Schwelm. Erich Bitter – schillernde Schwelmer Persönlichkeit und bekannt als kleinster Autobauer Deutschlands ist im Alter von 89 Jahren verstorben.

Das Feuer in seinen Augen loderte auch noch im hohen Alter, wenn Erich Bitter sich mit einem unterhielt. Die unbändige Leidenschaft, mit der er sich für Dinge begeisterte, der Ehrgeiz, mit dem er seine Ziele verfolgte, tragen nur ganz wenige Menschen in sich. Diese Flamme ist ist nun erloschen. Am 10. Juli schloss der Schwelmer Erich Bitter im Alter von 89 Jahren seine stets so wachen Augen für immer. Es endete ein Leben als Autobauer, Rennfahrer, Maler, Reiter, Marathonläufer, Unternehmer und vor allem: Stehaufmännchen.

Erich Bitters Leben beginnt am 11. August 1933 in Schwelm. Die Nationalsozialisten hatten unter Adolf Hitler nur wenige Monate zuvor die Macht ergriffen, Vater Bitter führt ein Fahrradgeschäft mit mehreren Filialen. Schon im Kindesalter ist dieser unbändige Wille von Erich Bitter zu erkennen, Dinge umzusetzen, die er sich vorgenommen hat. Seine erste große Begeisterung im Leben gehört – naheliegend – dem Radsport. Im Jahr 1954 wurde der Schwelmer mit nur 21 Jahren der jüngste deutsche Radprofi überhaupt. Doch seine Karriere auf zwei Rädern dauert nicht lange. Im Jahr 1958 hängte er den Radsport aus gesundheitlichen Gründen an den Nagel.

Ab dem Folgejahr stieg er auf vier Räder um und startete bei Autorennen. In Rundstrecken- und Langstreckenrennen fuhr er für NSU, Saab, Volvo, Porsche, Mercedes, Ferrari und Abarth und – ganz wichtig für sein restliches Leben: Opel. Denn schon parallel zu seiner Karriere als Rennfahrer wurde Erich Bitter als Kaufmann in Schwelm aktiv. Zunächst eröffnete er einen Autohandel für NSU, später verkaufte er auch Saab, Volvo und Abarth. Unter dem Firmen-Namen Rallye Bitter importierte er zudem ab 1964 feuerfeste Rennoveralls nach Deutschland, entwickelte später selbst einen feuerfesten Stoff und verkaufte die eigenen Overalls.

Erich Bitter als Rennfahrer Ende der 60er Jahren in der „Schwarzen Witwe“ – der Startschuss für eine lebenslange Zusammenarbeit mit Opel.
Erich Bitter als Rennfahrer Ende der 60er Jahren in der „Schwarzen Witwe“ – der Startschuss für eine lebenslange Zusammenarbeit mit Opel. © Bitter GmbH | Bitter GmbH

Ein Wendepunkt in seinem Leben war das zufällige Zusammentreffen mit dem späteren Opel-Aufsichtsrat Bob Lutz im Herbst 1968. „Er fragte mich, ob ich einen schwarzen Rekord C gemeinsam mit Opel-Ingenieuren renntauglich machen wollte. Also habe ich das Auto zwei Tage lang auf dem Hockenheimring getestet und später an zwei Rennen teilgenommen. Das waren bis heute übrigens die einzigen Renneinsätze des Fahrzeugs, heute besser bekannt unter dem Namen ,Schwarze Witwe’“, erinnerte sich Bitter an den ersten Kontakt zu Opel.

Eine Aktion, die gar nicht erlaubt war, wie er deutlich machte: „Eigentlich durfte die Schwarze Witwe gar nicht bei Rennen starten, da ein Abkommen der Automobile Manufacturers Association schon seit 1957 allen US-amerikanischen Autoherstellern jeglichen Rennsport verboten hatte. Damit wollte man sich von der Verantwortung illegaler Straßenrennen distanzieren. Entsprechend schwierig war es, das Auto überhaupt zu einem Motorsport-Rennen zu bekommen. Beim Tourenwagen-Saisonfinale der Gruppe 5 in Hockenheim musste ich von ganz hinten starten, landete aber noch auf dem dritten Platz. Das erregte natürlich Aufsehen und die Opel-Führung verbannte die Witwe direkt wieder von der Rennstrecke.“

Der Bitter CD setzte auf italienische Eleganz und deutsche Zuverlässigkeit.
Der Bitter CD setzte auf italienische Eleganz und deutsche Zuverlässigkeit. © Bitter GmbH | Bitter GmbH

Kurz darauf beendete Bitter nach seinem dritten schwern Unfall – diesmal fing sein Wagen auf dem Nürburgring Feuer – seine Rennsportkarriere und fragte Bob Lutz, ob er einen Opel Diplomat V8 umbauen dürfte. „Opel ist die einzige Marke gewesen, die mir immer gestattet hat, alles an ihren Wagen zu ändern“, machte er Jahrzehnte später deutlich, worauf diese Kooperation fußte. 1972 präsentierte Erich Bitter voller Stolz auf der IAA den Bitter CD. Allein der Preis von mehr als 60.000 D-Mark – damals ein Vermögen – machte klar, dass es exklusiven und gut betuchten Kreisen vorbehalten war, ein Automobil aus Schwelm zu fahren.

