Gevelsberg. Gevelsberg: Rüdiger Kaiser war fast fünf Jahrzehnte bei der Feuerwehr. Das plant er für seinen Ruhestand.
Immer einen Spruch auf den Lippen, ein breites Grinsen. Wer Rüdiger Kaiser kennt, weiß, dass diesen Mann nichts aus der Fassung bringt – und ihn kennt so ziemlich jeder in Gevelsberg. Doch als er all die vielen Feuerwehrleute sieht, die nur für ihn Spalier stehen, kann auch er die Tränen nicht mehr zurück halten. Vor Rührung, aus Dankbarkeit, aus Wehmut. Seit 48 Jahren und drei Monaten ist er bei der Gevelsberger Feuerwehr. Jetzt ist sein letzter Arbeitstag angebrochen. Doch seinen Abschied in den Ruhestand machen ihm seine Kollegen richtig schwer.
Sie sind alle gekommen, um Rüdiger Kaiser ihre Ehre zu erweisen. Die Wehrleitungen aller Feuerwehren im Ennepe-Ruhr-Kreis, Würdenträger, all die vielen Kolleginnen und Kollegen aus Gevelsberg, der Feuerwehrnachwuchs, Wegbegleiter, Freunde. Alle aufzuzählen ist unmöglich, es sind einfach zu viele. Der Anblick, wie sie so kerzengerade vor den Feuerwehrfahrzeugen stehen, sorgt für Gänsehaut. „Ich hatte tatsächlich Pipi in den Augen“, sagt Rüdiger Kaiser und lacht. Was für eine Überraschung, „ich war völlig von den Socken.“ Alle hätten dicht gehalten, sogar seine Frau Manu.
Jetzt geht es ans Meer
Das einzige, das er wusste, war, dass die Entbindung von seinen Pflichten als stellvertretender Wehrführer in Gevelsberg und als Dienststellenleiter der Kreisfeuerwehrzentrale ansteht, ein offizieller Akt. Rüdiger Kaiser war nicht nur fast sein ganzes Leben bei der Freiwilligen Feuerwehr, sondern auch 40 Jahre hauptberuflich im Einsatz. Er hat nicht damit gerechnet, dass mehr als ein dutzend Feuerwehrfahrzeuge vor dem Rathaus stehen und so viele Menschen auf ihn warten. Und dazu noch all die vielen Geschenke mitbringen. Es wird eine Herausforderung in seinem neuen Zuhause einen Platz für alles zu finden.
Es ist nämlich schon alles gepackt und vorbereitet, für sein nächstes Abenteuer. Der 64-Jährige freut sich auf sein Haus am Deich, seinen Garten, das Meer. Er wird Gevelsberg verlassen und mit seiner Frau in Ostfriesland leben - genau genommen in Detern, zehn Minuten vom Hafen entfernt. Dort liegt ihr Boot und ein neuer Lebensabschnitt fern von allen Verpflichtungen.
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Natürlich komme er immer wieder nach Gevelsberg, dafür hänge er zu sehr an der Stadt. „Aber jetzt haben wir uns einige Bootstouren vorgenommen“, sagt er und weiß, dass er seiner Familie viel zu verdanken hat, er Zeit nachholen will. Bei der Verabschiedung im Rathaus sagt er „Meine Frau Manu und meine Tochter Steffi haben mir immer den Rücken frei gehalten.“ Wenn er wieder nachts raus musste, am Wochenende, wenn die Pflicht sich über den Feuerwehr-Funk meldete und alles stehen und liegen gelassen werden musste. Immer und immer wieder.
Schon der Vater war bei der Feuerwehr
„Ich bin froh, dass unter meiner Verantwortung niemand gestorben ist, meine Leute immer heil nach Hause gekommen sind“, sagt der langjährige Einsatzleiter im Gespräch mit dieser Zeitung. Doch die Einsätze, die er erlebte, gingen nicht immer gut aus.
