Gevelsberg. Das Ziel ist klar: Der Radweg durch Gevelsberg soll fertig gebaut werden. Dafür kämpfen die Menschen. Doch wie kann eine Lösung aussehen?

Scheitert eines der wichtigsten Radweg-Projekte des Landes in Gevelsberg? In den Planungen soll die Strecke einmal mit dem Ruhrtalradweg und der Nordbahntrasse zwei der attraktivsten Radwege der Region verbinden. Doch Gevelsberg wird immer mehr zur Achillesferse des gesamten Projekts, das von den beiden Seiten bereits zu guten Stücken gebaut ist. Der Silscheder Tunnel und ein schützenswerter Hangschluchtenwald könnten die ganze Sache zum Einsturz bringen. Das wollen die Gevelsberger und der Ennepe-Ruhr-Kreis jedoch nicht zulassen. So viel wurde ganz deutlich im Foyer der VHS, wo etwa 130 Menschen unter der Überschrift „Rettet den Radweg“ diskutierten und sich nach einer klaren Perspektive sehnten.

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Es geht um den Lückenschluss des Elbschetalradwegs. Ein Thema, das „interessiert und polarisiert“, wie Bürgermeister Claus Jacobi betont, der sich erfreut zeigte, wie viele Bürgerinnen und Bürger „aus unterschiedlichen Interessenlagen“ – auch aus den Nachbarstädten – zu der vom SPD-Stadtverband organisierten Diskussionsveranstaltung mit verschiedenen Experten ins Foyer der VHS gekommen sind. Unter dem, wie es Moderator Jan Schulte beschreibt, „dramatischen“ Motto „Rettet den Radweg“, geht es dabei um den ins Stocken geratenen Ausbau der Radverbindung von Schwelm nach Wetter.

„Artenschutzrechtliche Bedenken wegen eines Fledermausbestandes im Silscheder Tunnel kollidieren mit dem Wunsch nach der Mobilitätswende“, erklärt der Stadtverbandsvorsitzende Daniel Berenbruch und fügt hinzu, dass es nun endlich an der Zeit sei, die wichtigen Nachhaltigkeitsziele „Naturschutz, Artenschutz und Verkehrswende“ beim Bau des Radwegs durch den Problem-Tunnel miteinander in Einklang zu bringen.

Fledermäuse auf 845 Meter Tunnel

Die Stadt Gevelsberg macht sich stark dafür, dass die 845 Meter lange Tunneldurchfahrt Teil des Radweges wird und sich die Radler damit eine Umfahrung mit massiver Steigung ersparen. „Wir wollen diese Verbindung und werden auch dafür kämpfen, diese artgerecht umzusetzen“ appelliert Bürgermeister Claus Jacobi unter dessen Regie sich seine SPD das Thema nun maßgeblich auf die Fahnen geschrieben hat und bezeichnet es als „Schildbürgerstreich“ wenn dies am Ende nicht funktionieren würde. „Wir werden alles dafür tun, wir werden auch alles notwendige Geld in die Hand nehmen, um eine wirklich artenschutzgerechte, ökologiekonforme Lösung hinzubekommen.“

„Rettet den Radweg“ lautet das plakative Motto für das ambitionierte Vorhaben. Links: Der Gevelsberger SPD-Chef Daniel Berenbruch.
„Rettet den Radweg“ lautet das plakative Motto für das ambitionierte Vorhaben. Links: Der Gevelsberger SPD-Chef Daniel Berenbruch. © WP | André Sicks

Der Auslöser, warum das Ganze derzeit immer noch stockt war ein im Naturschutzbeirat des Ennepe-Ruhr-Kreises vorgestelltes Monitoring der Biologischen Station, laut dem der Tunnel das wichtigste bekannte Fledermausquartier im gesamten EN-Kreis sei. Laut der Zählung wurden sieben verschiedene Arten an Fledermäusen per Bilddokumentation nachgewiesen, fünf weitere durch vorherige Untersuchungen. „Bei einem Quartiersverlust“, so formulierte es die Biologische Station unter Leitung von Britta Kunz in ihrem Papier, „sei mit einem erheblich negativen Einfluss auf die lokale Fledermauspopulation zu rechnen.“

