Schwelm. Katastrophaler Fehler in Schwelm: Straßen NRW tötet mit falschem Baumschnitt zahlreiche alte Linden. Naturschutzbehörde ermittelt nun.

Von der Ostsee bis zum Bodensee verläuft die Deutsche Alleen-Straße mit einem idyllischen Teilstück, das durch Schwelm führt. Doch das malerische Bild hat derbe Kratzer erhalten, denn der Landesbetrieb Straßen NRW hat im Zuge eines Pflegeschnitts zahlreiche Linden derart unsachgemäß gestutzt, dass es als sicher gilt, dass die Bäume eingehen werden. Als auffiel, in welchem Ausmaß die Straßenmeisterei in Schwelm Natur auch in besonders geschützten Bereichen zerstört hat, stoppte der Landesbetrieb die Aktion umgehend. Nun ermittelt der Ennepe-Ruhr-Kreis als untere Naturschutz-Behörde.

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Der Kahlschlag entlang der Hattinger Straße, der Gevelsberger Straße und der Wittener Straße – alles im Schwelmer Ortsteil Linderhausen – liegt schon einige Wochen zurück. Mit schwerem Gerät – einem so genannten Sennebogen – haben Straßen NRW-Mitarbeiter einige Bäume beispielsweise entlang der Hochspannungstrasse komplett gefällt, aber insbesondere entlang der Alleen Linden, die etwa 100 Jahre alt sind, derart heftig zurückgeschnitten, dass die Bäume mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit daran verenden werden.

Radikale Zerstörung am Straßenrand

Den Autofahrern, die dort vorbeikommen, bietet sich seitdem ein Bild der Zerstörung. Anwohner wandten sich nur wenige Tage nach der Abholzung an Straßen NRW. Ihnen kam die Radikalität des Eingriffs seltsam vor, zumal insbesondere Linden eine schonendere Behandlung benötigen als beispielsweise Buchen. Zu große Schnittflächen schädigen die empfindlichen Bäume irreparabel.

Auch in diesem bersonders geschützen Bereich an der Wittener Straße hat Straßen NRW einige Linden zerstört.
Auch in diesem bersonders geschützen Bereich an der Wittener Straße hat Straßen NRW einige Linden zerstört. © WP / Stefan Scherer | Stefan Scherer

Der Blick auf die Festsetzungen im Landschaftsplan der Stadt der Schwelm zeigt: Alle Fäll- und Rückschnittsarbeiten haben im Landschaftsschutzgebiet stattgefunden, die Verstümmelung der Linden an der Wittener Straße, die dem gesamten Ortsteil Linderhausen seit Jahrhunderten überhaupt erst seinen Namen geben, hat sich vor allem im Bereich der S-Kurve sogar in geschützten Landschaftsbestandteilen zugetragen.

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„Das kann doch nicht rechtens sein“, dachten sich besorgte und verärgerte Linderhauser, die durchaus Kahlschlag an den Straßenrändern aus den vergangenen Jahren gewohnt sind und wandten sich an die Landesbehörde. Deren Antwort fällt eindeutig aus: „Wir teilen Ihre Meinung, dass der Pflegeschnitt an den Linden nicht fachgerecht durchgeführt wurde. (...) Zwar wurden die Arbeiten abgebrochen, jedoch ist ein unbestrittener Schaden an den Bäumen entstanden, den auch entsprechenden Gutachter des Betriebssitzes des Landesbetriebs Straßenbau bestätigen.“ Straßen NRW wandte sich selbst an den Ennepe-Ruhr-Kreis als zuständige Umweltbehörde und zeigte den eigenen Fehler an.

Keine Ahnung, wie das passieren konnte

Doch wie kann so etwas überhaupt passieren, wenn sogar die eigenen erfahrenen Leute von Straßen NRW mit dieser Aufgabe betraut sind? Andreas Berg, Pressesprecher von Straßen NRW, erläutert: „Grundsätzlich sollte hier ein Rückschnitte der Kronen stattfinden, vor allem aus Verkehrssicherungsgründen, was das Lichtprofil anbelangt. Wir haben keine Ahnung, warum die Bäume so stark beschnitten wurden. Wir sind selbst sprachlos.“ Insgesamt seien neun Bäume betroffen, einer steht im Abschnitt der besonders geschützten Allee.

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Mehrere Dutzend weitere Bäume sind zudem markiert, sie sollten auch beschnitten werden. Was passiert nun mit Ihnen? „Wir werden diese Bäume ab dem Herbst, wenn es wieder erlaubt ist, wahrscheinlich ebenfalls zurückschneiden, dann aber natürlich auf eine angemessene Art und Weise“, teilt Andreas Berg mit, der auch schon darüber spricht, beispielsweise die zerstörten Bäume in gleichem Maße wieder aufzuforsten.

Dutzende weitere Bäume sind für den Rückschnitt an den Straßenrändern noch markiert.
Dutzende weitere Bäume sind für den Rückschnitt an den Straßenrändern noch markiert. © WP / Stefan Scherer | Stefan Scherer

Da spricht das letzte Wort allerdings der Ennepe-Ruhr-Kreis als untere Naturschutzbehörde. Bis der der anderen Behörde allerdings mitteilen wird, wie sie den Schaden, den sie an der Natur angerichtet hat, wieder kompensieren muss, wird es noch etwas dauern. „Wir werden eine Ortstermin mit den Verantwortlichen von Straßen NRW festlegen, in dessen Rahmen wir schauen werden, wie wir mit der ganzen Sache umgehen“, teilt Ingo Niemann, Pressesprecher des Ennepe-Ruhr-Kreises auf Nachfrage dieser Zeitung mit. Bis mindestens dahin werden in Schwelm nun Löcher in der 2900 Kilometer langen Deutschen Alleen-Straße das Bild prägen.

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