Ennepetal. Der letzte Wille ist klar: Doch die letzten Flasche Bier des Sterbenden hat ein Strich durch seinen Wunsch gemacht, was mit seinem Erbe passiert.

Haben eine Flasche Bier und eine gehörige Portion Unachtsamkeit dem Ennepetaler Pächter einer Pferdepension und seinem Ehemann ein großes Erbe verhagelt? Darauf deutet zumindest alles hin. Denn unterm Strich besteht überhaupt kein Grund, daran zu zweifeln, dass es der letzte Wille des verstorbenen Besitzers der Ländereien und des Gebäudes war, dass diese an den Pächter gehen. Doch daraus wird nichts, wie das Oberlandesgericht Hamm nun festgestellt hat.

Der Ennepetaler Pferdehof, den der Pächter und sein Ehemann bewirtschaften, liegt recht abseits. Sie haben seit vielen Jahren ein sehr gutes Verhältnis zu dem hochbetagten Besitzer, dem sie stets pünktlich ihre Pacht bezahlen. Dessen Frau ist bereits seit einigen Jahren tot. Kinder hat das Ehepaar keine, so dass sich keine direkten Erben auftun, als es dem Verpächter im April 2019 zunehmend schlechter geht.

In der Nacht, als es mit dem im Grundbuch eingetragenen Besitzer des Grundstücks zu Ende ging, waren der Pächter und sein Ehemann an dessen Seite. Ins Krankenhaus wollte der Sterbende auf keinen Fall. Vor Gericht erzählte ein Zeuge, dass er sich noch eine Flasche Bier wünschte, die er trank.

Bier trinken funktioniert, unterschreiben nicht

Weil der sterbende Hofbesitzer seinen Nachlass nie in einem offiziellen Testament geregelt hatte, holte der Pächter drei Leute hinzu, die den letzten Willen des Mannes – den Hof an den Pächter zu vererben – bezeugen sollten. Doch formal ist ein Fehler passiert, der die Sache nun mehr als vier Jahre in die Länge zog. Denn: Es existiert kein handschriftliches Dokument aus der Nacht, das der Verstorbene, der andererseits noch dazu in der Lage gewesen sein soll, sein Bier zu trinken, unterschrieben hat.

Und: Ganz ohne Verwandte war der Verstorbene, der in Wuppertal wohnte, dann doch nicht. Eine Großcousine und ein Großcousin erschienen auf der Bildfläche, die das Erbe des Mannes für sich beanspruchten – inklusive des Hofs in Ennepetal und allem, was dazugehört. Die Sache landete vor dem Schwelmer Amtsgericht, das zunächst entschied: Der Hof geht an die entfernten Verwandten. Damit wollte sich das Betreiber-Paar der Pferdepension allerdings nicht zufrieden geben.

Folge: In der zweiten Instanz beschäftigte sich der für das Erb- und Landwirtschaftsrecht zuständige 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit der Sache und hatte darüber zu befinden, ob das Nottestament vor drei Zeugen tatsächlich bindend ist.

Klare Regeln für Dreizeugentestament

Bernhard Kuchler, Pressesprecher des OLG Hamm, erläutert: „Kann aufgrund naher Todesgefahr ein Testament nicht mehr vor dem Notar und als Nottestament vor dem Bürgermeister errichtet werden, so kann der Erblasser sein Testament mündlich vor drei Zeugen erklären – ein so genanntes Dreizeugentestament. Hierüber muss eine Niederschrift gefertigt werden, die dem Erblasser vorzulesen ist und die dieser genehmigen und grundsätzlich selbst unterschreiben muss. Im Falle der Schreibunfähigkeit reicht die Unterschrift durch die Zeugen.“

Der Ennepetaler Pächter beanspruchte auf der Grundlage eines eben solchen Dreizeugentestaments die Stellung als Alleinerbe für sich. Aber: Das Landwirtschaftsgericht Schwelm und der Senat für Landwirtschaftssachen waren beide nicht mit der notwendigen Sicherheit davon überzeugt, dass das Dreizeugentestament nach allen dafür gültigen Kriterien errichtet wurde – obwohl niemand ernsthafte Zweifel daran hatte, dass der Verstorbene tatsächlich den Betreiber der Pferdepension als Alleinerben einsetzen wollte. Heißt: Der Hof, auf dem das Ehepaar die Pferdepension betreibt, geht an die entfernten Verwandten.

Denn: Der Pächter hatte zunächst über einen Notar ein von seinem Ehemann und drei Zeugen unterzeichnetes Protokoll bei Gericht eingereicht, das auf einem PC erstellt worden war. Dieses sollte den letzten Willen des Verstorbenen belegen. Erst nachdem das Gericht den Pächter darauf hingewiesen hatte, dass das erst nach dem Tod erstellte Protokoll kein wirksames Dreizeugentestament sei, reichte dieser eine inhaltlich gleichlautende handschriftliche Version ein. Diese war ebenfalls von seinem Ehemann erstellt worden und trug ebenfalls die Unterschriften der drei Testamentszeugen.

Zeuge widersprechen sich selbst

Der Pächter erklärte, dass er in der Todesnacht die Zeugen hinzugezogen habe, weil der Sterbende nicht mehr ins Krankenhaus wollte und er sich so absichern wollte. In Gegenwart der Zeugen habe er dementsprechend mündlich sein Testament erklärt. Die von seinem Ehemann gefertigte Niederschrift sei dem Sterbenden vorgelesen und von ihm genehmigt worden. Dieser habe wegen seines Zustandes jedoch nicht mehr selbst unterschreiben können. Das Dokument sei dann noch zu seinen Lebzeiten von den Zeugen unterschrieben worden. Warum er ein Bier trinken konnte, wie Zeugen berichteten, aber nicht mehr sein Testament unterschreiben konnte, blieb ungeklärt.

Der Senat des OLG Hamm geht in seiner Entscheidung davon aus, dass auch von einem juristischen Laien wie dem Betreiber der Pferdepension zu erwarten gewesen wäre, dass er das handschriftliche Protokoll, – hätte es damals schon existiert – direkt bei dem Notar und dem Gericht vorlegt. Ein Grund dafür, warum das Ehepaar zunächst nur das – wegen der zu späten Anfertigung – ungültige Protokoll vom Folgetag vorlegte und nicht mindestens auch das handschriftliche Dokument aus der Todesnacht, war für die Richter ebenfalls weder ersichtlich noch plausibel erklärt worden. Heißt: Die Pächter können die Pension maximal weiter pachten von den nun rechtmäßigen Erben.

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