Ennepetal. Karl Erich Reuter, Vorsitzender des Beirats für Menschen mit Behinderungen in Ennepetal, zieht sich aus dem Gremium zurück. Hier zieht er Bilanz.

Er zählte zu den Gründungsmitgliedern des Beirats für Menschen mit Behinderungen, war zunächst stellvertretender Vorsitzender und ist seit 2021 Vorsitzender. Doch wenn das Gremium am 10. Mai neu gewählt wird, wird Karl Erich Reuter nicht mehr kandidieren. Im Gespräch erklärt der 75-Jährige, der sich ehrenamtlich in vielen Bereichen engagiert hat, die Beweggründe für seinen Rückzug, blickt auf Erfolge des Beirats und benennt das, was ihn am meisten ärgert.

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Herr Reuter, warum wollen Sie nicht mehr im Beirat für Menschen mit Behinderungen mitarbeiten?

Wenn ich noch einmal kandidieren würde, wäre ich am Ende der dreijährigen Amtszeit fast 80 Jahre alt. Wer mich kennt, weiß, dass ich immer gesagt habe, dass so alte Männer nicht an ihrem Stuhl kleben sollten. Und ich finde, dass fast 40 Jahre Ehrenamt genug sind.

Sich nicht für den Vorsitz zur Wahl zu stellen, aber als einfaches Mitglied dabei zu bleiben, war keine Option?

Das wurde an mich herangetragen. Aber ich denke, dass es gut ist, einen klaren Schnitt zu machen. Einem oder einer neuen Vorsitzenden gegenüber wäre das meiner Meinung nach nicht fair.

Wenn Sie auf Ihre Zeit in dem Gremium zurückblicken: Was halten Sie für Ihren größten Erfolg?

Aus Sicht des Beirats war das, die Parksituation an der Breckerfelder Straße zu verändern, so dass Margret Feuerhahn, die auch dem Beirat angehört, sich mit ihrem Rollstuhl nun gefahrlos von ihrem Haus aus in Richtung Voerde bewegen kann. Da war Straßen NRW involviert, da galt es ganz viel Bürokratie zu überwinden. Ohne die Unterstützung der Politik hätten wir das nicht geschafft. Insgesamt ist die Stadt wirklich behindertenfreundlicher geworden. Wir haben an einigen Stellen jetzt Rampen für Rollstuhlfahrer und taktile Leitsysteme für Sehbehinderte. Inzwischen sind viele Bushaltestellen mit taktilen Leisten und angehobenen Bordsteinen angelegt worden, an Bürgersteigen wurden manche Stolperfallen, beispielsweise durch Baumwurzeln beseitigt. Solche Kleinigkeiten tragen insgesamt dazu bei, dass sich die Situation verbessert hat.

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Oft sind es ja auch nur kleine Veränderungen, die spürbar helfen können.

Ja, genau. Schön war es zum Beispiel, dass wir den Behindertenparkplatz an der Voerder Straße, gegenüber der Sonnenapotheke, verändert haben. Da hatte sich jemand gemeldet, der einen Elektrorollstuhl hat, der an der Beifahrerseite aus dem Auto gefahren wird. Doch der Parkplatz war dafür zu eng, weil auf dem Bürgersteig ein Baum stand. Wir haben uns mit Vertretern der Stadt getroffen. Ergebnis: Der Parkplatz wurde etwas verbreitert, so dass man nicht direkt mit der Tür vor dem Baum stehen muss. Daran hat mir nicht zuletzt gefallen, dass die Anregung aus der Bevölkerung kam. Auch, dass an der Marktstraße ein Stoppschild aufgestellt wurde, um für etwas mehr Sicherheit beim Überqueren der Straße am Busbahnhof zu sorgen, haben wir bei einem Ortstermin angeregt. Erfreulich ist auch, dass auf unsere Bitte hin am Eingang der Kluterthöhle eine Seniorenbank, die etwas höher ist, aufgestellt wurde. Eine solche Bank wird es ja ebenfalls im Voerder Zönchen geben. Und eine ganz kleine, aber sehr sinnvolle Sache ist beispielsweise, dass an den beiden Behindertenparkplätzen auf dem Kirmesplatz in Voerde ein Hinweis auf die Behindertentoilette an der Lindenstraße 8, im Haus der Begegnung, angebracht wurden.

Und womit sind Sie überhaupt nicht zufrieden?

Die Situation mit der Behindertentoilette im Haus der Begegnung ist sehr unbefriedigend (dort bildet die Automatiktür für Rollstuhlfahrer ein unüberwindbares Hindernis, weil man zwar mit dem Euroschlüssel die Tür öffnen kann, diese aber nach außen aufgeht. (Rollstuhlfahrer müssen daher zurückrollen, doch dann schlägt die Tür schon wieder zu; Anmerkung der Redaktion). Das Gebäude gehört der Stadt, es muss also noch nicht mal jemand anders einbezogen werden. Es ist schon unglaublich, dass wir in der Stadt der Türöffner so etwas nicht hinbekommen – wo doch Dormakaba in der ganzen Welt Türen öffnet. Und ganz grundsätzlich: Vieles dauert einfach zu lange, bis es endlich umgesetzt wird.

Steckbrief Karl Erich Reuter

Karl Erich Reuter ist gebürtiger Schwelmer und 75 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat mit seiner Frau Monika eine Tochter. Und auch eine Enkelin gehört zur Familie.

Seit 45 Jahren ist er in Ennepetal zu Hause, beruflich war er fast 40 Jahre lang als kaufmännischer Angestellter bei der AVU in Gevelsberg tätig.

