Ennepetal. Danuta Krawiec aus Ennepetal weiß, was es bedeutet, wenn ein Angehöriger an Demenz erkrankt. Nun gründet sie eine Selbsthilfegruppe.
„Das Leben steht von heute auf morgen auf dem Kopf“, sagt Danuta Krawiec, „Ich musste alles neu organisieren“. Vor einem Jahr bekam ihr Mann die Diagnose Demenz. „Das Schlimmste dabei ist, dass man damit alleine ist“, sagt die 62-Jährige. Das Verständnis dafür, was die Krankheit bedeutet und mit sich bringt, sei im Umfeld oft nicht sehr ausgeprägt. Um sich gegenseitig Halt und Hilfe geben zu können, ruft Danuta Krawiec nun eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz ins Leben.
Danuta Krawiec, die mit ihrem Mann auf Homberge wohnt, ist nicht nur eine betroffene Angehörige. Als ehemalige Inhaberin eines Pflegedienstes in Gevelsberg und Dortmund hat sie bereits Erfahrung und Wissen in Bezug auf Menschen mit Demenz gesammelt. „Aber wenn man privat damit konfrontiert ist, ist das etwas ganz anderes“, meint sie. „Das, was man mir alles gepredigt hat, ist da nicht so selbstverständlich.“ Als ihr Mann die Diagnose bekam, habe sie das zunächst einmal verdrängen wollen und gedacht „Das wird vorübergehen.“ Doch nach einem MRT ließ der Arzt keinen Zweifel. „Es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, erzählt Danuta Krawiec. „Ich wusste nicht wohin mit meiner Hilflosigkeit, mit meiner Wut.“
Darauf hin googelte sie, ob es eine Selbsthilfegruppe in der Region gibt. Sie fand Gruppen für pflegende Angehörige, allerdings kein Angebot speziell für Angehörige von Menschen mit Demenz. Und so fasste sie den Entschluss, eine solche Gruppe ins Leben zu rufen. „Ich will etwas machen für mich persönlich, aber auch für andere. Ich denke, dass ich gut dafür geeignet bin: Ich bin fachkundig und selbst betroffen.“ Ein Anliegen sei Ihr nicht zuletzt, das Thema Demenz aus der Tabuzone zu holen. „Wenn es hart auf hart kommt, steht man oft alleine da“, meint sie. In der Gruppe könne man sich austauschen. „Und ein kleiner Tipp kann einem manchmal schon einen ganzen Tag retten. Denn darum geht es: den Alltag zu bewältigen.“
„Viele denken, dass Demenz bedeutet, dass man vergesslich ist“, erklärt sie. „Doch das Wesentliche ist, dass jemand einfache Zusammenhänge nicht mehr erkennt.“ Sie schildert ein Beispiel: Ihr Mann habe am Tisch eine Zigarette geraucht. Obwohl ein Aschenbecher direkt vor ihm gestanden habe, habe er sie auf dem Tisch ausgedrückt. Und einmal habe sie nur ganz schnell einkaufen wollen. „Als ich wiederkam, tropfte das Wasser schon im Treppenhaus. „Mein Mann hat geduscht und vergessen, das Wasser abzustellen“, so Danuta Krawiec.
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Es sei eine weit verbreitete Ansicht, dass man die von Demenz Betroffenen verstehen könne, erklärt Danuta Krawiec. „Aber das kann man nicht.“ Sie habe das auch versucht. „Mein Mann hat noch helle Momente, das ist das Trügerische.“ Aufgrund der Erkrankung des 69-Jährigen, der Pilot war und die ganze Welt gesehen hat, müsse sie in ständiger Bereitschaft sein. „Ich kann nicht länger aus dem Haus gehen, weil man nie weiß, was passiert.“ Im Prinzip gebe es bei fortschreitender Demenz nur zwei Alternativen: eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause oder die Unterbringung in einem Heim.
Danuta Krawiec ist überzeugt davon, dass die von ihr initiierte Angehörigen-Selbsthilfegruppe, mit der sie im Mai starten möchte, auf Zuspruch stoßen wird. „Es haben sich nach einer ersten Veröffentlichung schon viele gemeldet“, berichtet die Ennepetalerin. „Viele sind einfach hilflos, der Bedarf ist enorm.“ Am Sonntagnachmittag ab 16 Uhr sollen die Treffen der Gruppe stattfinden, jeweils für zwei Stunden in den Räumen der Caritas an der Südstraße 20 in Ennepetal. „Ich würde es begrüßen, wenn die Treffen wöchentlich stattfinden, aber wir werden erst einmal schauen, wie der Bedarf bei den Teilnehmern ist“, so Danuta Krawiec. „Ich weiß, wie schwierig es ist, sich die Zeit freizuschaufeln.“ Aber deswegen sei man auch auf den Sonntag gegangen. Da hätten die meisten Menschen – viele seien ja noch berufstätig – mehr Zeit, außerdem sei es leichter, eine Ersatzperson für die Betreuung des demenzkranken Angehörigen zu finden.
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Willkommen sind in der Selbsthilfegruppe alle Angehörigen von Menschen mit Demenz – egal, ob sie jemanden zu Hause pflegen oder ein Angehöriger im Heim lebt. Neben dem Austausch, so plant es Danuta Krawiec, sollten auch Experten wie Ärzte oder Pflegefachkräfte eingeladen werden.
Ein wichtiger Aspekt, den sie auch in die Gruppe tragen möchte, ist für die Ennepetalerin nicht zuletzt, dass Angehörige von Menschen mit Demenz eine Pflege organisieren. „Sonst hat man keine Zeit und irgendwann dann keine Kraft mehr. Man muss auf sich selbst achten.“