Ennepetal. Hans-Caspar und Jutta Kartenberg denken darüber nach, ihr traditionsreiches Café sonntags nicht mehr zu öffnen. Das steckt dahinter.

Es ist für viele Familien aus Ennepetal und Umgebung gerade am Sonntag die Anlaufstelle, Senioren treffen sich dort und nach mancher Taufe, Kommunion oder Konfirmation geht es zum Kaffeetrinken dorthin: das Café Kartenberg in Milspe. Doch die Institution ist bedroht. Denn Hans-Caspar und Jutta Kartenberg finden kein Personal, das sonntags im Servicebereich arbeiten will. Schlimmstenfalls müsse das Café an diesem Tag geschlossen bleiben, dann könne man nur noch den Konditorei-Verkauf betreiben, so Jutta Kartenberg, die betont, schon alle Kanäle für die Suche genutzt zu haben. „Aber das wollen wir natürlich nicht. Wir müssen irgendwie eine Lösung finden.“

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Für das Angebot in der Stadt wäre es ein herber Schlag, denn außer dem Café Linnepe, das nur samstags und sonntags Gäste bewirtschaftet, gibt es keine weiteren reinen Café-Betriebe. „Das Café Hülsenbecke und das Haus Plessen zum Beispiel bieten zwar Kaffee und Kuchen an, sind aber eher Restaurantbetriebe“, so Konditormeister Hans-Caspar Kartenberg. Konditoreien würden ohnehin immer weniger. „Mein Vater war viele Jahre lang Obermeister der Konditor-Innung. Damals gab es im EN-Kreis 30 Mitgliedsbetriebe. Inzwischen ist das Innungsgebiet auf Hagen, Bochum, Dortmund und Lünen ausgeweitet worden und wir sind trotzdem nur noch elf.“

„Wir werden am Dienstag und Mittwoch nach Ostern komplett geschlossen bleiben, weil wir kein Personal haben“, berichtet Jutta Kartenberg. Grundsätzlich seien die Leute, die man habe, in der Woche bereits völlig ausgelastet. Einzelne Kräfte auf den Sonntag zu schieben, sei nicht möglich, weil es nicht zuletzt junge Mütter im Team gebe, die natürlich am Wochenende Zeit mit der Familie verbringen wollten. „Wir suchen deshalb Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter speziell für sonntags und auch für zwei halbe Tage in der Woche“, erklärt Jutta Kartenberg. Geöffnet ist sonntags von 13 bis 18 Uhr, hinzu kommen je eine halbe Stunde Vorbereitung und Aufräumen.

„Vor Corona hatten wir die Probleme nicht“, betont Jutta Kartenberg. Doch viele hätten sich in dieser Zeit andere Jobs gesucht und seien nicht zurückgekommen. Das gelte für den gesamten Gastronomiebereich. „Dabei gehen unsere Arbeitszeiten ja noch, verglichen mit Restaurants“, sagt sie. Ihr Mann betont, dass die Personalproblematik nur den Service- und Verkaufsbereich betreffe. In der Backstube der Konditorei habe er genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu gehören auch vier Auszubildende.

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Die Gründe, warum es so schwer ist, Servicekräfte zu finden, sind sehr unterschiedlich. „Wir hatten uns für eine Mitarbeiterin entschieden, die uns dann aber doch noch abgesagt hat, weil sie Bürgergeld bekomme und nur maximal 100 Euro hinzuverdienen dürfe, ohne dass das angerechnet wird.“ Und jemanden nur einen Sonntag im Monat zu beschäftigen bedeute im Prinzip, die Kraft immer wieder neu anlernen zu müssen. Eine Studentin, die als Aushilfe für die nächsten Wochen eingeplant war, habe per WhatsApp mitgeteilt, dass sie ab sofort nicht mehr komme. Und dann fällt nun auch die Hilfe aus der Familie weg. „Unsere jüngere Tochter arbeitet in Vollzeit und macht nebenbei noch ihren Master, die kann nicht auch noch sonntags im Café mitarbeiten“, so Jutta Kartenberg. „Und unsere ältere Tochter ist schwanger.“

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„Wir haben wirklich ein gutes Team“, betonen Hans-Caspar Kartenberg. Fast alle seien seit mindestens zehn Jahren dabei. „Wir wissen, dass wir uns auf unser Personal verlassen können.“ Und seine Frau ergänzt: „Wir hatten auch zwei, drei Mitarbeiterinnen, die als Aushilfe angefangen haben und wir dann in eine Teilzeitanstellung übernommen haben.“ Doch aufgrund der saisonalen Schwankungen im Betrieb und gerade auch mit den Stoßzeiten samstags und sonntags brauche man eben auch Aushilfen und Minijobber.

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Seit 1920 gibt es das Café und die Konditorei Kartenberg. Gründer waren Emilie und Caspar Kartenberg, deren Sohn Hans-Kaspar und Schwiegertochter Edith führten es weiter, seit 1993 haben Hans-Caspar und Jutta Kartenberg das Sagen an der Kölner Straße 81. Beide machen sich auch schon Gedanken, wer den Betrieb einmal übernehmen könnte. Doch ein paar Jahre werde man noch weitermachen, so der 61-jährige Hans-Caspar Kartenberg – und das möglichst mit einem sonntags geöffneten Café.