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Dessen ist sich auch Landrat Olaf Schade bewusst und stellt klar, dass aufgrund der Einzigartigkeit des Habitats im Tunnel der vorhandene Artenschutz Vorrang haben sollte und man auch die „gegebene Natur“ erhalten müsse, trotzdem wolle man es erreichen, „dass die Trasse am Ende eine gerade Linie ist“. Mit etwaigen Unterbrechungen wie steilen Rampen über den Tunnel hinweg sei dies nicht der Fall. „Es ist wahrlich kein 08/15-Projekt; aber gemeinsam können wir es lösen.“ Wie diese Lösung aussieht, das weiß allerdings auch der Landrat nicht.

Von Witten bis Schwelm nur 20 Kilometer

Ebenso sieht Georg Schäfer vom Fachforum Radverkehr sieht in der geplanten Wegeverbindung nicht nur einen wichtigen Schritt zur Verbesserung des Alltagsradverkehrs, auch für den Tourismus sei sie von entscheidendem Vorteil. „Mit dem Radweg kann man von Witten bis Schwelm fast geradeaus und ohne Steigung fahren und braucht nur 19,6 Kilometer, wenn der Weg durch den Silscheder Tunnel führt.“ Das wäre eine erhebliche Verbesserung für Radler, sagt er.

Der ehemalige Silscheder Eisenbahntunnel ist der größte Knackpunkt auf dem geplanten Radweg zwischen Wetter und Schwelm.
Der ehemalige Silscheder Eisenbahntunnel ist der größte Knackpunkt auf dem geplanten Radweg zwischen Wetter und Schwelm. © WP | Carmen Claudia Thomaschewski

Stefan Voigt, Vorsitzender des Arbeitskreises Kluterthöhle, leidenschaftlicher Höhlenforscher und engagierter Naturschützer plädiert indes dafür, alle Belange unter einen Hut zu bekommen. 2016 hatte der Unternehmer den Schwelmer Tunnel „für den Naturschutz gekauft“ und zusammen mit den Städten Schwelm und Gevelsberg dort den Radweg „Unter dem Karst“ gebaut, der kürzlich feierlich eröffnet wurde. Er ruft dazu auf, beim Umsetzen des Projekts über unterschiedliche Meinungen hinweg mehr das Gemeinsame zu betonen und an einem Strang zu ziehen. Denn dann, so sagt er unter dem Applaus der Anwesenden, lassen sich „im Verlaufe der Zeit auch Dinge umsetzen, an die man früher nicht zu denken gewagt hat“.

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Wie geht es denn jetzt abseits der Absichtserklärungen ganz konkret für den Silscheder Tunnel und damit für das gesamte Radwegprojekt weitergeht? Petra Soika-Bracht (Ennepe-Ruhr-Kreis, Bereich Kreisentwicklung, Planung und Mobilität) und Björn Remer (Stadt Gevelsberg, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung und Umwelt) erläutern, dass Straßen NRW mittlerweile ein Umweltfachbüro beauftragt habe, um die notwendigen geologischen Voruntersuchungen im Tunnel vorzunehmen. Geplant sei es, auch wenn dies mitunter nicht zwingend nötig sei wie Stefan Voigt spontan einwirft, alle 50 Meter eine äußere Bohrung und alle 100 Meter im Inneren bezüglich des Landschaftsschutzes und der vorhandenen Ballungsräume vorzunehmen.

Dies sei, so beruhigen die beiden, bis dato jedoch ohnehin noch nicht geschehen. Somit bleibt es also zunächst noch abzuwarten, zu welchen Ergebnissen das vom Landesbetrieb beauftragte Fachbüro am Ende kommt, bei dem dann auch die Untersuchungen der Biologischen Station mit einfließen sollen. Fest steht aber, und hier nimmt Bürgermeister Jacobi abschließend die Worte „Realisierbarkeit“ und „große Kreativität“ in den Mund: Naturschutz und Mobilität können nur dann gut funktionieren, wenn die Menschen noch die Nähe zur Natur erleben. „Und diesen besonderen Reiz möchten wir für Gevelsberg umsetzen, und zwar möglichst schnell.“

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