Dabei denkt er an den Brand an der Hagener Straße, als drei Menschen ums Leben kamen, den verheerenden Großbrand an der Mühlenstraße, den tödlichen Motorradunfall an der Eichholzstraße. Dramatische Einsätze, die verarbeitet werden müssen.
Wie er das immer geschafft hat? „Ich weiß es wirklich nicht“, sagt er. Aber er habe es geschafft und vor allem nicht die Toten mitgezählt, die er in all den Jahren im Dienst gesehen hat. Sein Privatleben war Ausgleich, seine ruhige Art, die auch anderen Kraft gegeben hat. „Lieber laut Loben und leise Tadeln“, das sei immer seine Devise gewesen. Er hat viele Feuerwehrkameradinnen und Kameraden ausgebildet, miterlebt, wie Feuerwehr immer moderner wurde.
Er sagt: Die Zeiten, in denen die Feuerwehr nur Brände löschte, seien lange vorbei. Technische Hilfeleistungen würden einen immer größeren Raum einnehmen, Gefahrgut, ABC-Alarm, „man muss immer auf dem aktuellen Stand sein“, sagt Rüdiger Kaiser. Feuerwehr, das sei nie Routine gewesen, immer etwas Neues.
Mit 17 Jahren trat er der Freiwilligen Feuerwehr bei, in Asbeck. Sein Vater Willi war dort Ortsbrandmeister. „Ich bin mit der Feuerwehr aufgewachsen, habe die tolle Kameradschaft erlebt. Zur Feuerwehr zu gehen, war immer mein Traum.“
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Als Rüdiger Kaiser die Stellenanzeige vom Ennepe-Ruhr-Kreis las, dass ein Dienststellenleiter für die Kreisfeuerwehrzentrale gesucht wurde, hat er sich beworben und die Stelle bekommen. Da war das Gebäude noch im Rohbau, erinnert er sich. Das war vor etwa 40 Jahren. Seitdem ist er der Chef dort geblieben und hat viele Entwicklungen miterlebt und vor allem Menschen ausgebildet und seit 2004 auch im Brandhaus in Silschede.
Blaukittel und Kirmes
Er war es auch, der die beiden Löschgruppen Asbeck und Silschede zusammen gebracht hat und aus ihnen 2004 den Löschzug 3 machte. „Das hätte alles nicht so gut geklappt, wenn wir nicht so ein tolles Team wären“, sagt er. Feuerwehr sei schon etwas Besonderes.
Aber auch Rüdiger Kaiser ist besonders. „Er hat seinen Beruf immer voller Hingabe und mit Herzblut gemacht“, sagt Bürgermeister Claus Jacobi bei der Verabschiedung. Ein Ratgeber, ein geerdeter Typ, Taktgeber, Ehrenbeamter mit Vorbildcharakter, Sirenenrudi: Während der Verabschiedung fallen viele Worte über Rüdiger Kaiser. Weil ihn viele schätzen. Weil er immer in der Stadt unterwegs war, sich für jeden Zeit nahm, auch wenn er eigentlich schon längst wieder woanders sein müsste.
Hier gibt es hunderte Fotos von der Kirmes
Für die Gevelsberger Kirmes setzte er sich besonders ein. Für sein langjähriges Engagement hat er sogar vom Kirmesverein einen Blaukittel erhalten - und von den Schaustellern dutzende Fahr- und Verzehrchips für den letzten Gang über die Kirmes als Stadtbrandinspektor im Dienst. „Das war schon ein tolle Sache.“
Rüdiger Kaiser durfte in diesem Jahr mit seiner Frau auch auf dem Wagen des Hammerschmieds mitfahren, die Bambinis haben ihn nachgebaut und in einem kleinen Wagen im Kirmeszug gezogen, dazu gab es jubelnde Rufe am Straßenrand. Weil ihn jeder kennt. Weil er in Gevelsberg vermisst wird.