Karl Erich Reuter, der an Morbus Bechterew leidet, einer entzündlichen Rheuma-Erkrankung, gründete 1985 die Morbus-Bechterew-Selbsthilfegruppe Ennepetal-Gevelsberg-Schwelm und war in der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew auf allen Ebenen im Vorstand aktiv. Er wirkte in der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KISS) EN-Süd in vorderer Reihe mit, vertritt bis heute auf Kreisebene ehrenamtlich Patienten und Menschen mit Behinderungen und ist Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses in Berlin. Daneben übte er eine Vielzahl weiterer Ehrenämter aus.

Für sein Engagement erhielt Karl Erich Reuter zahlreiche Auszeichnungen. Im Jahr 2000 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Sind Sie bei Neubauvorhaben und Umgestaltungen Ihrer Meinung nach immer rechtzeitig und ausreichend beteiligt worden?

Die Zusammenarbeit mit den speziellen Abteilungen der Stadtverwaltung ist ein Punkt, der sich mit dem neuen Beirat verbessern muss. Vor Corona haben wir uns zweimal im Jahr mit Vertretern der damaligen Stadtbetriebe getroffen, um uns informieren zu lassen, was momentan alles gemacht wird und welche Wünsche wir haben. Das war eine tolle Zusammenarbeit, die sollte wiederbelebt werden. Außerdem müsste in den Abteilungen, in denen Entscheidungen getroffen werden, immer überlegt werden, ob diese jeweils auch Menschen mit Behinderungen betreffen. Da gibt es noch Nachholbedarf.

Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Anliegen in der Verwaltung immer ernst genommen wurden?

Ja, hundertprozentig. Nur dauert es oft sehr lange, bis etwas umgesetzt wird. Und wenn jetzt ein neuer Beirat gewählt wird, müssen die Kontakte zu den Verantwortlichen in der Verwaltung wieder neu aufgebaut werden. Da wäre es wichtig, wenn das von der Stadt ausgeht, die Ansprechpartner in den verschiedenen Fachbereichen vorgestellt werden.

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Am 10. Mai wird ein neuer Beirat gewählt. Warum sollte jemand dafür kandidieren?

Ganz einfach: um etwas zu bewegen und Einfluss zu nehmen. Ich finde sehr wichtig, dass im Beirat möglichst viele Arten von Behinderungen vertreten sind. Ein Sehbehinderter kann auf Dinge aufmerksam machen, die ein Rollstuhlfahrer oder ein Hörgeschädigter gar nicht als Problem wahrnimmt – und umgekehrt.

Sie haben sich über Jahrzehnte auch auf höchster Ebene für die Belange von Menschen mit Behinderungen und speziell für die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew engagiert. Was hat Sie dazu bewogen?

Als ich 1982 meine Diagnose erhielt, habe ich mich für das ganze Thema interessiert und bin zufällig in Kontakt mit einer Selbsthilfeorganisation für Menschen, die von Morbus Bechterew betroffen sind, gekommen. Ich habe gesehen, dass eine Selbsthilfegruppe für Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm in Gründung war und habe mit der Initiatorin gesprochen. Wir haben die Gruppe dann aufgebaut. Darüber kam ich in den Landesverband, wurde erst Beisitzer und war dann acht Jahre Vorsitzender. Vier Jahre lang war ich auch stellvertretender Bundesvorsitzender und wurde darüber als Patientenvertreter in den Gemeinsamen Bundesausschuss entsandt, der die Richtlinien für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen festlegt. Ich bin manchmal in die Positionen gekommen, weil ich nicht nein sagen kann.

Entweder – oder

Berge oder See?

Berge. Ich wandere gerne – soweit man das Wandern nennen kann. Durch meine zahlreichen Aufenthalte in Oberammergau fühle ich mich den Bergen sehr verbunden.


Fisch oder Fleisch?

Fleisch, weil ich gerne mal ein Steak esse. Aber ich mag auch Fisch.


Ennepetal oder Berlin?

Ennepetal, zu 100 Prozent. Ich lebe hier, hier sind die Menschen, die mir wichtig sind, und für die ich mich einsetze. Berlin ist zwar eine schöne Stadt, aber leben möchte ich da nicht.

Wie unterscheidet sich die Arbeit beispielsweise im Gemeinsamen Bundesausschuss von der im Beirat auf kommunaler Ebene?

Durch die Form der Arbeit. Förmlichkeiten wie „Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren“ kennt man unter Selbsthilfegruppen nicht. Für alle Gremien gilt: Man darf keine Hemmungen haben. Ich kann gut auf Menschen zugehen – allerdings nur, wenn ich für andere eintrete. Für mich selbst mache ich das nicht gerne.

Werden Sie andere ehrenamtliche Tätigkeiten noch weiterführen? Oder ziehen Sie sich komplett davon zurück?

Ich habe künftig nur noch die Arbeit im Gemeinsamen Bundesausschuss. Das ist aber keine ganz ganz so umfangreiche Aufgabe mehr. Vor Corona war ich regelmäßig an zwei Tagen im Monat in Berlin. Das ist mittlerweile weniger geworden.

Welchen Rat geben Sie Ihren Nachfolgern im Beirat für Menschen mit Behinderungen auf den Weg?

Einen Rat kann will ich gar nicht geben. Der neue Beirat und die neuen Vorsitzenden müssen ihren eigenen Weg finden. Ich hoffe allerdings, dass den Vorsitz jemand übernimmt, der bereits dem Beirat angehört hat. Sonst könnte es schwieriger werden. Und der oder die Vorsitzende darf nicht in seiner eigenen Schublade bleiben. Ich könnte Ihnen zwei Stunden lang einen Vortrag über Morbus Bechterew halten. Es ist aber wichtig, sich alles anzuhören, sich für alles zu interessieren und sich für alle einzusetzen.

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