Bitters Rezept: Italienische Eleganz beim Design, deutsche Zuverlässigkeit bei der Technik, edelste Innenausstattung auf englischem Top-Niveau. Alles prima? Ganz und gar nicht. Denn plötzlich hagelte es Stornierungen der Kaufverträge. „Die Ölkrise vermasselte alles. Niemand wollte mehr einen V8 kaufen“, erinnerte sich Bitter in einem Gespräch zu seinem 80. Geburtstag. Doch davon wollte er sich seinen Traum nicht zerstören lassen und griff auf seine Vertriebserfahrung zurück. Top-Promis sollten seine Autos fahren. Paul Breitner – enttäuscht von der Unzuverlässigkeit seiner italienischen Sportwagen – orderte einen Bitter CD und rette damit die junge Schwelmer Firma vor dem fast sicheren Aus.

Die Fußball-Stars Jürgen Grabowski (links) und Bernd Hölzenbein (rechts) nehmen von Erich Bitter (Mitte) ihre Bitter CD in Empfang.
Die Fußball-Stars Jürgen Grabowski (links) und Bernd Hölzenbein (rechts) nehmen von Erich Bitter (Mitte) ihre Bitter CD in Empfang. © Bitter GmbH | Bitter GmbH

Mit Karl-Heinz Rummenigge, Udo Lattek, Erich Ribbeck, Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein kauften weitere Fußballstars und -Trainer nun Bitter-Autos. Aus der Show-Branche folgten unter anderem Howard Carpendale, Ireen Sheer und Heino, Ski-Star Christian Neureuther ebenso. Die Ölkrise ging vorbei, die Verkäufe zogen plötzlich an. Insgesamt 395 Exemplare des Bitter CD verkaufte die kleine Schwelmer Autoschmiede. Bald folgte der Bitter SC, von dem etwa 600 Exemplare produziert wurden.

In den folgenden Jahren kam seine Firma immer wieder in Schwierigkeiten, doch Erich Bitter ließ sich von seinem Weg nicht abbringen. Ab 1986 baute er zahlreiche Prototypen, von 1987 bis 1997 betrieb er die Bitter Automobile Company in Santa Monica in den USA, bis sein Geschäftsfreund Lee Miglin dem Serienmörder Andrew Phillip Cunanan zum Opfer fiel, der später auch Gianni Versace tötete. Der Schwelmer orientierte sich wieder mehr nach Europa, wo vor allem seine ersten beiden Modelle längst Kultstatus erreicht hatten. Ein Fanclub hatte sich gegründet, der sich weiterhin regelmäßig auch am Hotel Fritz am Brunnen trifft. Erich Bitter war – wenn er es einrichten konnte, stets auch selbst vor Ort. Das nächste Treffen war zu seinem 90. Geburtstag in Paderborn geplant. Erich Bitter hatte sich bereits sehr darauf gefreut.

Über die Jahre hat Bitter weiterhin zahlreiche Autos auf höchstem Niveau veredelt – überwiegend und zuletzt nur noch auf Opel-Basis. Über seinen Umbau des Opel Insignia sagte er: „Der Innenraum kann mit einem Rolls Royce mithalten.“ Nie machte er einen Hehl aus seiner Ablehnung für Kunststoffe. „Plastik brauche ich nicht.“ Im Jahr 2017 gründete sein Neffe Markus Bitter die Vertriebsgesellschaft M.E. BITTER Automotive GmbH, die sieben Modelle auf Opel-Basis vom Corsa über den Mokka, den Grandland bis zum Insignia vertreibt und den Namen Bitter auch über den Tod ihres Gründers hinaus in der Automobilbranche lebendig halten will.

Erich Bitter hatte viele weitere Leidenschaften – neben Reiten und Marathonlaufen gehörte das Malen dazu.
Erich Bitter hatte viele weitere Leidenschaften – neben Reiten und Marathonlaufen gehörte das Malen dazu. © WP | Bernd Richter

Erich Bitter hat sich neben seiner Passion für Automobile auch anderen Dingen mit voller Hingabe gewidmet. Er war ein ausgezeichneter Maler, der hohe Anerkennung erfuhr und in seiner Heimatstadt Schwelm im Haus Martfeld ausgestellt hat. Bitter lief in seinem Leben mehr als 30 Marathons, war ein exzellenter Dressurreiter, veröffentlichte kurz nach seinem 80. Geburtstag eine umfangreiche Biografie. Er war dreimal verheiratet und hinterlässt neben seiner Ehefrau Gisela auch drei Töchter. Zwar wohnte er zuletzt in Gevelsberg und hatte seinen Firmensitz in Ennepetal, doch auch in Schwelm war er sehr präsent. Ruhe fand er im Schwarzwald, wo der Tausendsassa Kraft tankte für seine vielen Projekte und Visionen.

Erich Bitter bleibt den Menschen, die ihn kannten, als liebenswerter, sympathischer, umtriebiger, anständiger, dankbarer, ehrlicher und visionärer Gentleman in Erinnerung, der Benzin im Blut hatte und für den Stillstand das Schlimmste überhaupt war. Die Autowelt und auch die Stadt Schwelm verlieren mit Erich Bitter eine Persönlichkeit, die es nur selten gibt. Symbolisch für sein Leben und seine Leidenschaft stehen wohl folgende Worte, die er mit weit über 80 Jahren im Gespräch mit der Redaktion sagte, als er darüber sprach, dass er weiterhin mit einem Nachbau der „Schwarzen Witwe“ über die Rennstrecken bügelt: „Ich habe nichts verlernt. Wenn ich hinter dem Lenkrad sitze, vergesse ich, wie alt ich bin.“ Die Erinnerung an ihn wird nicht zuletzt über seine Autos weiterleben.

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Das typische Bittergesicht der neuen Modell nach der Jahrtausendwende: sportlich-elegant.
Das typische Bittergesicht der neuen Modell nach der Jahrtausendwende: sportlich-elegant. © WP | Bernd Richter