Ennepetal. Um die Nutzung des Ennepetaler Stadtarchivs gibt es Streit zwischen dem Arbeitskreis Stadtgeschichte und der Verwaltung.
Werden die „Ennepetaler Forschungen“ nicht mehr erscheinen? Es wird nicht ausgeschlossen, dass die seit fast 25 Jahren vom Arbeitskreis Stadtgeschichte publizierte Schriftenreihe mit etwa 200 Aufsätzen eingestellt wird. Hintergrund ist ein seit Monaten schwelender Streit zwischen der Stadtverwaltung und dem Arbeitskreis, der jetzt in der Sitzung des Kulturausschusses erstmals öffentlich wurde. Nach längerer Beratung stellte der amtierende Ausschussvorsitzende Olaf Biermann (CDU), der für die erkrankte Vorsitzende Anita Schöneberg (SPD) die Sitzung leitete, fest: „Was können wir tun? Ich habe keine Lösung.“
Worum geht es? Die forschenden Mitglieder des Vereins durften seit vielen Jahren die Magazinräume des Stadtarchivs selbst betreten und hatten so Zugang zu Archivalien. Nach Auffassung der Stadtverwaltung stand und steht jedoch diese langjährige Praxis „nicht im Einklang mit den archivarischen Grundregeln und Anforderungen”. In der Verwaltungsvorlage zur Kulturausschusssitzung heißt es: „Bereits vor etwa zehn Jahren hatte die derzeitige Leiterin des Stadtarchivs dazu sinngemäß Folgendes ausgeführt: Nach Archivgesetz NRW hat jeder das Recht, Archivgut auf Antrag zu nutzen. Archivgut ist Kulturgut und unter Schutz dauerhaft aufzubewahren. Es ist in seiner Entstehungsform zu erhalten und vor unbefugter Nutzung zu schützen (...) Deshalb liegt es allein in der Verantwortung des Archivpersonals, Archivalien herauszugeben und wieder zurückzulegen, um mögliche Fehlerquellen zu vermeiden. Ein freier Zugang zu den Archivräumen mit unkontrolliertem Zugriff seitens der Besucher*innen gefährdet den Ordnungszustand der Archivalien. Ein beim Zurücklegen unterlaufener Fehler führt dazu, dass die Archivalien unter Umständen nur mit einem großen Zeitaufwand wiedergefunden werden können oder gar als verloren gelten”. Das Archivamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) habe auch bestätigt, dass in keinem öffentlichen Archiv, Mitarbeiter eines Geschichtsvereins oder Ehrenamtlichen freier Zugang zum Archivgut gewährt werde, heißt es weiter.
Der verantwortliche Fachbereichsleiter Michael Schmidt betonte, dass die Stadt seit dem vergangenen Sommer mit Vertretern des Arbeitskreises Gespräche führe mit dem Ziel, „eine rechtskonforme Lösung zu finden, die möglichst vielen berechtigten Interessen gerecht werden kann.” So habe die Stadtverwaltung eine Versuchsphase vorgeschlagen, die unter anderem vorsieht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs die nach vorheriger Bedarfsanmeldung betreffenden Archivalien rechtzeitig zur Verfügung stellen und nach erfolgter Recherche wieder zurücklegen. Archivalien, die aus Erhaltungsgründen in ihrer ursprünglichen Form nicht zur Verfügung gestellt werden können, könnten, soweit technisch realisierbar, in anderer Form bereitgestellt werden.
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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs seien im Rahmen ihrer Kapazitäten bereit, die Recherchen des Arbeitskreises nach Kräften zu unterstützen. Jedoch habe es in der ersten Versuchsphase keine Rechercheanfragen seitens des Arbeitskreises gegeben, allerdings sei auch der Stadtarchivar gegen Ende der Phase krankheitsbedingt ausgefallen. Michael Schmidt: „Eine Verlängerung der Versuchsphase bis zum Sommer dieses Jahres stimmte der Arbeitskreis mehrheitlich nicht zu. Stattdessen wurde das Ende der Arbeit an den Ennepetaler Forschungen in Aussicht gestellt.“ Wie Schmidt weiter berichtete, sehe der Arbeitskreis in der neuen Vorgehensweise den Entzug eines jahrelang bewährten Privilegs. Außerdem sehe er sich unter Generalverdacht im Hinblick auf die Zuverlässigkeit seiner Mitglieder gestellt. Das sei aus subjektiver Sicht durchaus verständlich, dürfe die Verwaltung aber letztlich nicht davon abhalten, den Zugang zur Archivalien künftig auch unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes rechtskonform zu organisieren.
Vorschlag des Arbeitskreises
Der Arbeitskreis Stadtgeschichte hat bereits der Stadtverwaltung den folgenden Vorschlag unterbreitet:„Die aktiven Mitglieder, zur Zeit sieben Personen, erhalten als bestätigte ehrenamtliche Mitarbeiter des Archivs zu Forschungszwecken ein eingeschränktes Zugangsrecht zu den Beständen, und zwar nur am Montagvormittag und nur zu den Archivräumen im Obergeschoss – das sind der Raum mit dem Familien-, Vereins- und Firmenarchiv, das Zeitungsarchiv, das Bildarchiv und die Regionalbibliothek. Alle anderen Archivarien bleiben weiterhin den hauptamtlichen Mitarbeitern vorbehalten.“
Laut Stadtverwaltung darf allerdings auch keinem Ehrenamtlichen freier Zugang zu Archivgut gewährt werden.
Ausschussmitglied Dr. Petra Kappe (SPD) sieht „zwei Lokomotiven aufeinander zurasen“, fand aber Verständnis für die Belange des Arbeitskreises. Die Forschungen seien wichtig für Ennepetal. Auch Gereon Kalkuhl (Bündnis 90/Die Grünen) betonte: „Der Arbeitskreis muss vernünftig arbeiten können.“ Von einer „misslichen Situation“ sprach Annika Appelkamp-Decker (FDP). Eine Kameraüberwachung im Stadtarchiv brachte Maximilian Zeibig (Freie Wähler) in die Diskussion. Bianca Herberg (CDU), die erst zu Beginn der Sitzung als „sachkundige Bürgerin“ verpflichtet worden war, zeigte kein Verständnis für die Haltung des Arbeitskreises. Die Verwaltung habe doch ein Angebot gemacht, argumentierte sie.
Die Politik nahm schließlich die Ausführungen der Verwaltung „zur Kenntnis“. Herauszuhören war aber der Wunsch nach einer Einigung. Fachbereichsleiter Michael Schmidt sagte dann auch in Richtung Arbeitskreis, der durch den Vorsitzenden Hans Hermann Pöpsel und dessen Stellvertreter Karl-Heinz Giesick im Zuhörerbereich vertreten war: „Meine Türen stehen weiterhin offen.“