeleitet.

Präventionsarbeit ist bei Demenzkranken kaum möglich

„Präventionsarbeit ist bei einer Opfergruppe wie in diesem Fall schwierig, die Betroffenen sind dement und können sich nicht mehr selbst äußern“, macht der Ennepe-Ruhr-Kreis auf eine hohe Hürde mit Blick auf mögliche vorbeugende Maßnahmen im konkreten Ennepetaler Fall aufmerksam. Im Ennepe-Ruhr-Kreis sei ein solcher Fall glücklicherweise ein Einzelfall, Berichterstattung bundesweit zeigt aber: Solche Fälle kommen immer wieder mal vor.

Hilfe im Nachgang bietet auch „GESINE Intervention & Frauenberatung.EN“ an. Andrea Stolte, die Leiterin der Beratungseinrichtung für den gesamten Kreis, die in Schwelm sitzt, macht deutlich: „Opfer und Angehörige können sich jederzeit bei uns melden. Wir helfen, wo wir können.“ Kontakt: Telefon: 02336/ 475 91 52. E-Mail: info@gesine-intervention.de, Fax: 02336 – 475 91 55, Postadresse: Markgrafenstraße 6, 58332 Schwelm.

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